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Der Kaiser ist der Stellvertreter Christi

Vortrag Pastoralkolleg Hildesheim
am Dienstag, 20. Januar 2009

 

 

Ich beginne mit einem Satz aus der Hildesheimer Kirchenzeitung, aus einem Artikel über Dietrich Bonhoeffer, sein Studium um 1920: "Die evangelische Kirche hatte mit dem Kaiser Oberhaupt und Orientierung verloren". Eine wichtige Erinnerung für unser Thema: noch 1918 war der Kaiser Kirchen-Oberhaupt.

Der Kaiser ist der Stellvertreter Christi

So kann ich Ihnen gleich eine Frage stellen: ist Ihnen das Wort "Stellvertreter Christi" geläufig? Auf wen bezieht sich der Titel "Stellvertreter Christi"?

Ja - im Westen auf den Papst, seit neustem, seit Petrus Damiani vor knapp eintausend Jahren, am 21. Februar feiern wir seinen Gedenktag.
Bis dahin bezog sich der Titel Stellvertreter Christi im ganzen Römischen Reich mit seiner Hauptstadt Rom am Bosporus - Byzanz, Konstantinopel, Νέα Ρόμη seit Kaiser Konstantin nur auf den Kaiser, und im Osten so ungebrochen, dass sogar der Sultan nach der Eroberung dieses Rom am Bosporus 1453 den Titel Römer Rumeli und Stellvertreter Gottes übernahm.

Die Orthodoxen leben immer noch in einer "der-Kaiser- ist-der-Stellvertreter-Christi-Welt". Zwischen 1969 und 1976 hatte ich im St. Jakobushaus in Goslar einen Studientag mit den orthodoxen Stipendiaten in Deutschland, alle waren sich einig, Einheit geht nur mit Hilfe eines Konzils. "Wer wird das Konzil einberufen?" und einer antwortete schnell und ernsthaft: "Der Kaiser!"

Da es den Kaiser nicht gibt, sind die orthodoxen Kirchen doch eher isolierte Kirchen wie im ersten Jahrtausend die Assyrer oder Armenier oder Syrer oder Kopten - isoliert nach Staaten (z.B. Makedonien) oder Ethnien oder Ideologien

  • Die indische malankarische Kirche ändert z.Zt. alle Petrusstellen in der Liturgie, z.B. statt Haupt "Wächter"
  • Erzbischof Laurus aus Kirche ausgesperrt, weil er mit Moskau vier Jurisdiktionen in der Ukraine
  • Bartholomaios weiht Bischöfe für die Russen in Spanien, Europa - für die Esten in Estland
  • von katholischer Seite besteht intercommunio seit vierzig Jahren - nur die Russen haben sie aufgegriffen

Bei seinem aufsehenerregenden Vortrag vom 26. Jänner 1976 in Graz stellte Josef Ratzinger das Erfordernis der Selbstverleugnung beim gegenseitigen Sich-Annehmen der Kirchen in einer Weise heraus, dass sich seine Worte fast wie ein Fazit unserer Ausführungen anbieten. Das Sich-Annehmen, sagte er, "ist ein Akt der Selbstüberwindung, des Selbstverzichts und so freilich gerade der Selbstfindung. Es ist ein Akt, der nicht diplomatisch verfügt werden kann, sondern geistlich vom Ganzen der Kirche in Ost und West bestanden werden muss. Damit das theologisch Mögliche auch kirchlich tatsächlich möglich wird, muss dies Theologische in der Kirche geistlich vorbereitet und geistlich angenommen werden. Meine Diagnose über das Ost-West-Verhältnis in der Kirche lautet daher: Eine Kircheneinheit zwischen Ost und West ist theologisch grundsätzlich möglich, aber spirituell noch nicht genügend vorbereitet und daher praktisch noch nicht reif."
Der Kaiser berief die Konzilien ein, der Kaiser sorgte dafür, dass die Bischöfe kamen, der Kaiser sorgte für die Durchsetzung der Konzilsbeschlüsse, wenn nötig mit Waffengewalt. Das konnte er nur im Römischen Reich, so dass schon bald große Kirchen außerhalb des Römischen Reiches von der Reichskirche, der catholica, getrennt waren, z.B. die Armenier in Persien ihrem Herrscher versicherten, dem Schah von Persien, dass sie eine andere Lehre hätten als sein Feind, der Kaiser in der römischen Hauptstadt Konstantinopel am Bosporus.

Das erste Jahrtausend ist das Jahrtausend der großen Kirchenspaltungen. Weil der Römische Kaiser in Byzanz das Oberhaupt der Kirche ist, müssen die Kirchen außerhalb des Römischen Reiches sich als andersgläubig definieren.

Dem Kaiser ist es wichtig, für die Frömmigkeit seiner Untertanen zu sorgen. Nur so kann die Gesellschaft funktionieren. Theologisch wird das im ersten Jahrtausend nicht reflektiert, sondern in Ost und West akzeptiert.

Als der Stellvertreter Christ von Byzanz aus nicht mehr die Kraft hat, im Westen für die Einheit der Christen zu sorgen, versucht der Westen, sich einen eigenen Stellvertreter Christi zu schaffen: Papst Leo III. trifft 799 Karl den Großen in Paderborn, Karl der Große krönt sich Weihnachten 800 auf der großen Porphyrplatte im Petersdom in Rom zum Kaiser. Eine wichtige Bruchstelle für die Kirche auch innerhalb des Römischen Reiches: der Westen macht sich einen eigenen Stellvertreter Christi, obwohl es doch schon einen gibt.
Der westliche Stellvertreter Christi schafft es nicht besser als der östliche, für die Einheit der westlichen Kirche zu sorgen. Vielleicht weil er keinen festen Ort hat, mal in Palermo, mal in Goslar, mal in Aachen…

Stellvertreter Papst?

Da kommt eben Petrus Damiani (*1007, Kardinal 1057) auf den Gedanken, vielleicht könnte doch ein Priester selbst für die Einheit sorgen, etwa der Bischof von Rom, der schon in den ersten Jahrzehnten der Christenheit immer wieder aus Ost und West angerufen wurde in Streitfällen.
Mit den Kreuzzügen setzt sich dann durch, dass die schöpferische Aufgabe der Einheit beim Bischof von Rom liegen soll.

  • der Titel "Stellvertreter Christi" geht auf den Bischof von Rom über.
  • die Aufgabe, für die Einheit der Kirche zu sorgen, nehmen viele Kaiser und Fürsten bis in die neuste Zeit ernst.

Im neuen Europa scheint Glaube und Frömmigkeit als Privatsache angesehen zu werden. Die alte Kirche kannte eine gesamtkirchliche Autorität, die ein einziger Amtsträger auszuüben hatte. In der Antike erwartete jedermann von den Staatsführern, dass sie für das religiöse Leben Sorge trügen, Den römischen Kaisern war in der Kirche eine wichtige koordinierende Funktion zuerkannt.
In der Gestalt Konstantins, wie ihn die Geschichte oder Legende zeichnet, findet das symbolische Dichte. Wichtig etwa, dass Konstantin am Hohen Pfingstfest gestorben ist, 22. Mai 337. Sein Fest mit der Mutter Helena am 21. Mai in der Ostkirche heisst "Fest der apostelgleichen Konstantin und Helena" - die Mutter wird am Datum des Sohnes mitgefeiert, bei uns im Westen ohne Sohn am 18. August.

Hier ein kleiner Exkurs über die Daten, mal 21. mal 22.: das hängt mit Im Osten ist die alte Tageseinteilung aus dem Schöpfungsbericht noch lebendig "es ward Abend und morgen, der erste Tag" usw.: alle Feste beginnen mit dem Abend, haben zwei Daten, auf die Frage "wann ist Weihnachten?" antwortet auch in D zurecht der eine mit 24. Dez., der andere mit 25. Dezember. In Norddeutschland ist die Tageseinteilung in die deutsche Sprache eingegangen: vor dem Sonntag kommt der Sonnabend.
Ich erinnere mich, wie wir Schlesier vor sechzig Jahren im Juli 1946 in Wunstorf bei Hannover aus den Viehwagen ausgeladen wurden und dann im Laufe der Zeit feststellten, dass die Einheimischen "in den Geburtstag hinein feierten" und nach Mitternacht gratulierten. Uns verwunderte das sehr, wir waren gewohnt, dass man am Nachmittag oder Abend gratuliert, wenn jemand am folgenden Morgen Namenstag oder Geburtstag hat. "Es ward Abend und Morgen, der erste Tag" heißt es in der Genesis. Der Tagesbeginn am Abend gibt dem Tag eine eigenartige Struktur: erst tut Gott etwas für uns, schenkt uns einen Feierabend, ein Abendessen, eine Nachtruhe. In der zweiten Hälfte des Tages geht dann der Mensch mit dieser gottgeschenkten Kraft an seine Arbeit für sich und die anderen. Fast eine Sakramentale Struktur. Die Juden und Muslime und viele Christen im Osten und Süden haben diese Struktur eigentlich beibehalten auch im gesellschaftlichen Leben. Ich hatte einen gerade erst eingetroffenen Studenten aus Syrien für Dienstagabend zu einem Gespräch bestellt. Er konnte noch sehr wenig Deutsch. Am Montagabend stand er vor meiner Tür, des festen Glaubens, es sei jeden Tag so wie Sonntag - erst der Sonnabend… Wer in Israel war, weiß aus Erfahrung: Züge mit dem Vermerk verkehrt werktags fahren am Freitagabend schon nicht mehr, aber am Samstagabend schon wieder. Der Sabbat beginnt mit Sonnenuntergang am Freitag und endet mit Sonnenuntergang am Samstag.

In Sankt Peter in Rom symbolisiert die Kuppel die Einheit der Kirche. Diese Einheit wird von vier Pfeilern getragen: Veronika, Helena, Longinus und Apostel Andreas. Vier Laien, der Andreas steht auch - in unserer Sprache - für einen Laien: für den Kaiser.
Paulinus von Nola:
Konstantin hat es verdient, an der Spitze der christlichen Herrscher zu sein, mehr durch den Glauben seiner Mutter als durch seinen eigenen Glauben.
Ambrosius:
Helena gab ihrem Sohn mehr als sie von ihm erhalten hat (erhalten: Titel, Zugriff auf den Schatz, administrative Freiheiten zum Loskauf von Gefangenen… gab: den Glauben)
Als Kaiser Konstantin noch kein getaufter Christ war, noch kein sakramental geheiligtes Glied der Kirche, leistete er im Jahr 325 der Kirche den Dienst, dass er zum Konzil von Nizäa einlud und dieses mit öffentlichen Mitteln ermöglichte. Aus diesem Vorgang, der allseits als hilfreich und vorteilhaft angesehen wurde, erwuchs ein Gewohnheitsrecht, das die Kaiser für einige Jahrhunderte zuständig machte, ökumenische Konzilien einzuberufen, wenn ein ernstes Problem die Einheit der Kirche bedrohte. Dass die Kaiser diese Rolle ausübten, ist unbestritten. Sie beriefen die ökumenischen Konzilien ein, und ihre Einberufung war verbindlich, was Ort und Zeitpunkt anbelangte, so dass die Konzilien tatsächlich tagten und ihre Beschlüsse auch für jene Ortskirchen verbindlich wurden, deren Bischöfe nicht anwesend waren.

Die ersten acht Konzilien
1   Nikaia     20. Mai - 25. Juli 325
2   Konstantinopel I     Mai - 30. Juni 381
3   Ephesus     Pfingsten 431
4   Chalkedon     8. Oktober - Anfang November 451
5   Konstantinopel II     5. Mai - 2. Juni 553
6   Konstantinopel III     7. November 680 - 16. September 681
7   Nikaia     24. September - 23. Oktober 787
8   Konstantinopel IV     5. Oktober 869 - 28. Februar 870

Die Kaiser legten fest, welche Themen zu behandeln waren; sie bestätigten die Beschlüsse, verliehen ihnen staatliche Sanktion und, was sehr wichtig war: sie sorgten überall, wohin ihr Arm reichte, für deren Annahme. Doch nie hat es eine kirchenrechtliche Festlegung oder auch nur Überlegungen gegeben, durch welche die Rolle der Kaiser umschrieben, ihre Kompetenzen aufgezählt und die Modalitäten ihres Vorgehens festgelegt worden wären. Diese Unbestimmtheit benutzten sie, um in der Kirche auch andere Handlungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Der Kaiser war eben der Stellvertreter Christi. "Stellvertreter Christi", der Kaiser, der für die Kircheneinheit sorgte (bis heute unterschreibt z.B. beim Militär der Stellvertreter mit rotem Stift, allerdings beachten, dass im modernen Deutsch das Wort eine völlig andere Bedeutung hat: heute vertritt der Stellvertreter einen nicht anwesenden, im kirchlichen Gebrauch markiert er die Stelle des anwesenden Christus). Seit dem 11. Mai 330 am Bosporus. (395 Reichsteilung - aber im Westen nicht lange Rom als Hauptort…)
Als die römischen Kaiser im Rom am Bosporus ihre Verantwortung für die Einheit der Kirche nicht mehr recht wahrnehmen konnten, weil sie politisch zu schwach waren, schritt man im Westen selbstverständlich zur Wahl eines neuen Stellvertreters Christi. Es kam zur Wahl eines zweiten Stellvertreters Christi im Jahre 800 Karl der Große in Rom (Gregor II., der sich dagegen stemmte, 799 Leo in Paderborn aber doch). 1452 letzte Kaiserkrönung in Rom, Papst Nikolaus V., Habsburger Friedrich III. deutscher König seit 1440, †1493
Nur selten setzten die Kirchen sich zur Wehr und trafen, was die kaiserliche Zuständigkeit in der Kirche anbelangt, zumindest die eine Klarstellung, dass diese sich nicht auf die dogmatische Lehre beziehen könne. Denn jenen Kaisern, die durch Glaubensdekrete aus ihrer Kanzlei für die Kircheneinheit Sorge hatten tragen wollen, haftet das Stigma von Häretikern an.

Vieles an der Grundordnung des kirchlichen Lebens wurde von den Kaisern verfügt.
Als Gottes Vorsehung die Patriarchatsordnung heranwachsen ließ, waren daran die Kaiser entscheidend beteiligt. Es gäbe kein Patriarchat von Konstantinopel, wären die Kaiser nicht machtvoll für sein Entstehen eingetreten. Die sogenannte Pentarchieordnung, die auf Jahrhunderte hinaus den Zusammenhalt der Patriarchate regelte, war durch Kaiser Justinian I. rechtlich festgeschrieben worden, als dieser für die Erzbischöfe von Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem die Titulatur "Patriarchen der Oikumene" reservierte und die Einheit der Kirche im Reich dadurch garantiert sehen wollte, dass ein jeder der Patriarchen als jeweils erster Bischof allen Ortskirchen seines Gebiets vorstehen und sie untereinander in Harmonie verbleiben sollten.
Dass die Patriarchatsordnung der alten Kirche in administrativen Angelegenheiten eine Vorrangstellung der Kaiser kannte, der die Patriarchate unterworfen waren, ergibt sich unter anderem auch aus der Tatsache, dass nach Ausbruch des Bilderstreits der Kaiser die Grenze zwischen den Patriarchaten von Rom und Konstantinopel gewaltig verändern konnte und dass der Akt des ikonoklastischen (= häretischen) Kaisers, der dies getan hatte, nach dem Ende des Bilderstreits trotz dringlicher Vorstellungen aus Rom keineswegs mehr zurückgenommen wurde, weil er im Reichsinteresse lag.

Gegen Andersgläubige ging der Kaiser mit Bekehrungsdruck vor; nur wer zur Catholica gehörte, konnte Römischer Bürger sein. Nach der Rückeroberung Nordafrikas unter Kaiser Justinian wurde das nicht-nicänische Christentum der Vandalen dort (die Germanen waren Arianer - nicht nur Arier) durch kaiserliche Maßnahmen schnell zum Erliegen gebracht - wir wundern uns heute, dass dort so wenige Christen sind.

Die Politik des römischen Kaisers von Byzanz zur Einebnung von allen theologischen und völkischen Gegensätzen hatte zur Folge, dass die großen christlichen Kulturvölker der Syrer und der Kopten den Islam als Befreiung von Byzanz begeistert begrüßten. Die christliche Bevölkerung in Alexandrien zitterte, als Kaiser Konstans 646 versuchte, die Stadt von den Arabern zurück zu erobern. Er scheiterte, die christliche Bevölkerung mit Patriarch Benjamin dankte Gott und zog das arabische Joch dem byzantinischen vor.

Ein wörtliches Zeugnis haben wir vom syrischen Patriarchen Michael, als Kaiser Heraklios 626 Mesopotamien den Persern entriss und dann an die Araber verlor. Michael schreibt: "Heraklios schrieb ans ganze Römische Reich, dass man allen die Nase und die Ohren abschneiden soll, die nicht das Konzil von Chalcedon anerkennen, ihre Häuser seien zu plündern. Diese Verfolgung dauerte lange, viele Mönche akzeptierten die Synode und nahmen Klöster und Kirchen mit sich. Heraklios ließ keinen Rechtgläubigen zu sich vor, der sich über die Enteignung der Kirchen durch kaiserlich gewordene Mönche beschweren wollte …
Deswegen hat der Gott der Gerechtigkeit, der allein Allmächtig ist, … aus dem Süden die Kinder Ismaels herangeführt, um uns aus den Grausamkeiten der Römer zu erlösen … zwar haben die Araber uns die von den Römern geraubten Kirchen nicht zurück gegeben, das ist ein großer Schaden - aber es ist nicht schlimm im Vergleich zu dem Vorteil, dass wir nun frei sind von der Grausamkeit der Römer, von ihrer Verlogenheit, von ihrem Zorn … und Ruhe haben."

Die koptischen und syrischen Kirchen hatten unter den Muslimen Ruhe, sie blieben im Gegensatz zu Nordafrika stark und lebendig bis in unser Jahrhundert. Seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches dezimieren sie Christenverfolgung und Emigration.

1821 beim Freiheitskampf in Griechenland waren alle Bischöfe gegen die Abtrennung vom Osmanischen Reich. Lieber der Turban als die Tiara, lieber die religiöse Ordnung des Stellvertreters Gottes - des Sultans - als die Wirren der westlichen Gesellschaften…

Die Rolle des Kaisers, die kirchliche Rolle des Kaisers macht verständlich, dass Karl der Große eine Kirchenspaltung einleitete, als er 794 in Frankfurt eine Synode abhielt, um in eigener Souveränität die Fragen zu behandeln, die 787 das reichskirchliche ökumenische katholische Konzil in Nicäa entschieden hatte. (Der Bischof von Rom am Tiber leitete also eine Kirchenspaltung ein, als er einen eigenen Kaiser krönte! Mit einer gewissen Bewegung stand ich am 22.06.1996 in Paderborn im Dom beim Papstbesuch, als ich dachte: an dieser Stelle hat 799 Papst Leo den König Karl getroffen, da ging’s los ….)

Das Ende eines gemeinsamen Kaisertums für Lateiner und Griechen, für die Römer im Westen und im Osten, hatte zur Folge, dass nur noch einmal, 1439 in Florenz, ein gemeinsames Konzil zustande kam - unter dem doppelten gleichberechtigten Vorsitz des Papstes auf der westlichen und des römischen Kaisers auf der östlichen Seite.

Im Westen hatten die römischen Bischöfe mittlerweile größere Freiheiten der Kirche vom Staat erreicht als vorher, im Osten war die alte Tradition lebendig geblieben, dass der Kaiser für die Kircheneinheit zu sorgen hat.

Die alte Oströmische byzantinische Tradition wurde von allen Herrschern im Osten weitergeführt, die sich aus dem Römischen Reich oder später aus dem Osmanischen Reich lösten

  • Symbol Doppeladler
  • Ernennung Bischöfe Bayern bis 1918
  • Kirchenrecht Milaš
  • weiter so unter Kommunisten (und in der Türkei z.B.)
  • Preussischer König
  • Jesuiten in Preussen und Russland
  • Kultusminister
  • Übergang Kaiser → Papst = Übergang König → Landesbischof und eben Landeskirchen

Wer ernennt die Bischöfe?

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden mehr als 90 % der Bischöfe vom Papst ernannt, vor hundert Jahren waren es ungefähr 10 % - Kaiser und Könige und Staatspräsidenten machten das, in Bayern hat der Papst zum ersten Mal 1924 einen Bischof ernannt, in Argentinien 1967, in der Sowjetunion 1991 zum ersten Mal in der gesamten Kirchengeschichte - es wird mit Recht gesagt, dass es auch vor der Oktoberrevolutin schon kath Bischöfe in Russland gab - aber natürlich vom Zaren ernannt. Sogar der Jesuitenorden hat in Russland überlebt - die Zarin mochte nicht die Auflösung durch einen fremden geistlichen Führer anerkennen. In Schweden werden seit 1. Januar 2004 die Bischöfe nicht mehr vom Parlament ernannt. In England aber immer noch. Und der Erziehungsminister hier in Hannover heißt immer noch Gottesdienstminister… wenn auch lateinisch ausgedrückt, Kultusminister.

Im Mittelalter

  1. Als das Römerreich durch die Krönung Karls des Großen gespalten war, folgten die Kaiser im Westen zunächst in ihrem Verhalten gegenüber der Kirche dem Vorbild, das ihnen aus Neurom geboten war. Auch sie waren bereit und gewillt, viel Verantwortung für die Kirche zu tragen.
    Aber die westlichen Kaiser waren zuviel unterwegs, mal in der Pfalz in Goslar, mal in Aachen, mal in Palermo. So kommte Petrus Damiani um 1050 zum ersten Mal fragen, ob nicht ein Priester selbst für die Einheit der Kirche sorgen könnte. Erst als hundert Jahre später mit den Kreuzzugspredigten des Bernhard von Clairvaux die Frage allgemein publik wurde, fand man zu der Einsicht, dass gemäß der Herrenworte an Petrus die Kirche in der Person ihres ersten Bischofs selber die Verantwortung für ihre Einheit tragen solle, und dies hatte in der abendländischen Kirche eine starke Entfaltung der Rolle des ersten Bischofs zur Folge. Man begann alles herauszustellen, was im biblischen, patristischen, kanonistischen und kirchengeschichtlichen Erbe geeignet war, eine besondere Verantwortung des römischen Bischofs für die Einheit der Kirche zu untermauern. Unter Bezugnahme darauf und zudem auf das bei den römischen Bischöfen seit ältester Zeit lebendige Bewusstsein von ihrer umfassenden Verantwortung lehrte die abendländische Kirche nun immer eindeutiger, dass durch göttlichen Willen dem Römischen Stuhl in der Gesamtkirche die Führung zukomme.
    Der Wandel im Verhältnis zur Staatsmacht brachte auch innerhalb der Kirche einen Wandel mit sich. Dass viele Dinge nicht mehr wie früher vom Kaiser zu erledigen waren, sondern durch die der Kirche eigene apostolische ("petrinische") Autorität geordnet wurden, stärkte die Rolle des römischen Bischofs auch innerhalb der abendländischen Kirche. Doch gab man sich damit zufrieden, das Ausüben ernster Verantwortung durch den Bischof von Rom durchzusetzen; über die Modalitäten, die dabei zu beachten wären, dachte man ebenso wenig nach, wie man ehedem die Verantwortung der Kaiser unreflektiert hatte groß werden lassen.
  2. Die Reformbewegung war noch im Fluss, da expandierten die Lateiner auf breiter Front nach Osten (von den Ritterorden im Norden über Polen, Ungarn und die Normannen bis zu den Kreuzfahrern im Vorderen Orient), und sie waren fest überzeugt, es sei für die Einheit der Kirche notwendig, dass ihr erster Bischof nicht nur bei ihnen zu Hause, sondern weltweit die Kirchenführung klar und deutlich ausübe. Entsprechend bestimmte das 4. Laterankonzil in Kap. 5:
    "Nach der römischen Kirche, die auf Anordnung des Herrn als Mutter und Lehrerin aller Christusgläubigen über alle anderen Kirchen den Vorrang in der ordentlichen Gewalt besitzt, hat Konstantinopel die erste, Alexandrien die zweite, Antiochien die dritte und Jerusalem die vierte Stelle inne. Jede dieser Kirchen behält ihre Würde in folgender Weise: Nachdem ihre Vorsteher vom römischen Bischof als Insignie der bischöflichen Amtsfülle das Pallium empfangen und ihm dabei den Treu- und Gehorsamseid geleistet haben, verleihen auch sie ihren Suffraganen eigenverantwortlich das Pallium und nehmen von ihnen das kanonische Versprechen für sich und das Gehorsamsgelöbnis für die römische Kirche entgegen."
    Hier drückt sich die Überzeugung aus, dass sich die Autorität der Patriarchen aus einer Delegierung durch den römischen Bischof herleite; von ihm würden sie die Autorität anlässlich der Palliumsverleihung empfangen. Von Rom her kam eben nach Überzeugung des 4. Laterankonzils die Autorität aller Kirchenführer. Doch darf nicht übersehen werden, dass gemäß diesem Konzil die Patriarchen, sobald der Papst ihnen mit dem Pallium die Autorität verliehen hatte, diese eigenverantwortlich, d.h. autonom ausüben sollten. Das Konzil kennt keine Besorgtheit des Römischen Stuhls um die laufenden pastoralen Geschäfte der Patriarchate. Wie auch die Kanones von Serdica spricht es im Folgenden nur von Appellationen nach Rom und billigt sie. Zu solchen konnte es - die damaligen Verkehrsverbindungen in Anschlag gebracht - nur in sehr außerordentlichen Angelegenheiten kommen.
    Die Deutlichkeit, mit der man die römische Herkunft der bistumsübergreifenden Zuständigkeiten der östlichen Patriarchen aussprach, scheint sogar die althergebrachte Liste der fünf Patriarchate als obsolet auszuweisen. Doch die neue lateranensische Zählung mit vier Patriarchen unter dem Papst setzte sich nicht auf die Dauer durch. Das Konzil von Ferrara Florenz (Beginn 1439) kehrte zur alten Zählung der fünf Patriarchensitze zurück:
    "Der heilige Apostolische Stuhl und der römische Bischof haben den Vorrang über den ganzen Erdkreis inne und er, der römische Bischof, ist der Nachfolger des seligen Petrus, des Ersten der Apostel, und wahrer Stellvertreter Christi, er ist Haupt der ganzen Kirche sowie Vater und Lehrer aller Christen, und ihm ist im seligen Petrus von unserem Herrn Jesus Christus die volle Gewalt gegeben worden, die universale Kirche zu weiden, zu leiten und zu lenken, wie es auch in den Akten der ökumenischen Synoden und den heiligen Kanones festgelegt ist. Wir erneuern auch noch die in den Kanones überlieferte Ordnung der übrigen verehrungswürdigen Patriarchen: Der Patriarch von Konstantinopel ist der zweite nach seiner Heiligkeit, dem Papst von Rom, der dritte ist der Patriarch von Alexandrien, der vierte der von Antiochien und der fünfte der von Jerusalem, natürlich unter Wahrung all ihrer Privilegien und Rechte."
  3. Dem griechischen Osten gilt der Wandel in der lateinischen Kirche des 11. und 12. Jahrhunderts als bedenklich, und es kam im Osten und im Westen wegen der abendländischen Reformen zu je eigenen Vorstellungen von der rechten Kirchenordnung. Einem Griechen, der nach dem Investiturstreit in den Westen reiste, konnte der Kaiser in der Kirche "zu schwach" erscheinen, der Papst aber "zu stark". Umgekehrt konnten Lateiner der Meinung sein, im Osten regiere der Kaiser die Kirche und der Patriarch sei ihm allzu ergeben.
    Ich erinnere ein Streitgespräch Bischöfin Käßmann mit Erzbischof Longin.
    Im Unterschied zu der im Westen sich durchsetzenden Zentralisierung blieben die regionalen Autonomien dem Osten teuer; dieser beließ die Verantwortung für das Zusammenspiel der regionalen Kirchen beim Kaiser. Bis 1453 wussten sich die byzantinischen Kaiser nicht nur für die Gläubigen ihres Reiches verantwortlich, sondern auch für die griechischen Patriarchate unter islamischer Herrschaft, für die griechischen Christen in Staaten der Lateiner und für die slawischen Kirchen östlicher Tradition. Ein letztes Mal trat die koordinierende Funktion des Kaisers für die griechischen Kirchen beim Konzil von Florenz zutage, als der Kaiser bei ihnen den ersten Platz einnahm, wie es der Papst bei den Lateinern tat. Beim Florentiner Konzil wirkten beide Autoritäten zusammen. Im Osten blieb klar, dass der Kaiser Verantwortung für die Einheit trägt. Noch im Jahr 1393, als das byzantinische Reich auf die Größe eines Stadtstaates geschrumpft war, schrieb der Konstantinopeler Patriarch Antonios IV. an den Moskauer Großfürsten Vasilij: "Es ist unmöglich, dass die Christen eine Kirche aber keinen Kaiser haben. Die Kaisermacht und die Kirche bilden eine große Einheit und Gemeinschaft, und es ist ganz unmöglich, dass sie voneinander getrennt werden."
    Das ging weiter mit dem Sultan, wir sprachen davon, dass auch 1821 die Bischöfe gegen die Autokephalie Griechenlands waren.
    Die Frage nach der rechten Ausgewogenheit zwischen der "petrinischen" (das heißt: der vom Herrn über die Apostel mit Petrus an der Spitze der Kirche verliehenen) und einer vom Kaiser hergeleiteten Autorität in kirchlichen Angelegenheiten wurde alsbald thematisiert, nachdem die Kaiser Christen geworden waren.
    Eine Entwicklung, die mit Kaiser Konstantin einsetzte und in der Gesetzgebung Kaiser Justinians den Abschluss fand, führte dazu, dass im Römischen Reich nur Bürgerrecht besaß, wer des gleichen christlichen Glaubens war wie der Kaiser. Diese Betrachtungsweise war kein Novum. Wie aus den Makkabäerbüchern des AT hervorgeht, wollte man schon im syrischen Diadochenreich die Juden zum üblichen Kult zwingen, weil man meinte, sie dadurch in die Nation assimilieren zu können. Zur Stärkung des Reiches verlangten auch die Reformkaiser der Römer, dass die Christen gemeinsam mit den übrigen Bürgern den offiziellen Kult vollzögen.
    Entscheidend waren von Anfang an Loyalität zum Herrscher und die Zustimmung zum Recht und zur Kultur des neuen Staates. Recht (Moral), Kultur und Bildung aber waren in die Verantwortung der Kirche des Fürstentums gegeben. Wer loyal war zum Herrscher, das von der Staatskirche getragene geistige und geistliche Leben mitlebte….

Osmanen

Als der Sultan im Mai 1453 Konstantinopel eroberte, fügte er seinen Titeln sofort den Titel "Römischer Kaiser" hinzu, "Rumeli", dessen Einigungsfunktion sah er auch als die eigene an, allerdings nicht mit dem Titel "Stellvertreter Christi", sondern mit dem abgewandelten Titel "Stellvertreter Gottes".

Reformation

Nach der Reformation und Kirchenspaltung in Deutschland stellte sich heraus, dass kein Bischof die neue Lehre angenommen hatte. Martin Luther setzte die Reichsfürsten als Verantwortliche für die Kirchen-Einheit ein. "Notbischöfe" haben wir gelernt. In Wirklichkeit war es die Fortsetzung der Verantwortung des Kaisers für die Einheit der Kirche - das Ende des Römischen Kaisers in Byzanz war nicht lange her - erst 1453. Cuius regio eius religio…
Die russischen Zaren führten die Tradition genau so weiter die habsburger Kaiser, von Kaiser Joseph II. Kirchenregiment kommt der Ausdruck "Josephinismus". In der Schweiz wird die Stellvertreter Christi Rolle demokratisch gespielt. Und die Synoden der evangelischen Kirchen sind vielleicht auch die moderne Form der Verantwortung der Staatsmacht für die religiöse Grundlage des Gemeinwesens. Selbstverständlich ernannte der Kaiser die Bischöfe. In Niedersachsen z.B. kann noch heute keine Pfarrei gegründet werden ohne Zustimmung des Staates.
Vor hundert Jahren konnte der Papst vielleicht 10 % der Bischöfe ernennen. Heute ernennt der Papst mehr als 90 % der Bischöfe frei. Der fromme Preussenkönig bestimmt eine Union zwischen den Reformierten und den Lutheranern in seinem Reich.
Noch 1904 wurde selbstverständlich ein anderer Papst gewählt, weil der Kaiser in Wien Veto einlegte gegen den Kardinal Rampolla. Von da der Brauch mit dem angeblich weißen und angeblich schwarzen Rauch.
Als der Papst 1990 Bischöfe ernannte in der ehemaligen Sowjetunion, war es in jenen Gegenden überhaupt das erste Mal in der Geschichte, dass Bischöfe ohne den Staat ernannt wurden. Selbstverständlich hatten die Zaren die Bischöfe ernannt. Ich wäre kein Jesuitenschüler, wir hätten heute keinen Jesuitenorden, wenn nicht die Zaren die Jesuiten im Zarenreich bewahrt hätten, als der Papst den Orden aufgehoben hatte.

All das kommt in den Sinn, wenn man auf die neue Verfassung Europas schaut. Mit all der modernen Brisanz. Denn heute will ja der Staat nichts mehr mit Religion zu tun haben. Die europäische Verfassung mag keinen Gottesbezug aufnehmen. Grade für die Christen aus dem Osten, die neu in der EU sind oder doch an die EU grenzen, eine völlig unverständliche Sache.
Der russische Patriarch Alexij sagte am 12. März 2004 bei einem Treffen mit Vertretern der Academie de France, dass ein Bezug zur Rolle des Christentums und der christlichen Kultur unbedingt in die Verfassung gehört.
Jürgen Habermas hat am 19. Januar 2004 in der Katholischen Akademie Bayern in einem Gespräch mit Kardinal Ratzinger wiederholt, was er schon 2001 in Frankfurt gesagt hatte, als er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm. Der Staat kommt nicht ohne Religion aus, wenn auch nicht das Wort Religion benutzt wird, sondern "Bürgersinn" und "demokratische Grundordnung". Einige wörtliche Zitate von Habermas in München 19.1.2004:
"Es stellt sich die Frage, welche kognitiven und normativen Erwartungen der liberale Staat gläubigen und ungläubigen Bürgern miteinandern zumuten muss."
"Politische Tugenden, auch wenn sie nur in kleiner Münze erhoben werden, sind für den Bestand einer Demokratie wesentlich."
"Im Gemeindeleben der Religionsgemeinschaften kann etwas intakt bleiben, was anderswo verloren gegangen ist."
"Der Staatsbürgerstatus ist gewissermaßen in eine Zivilgesellschaft eingebettet, die aus spontanen… vorpolitischen Quellen lebt."
"Was die Religion dazu beiträgt, ethische Fundamente im Bewusstsein der Menschen zu verankern, muss man ernst nehmen" war schon die Quintessenz der Rede Habermas’ in der Frankfurter Buchmesse.

Hier gehört auch eine Bemerkung über die Heiligenverehrung. Sie ist von gesellschaftlicher Brisanz: es gab also vor mir Menschen, die in der Kraft der Gnade Gottes sich eingesetzt haben für die Mitmenschen, "ethische Fundamente im Bewusstsein der Menschen" verankerten.

Gerade ist in Göttingen im Museum die Ausstellung über die Kirchenkunst neu geordnet. Ein Mittelpunkt ist der große Flügelaltar von Berlingerode, mit Bildern der Heiligen links von der Schutzmantelmadonna im Zentrum, mit Bildern von Herrschern rechts - sie haben dafür zu sorgen, dass das Heil weitergeht!