OKI-Logo Die freundliche Hexe Befana
Rotary Club Regensburg
Freitag, 17. Dezember 2010

 

finde in der Kirchenzeitung meines Bistums Hildesheim zur dritten Adventswoche, in der wir stehen, zwei kleine Bemerkungen. Die lese ich vor.

Weihnachtsmann hängt Nikolaus ab
Der klassische Nikolaus wird immer mehr vom Weihnachtsmann verdrängt. Zwei Drittel der Bundesbürger finden den rot gekleideten Gabenbringer amerikanischen Ursprungs sympathischer als den Heiligen im Bischofsgewand. Vor allem in den fünf östlichen Bundesländern stehe der Weihnachtsmann mit 81,4 % ganz oben auf der Beliebtheits-Skala.
Ende der Zeitungsnotiz.
Der Weihnachtsmann - in Italien Babbo Natale, in den USA Santa Claus, in Griechenland "der Wundertäter", in Russland einfach "der Heilige" - ist der Nikolaus. Jedenfalls handelt er genauso wie der Bischof Nikolaus der Tradition.

Die Zweite Notiz in der Kirchenzeitung:
German Christmas Village
Die Stadt Philadelphia in den USA pflegt ihre deutsche Tradition. Zur Adventszeit nimmt diese Tradition die Form eines German Christmas Village an, direkt vor dem Rathaus. In diesem Jahr wurde das Weihnachtsdorf Schauplatz des Streites, der in den USA seit 1990 über öffentliche Präsentation christlicher Symbole geführt wird. So darf der Christbaum nur noch "festlicher Baum" heißen, Holiday Tree. Unternehmer und Politiker bis hinauf zum Präsidenten wünschen Kunden und Wählern nicht mehr Frohe Weihnachten, sondern saisonal greetings or holiday greetings.
Schon am zweiten Tag des German Christmas Village konnten Besucher bei Krapfen und Würstchen zusehen, wie Handwerker das CHRISTMAS gegen HOLIDAY austauschten. German Holiday Village las man jetzt. Die Anordnung kam vom Bürgermeister, bei dem Beschwerden aus der Bevölkerung eingegangen waren. Die Umtauschaktion löste jedoch ein derart breites Medienecho aus, dass der Bürgermeister Michael Nutter die Rückbenennung anordnete. Nutter erklärte, die Veranstaltung vor seinem Rathaus sei nicht eine religiöse, sondern eine rein kommerzielle, könne also weiter Christmas Village heißen.
Soweit die Kirchenzeitung.

Dass man in New York nicht mehr Christmas sagen soll, sondern jetzt Holiday, ist eigentlich eine Verstärkung des Inhaltes, keine Katastrophe, sondern ein Rückgriff auf die Formen, die die Christen übernommen hatten. Beim Übergang vom Nikolaus zum Weihnachtsmann geht es nur um eine gleichmäßige Fortführung. Holiday heißt der heilige Tag, die heiligen Tage - so wie wir mit Halloween wieder den Heiligen Abend vor Allerheiligen zurückbekommen haben und mit Hallo die amerikanisch abgekürzte hebräische Fassung von "Grüß Gott" = Halleluja.

Seit der Wende 1990 wird Weihnachten in Moskau usw. am 25. Dezember gefeiert als Fest des Konsum, wie es der japanische Student zu P. Mihelčič sagte. Sie erinnern sich: Mein Studienkollege in Rom war mittlerweile Professor an der Jesuiten-Universität in Tokyo. Für den 24. Dezember hatte er einem Studenten einen Gesprächstermin gegeben, er solle sich an der Pforte der Universität melden. Der Student kam am 24. Dezember, der Pförtner schickte ihn in die Kirche "Pater Mihelčič ist heuer dran zum Christbaum-Schmücken". Der Student sieht in der Kirche die weihnachtliche Dekoration und fragt ganz erstaunt und enttäuscht: "Was, ihr Christen feiert auch Weihnachten?"

Die frommen Christen in Russland feiern mit dem julianischen Kalender Weihnachten am 6. und 7. Januar, sie schlagen die Texte vom 24./25. Dezember dreizehn Tage später auf, so wie sie auch das Fest des hl. Nikolaus am 19. Dezember feiern, ich werde mit meinen russischen Studenten übermorgen nochmal feiern!

An die Mihelčič-Geschichte in Japan erinnern Sie sich, liebe rotarische Freunde.
Seit ein paar Tagen kann ich diese Japangeschichte mit Weihnachten als Konsumfest durch eine deutsche Geschichte ergänzen. Ich habe sie ebenfalls von einem Studienkollegen von mir, Andreas Knapp, der in Leipzig Priester ist. Er erzählte mir: Vor ein paar Tagen ging er über den Weihnachtsmarkt in Leipzig. Eine evangelische Jugendgruppe hatte sich aufgestellt und sang zur Gitarre schöne Adventslieder. Mein Freund hörte Bemerkungen der Passanten im breitesten Sächsisch, das ich noch üben müsste, Freund Schönfeld kann das so gut: "jetzt hört's doch auf, jetzt haben sich die Christen auch noch das Weihnachtsfest gekrallt".

Saturnalia

Das Weihnachtsfest haben sich die Christen schon vor eintausendsiebenhundert Jahren gekrallt. Heute ist der 17. Dezember - Vortrag vom Vortragswart Gößwein perfekt getimed - Tag des Beginns der Saturnalia, der großen Freudenfeste im Alten Rom, Fest der Gemeinschaft, des Friedens, der Gleichheit aller Menschen aller Klassen.

Bis heute ist der 17. Dezember ein Stichtag in der Kirche. Am 17. Dezember beginnt eine intensivere Weihnachtsvorbereitung in der Gottesdienst-Liturgie, jeder Tag verkündet eine große theologische Aussage zum Erscheinen Christi mit einer Antiphon, die mit einem feierliche "O" beginnt. Wir sprachen darüber in einem Vortrag.

Die Saturnalia begannen am 17. Dezember, einer der gefühlten dunkelsten Tage, und dauerte sieben Tage die Saturnalia umfassten also auch die dunkelste Nacht 21.-22. Dezember. Alle Schichten des Volkes feierten die Saturnalia, Adel und Plebejer, seit 217 vor Christus nach der Schlacht am Trasimenischen See sogar die Sklaven.

Die Saturnalia haben ihren Namen vom Gott Saturn - die English speakers bewahren sein Andenken in der Bezeichnung des Samstages Saturday. Der Gott Saturn ist identisch mit dem griechischen Gott Chronos - die Zeit, deren Ablauf man in dieser starren Winterzeit kaum spürt. Bei den Etruskern war Saturn der Gott der Blitze - die man in der dunklen Jahreszeit vermisst. Saturn/Chronos war von seinem Sohn Jupiter verfolgt und versteckte sich in der Nähe von Rom. Das tönt lateinisch LATEO LATIVIT - so wird der Name der Region um Rom erklärt, LATIUM, auch italienisch heißt sich verstecken latitare, latitanza. English: the late friend Bassermann? In Latium gründete Saturn ein Reich, in dem alle glücklich waren, wo es nicht den Unterschied zwischen Herren und Sklaven gab, nicht arm noch reich, alle lebten in Frieden und Harmonie. Saturn war der Friedenskönig. Das war das Goldene Zeitalter. Das Goldene Zeitalter versuchte man jedes Jahr wieder herbei zu holen mit den Saturnalia ab 17. Dezember. Man schenkte sich Freiheit, Gemeinschaft. Die Plebejer und die Sklaven und die Kinder führten Spiele auf, Sketche, mit denen Kritik an den Reichen und an den Regierenden geübt werden durfte. Bei den Mahlzeiten wurden Vorträge gehalten, nicht immer in rotarischer Kürze von 20 Minuten. Wir wissen das von Seneca (+ 65 nach Christus). Bei Seneca lesen wir Kritik an diesen Bräuchen, für ihn waren bei den Saturnalia zuviel Freude und Friede. Andere Schriftsteller dagegen verteidigten den Rollentausch, zu Recht: denn der Verzicht der Starken auf ihre Stärke, der Halbgötter auf ihren Glanz, bezeugt wahre menschliche Größe. In den Saturnalia wird man zu einer großen Familie. Man besuchte sich gegenseitig, man unterhielt sich, zum Zeitvertreib aß man Nüsse, deren Schalen man zuerst entfernen musste - dieser Zeitvertreib hat sich bis heute erhalten in Italien und Umgebung. Die Schulkinder hatten frei, gingen in Gruppen von Haus zu Haus, sangen "heut ist das Freudenfest der Saturnalia, wir wünschen Glück". Und sie spielten Schule, davon gibt es herrliche Skulpturenreste in den Museen in Rom. Nicht nur die Schulkinder hatten frei, auch die Sklaven mussten keine schweren Arbeiten verrichten in dieser Festesoktav, und aus Inschriften lesen wir, dass sogar die Generäle versuchten, Gefechte zu vermeiden und die Soldaten nicht mit kriegerischen Handlungen zu stören in diesen Saturnalia-Tagen. Die Steuer-Einnehmer machten Pause. Die christlichen Schriftsteller wie z.B. Ausonius und Lactantius haben die heidnischen Bräuche getadelt. Aber gegen die Saturnalia konnten sie nichts sagen. Denn bei den Saturnalia geschah, was die Christen für richtig hielten, was der hl. Paulus geschrieben hatte: es gibt nicht Griechen und Barbaren, nicht Sklaven und Freie, wir sind eine heile Familie.

Die Göttin Strenna und die Geschenke an Neujahr

Das Gleiche gilt für ein weiteres Fest in dieser dunklen Winterzeit, die wie ein einziges "Heute" empfunden wurde, wie ein einziger Tag. (Dieses Gefühl hat sich bei uns in der Osterzeit erhalten, wenigsten im gottesdienstlichen Bereich, da heißt es zwischen Ostern und Christi Himmelfahrt immer "Heute ist Christus erstanden", ein vierzigtägiges Heute.) Während man sich bei den Saturnalia mit humanen Freiheitsgeschenken gegenseitig stärkte, gab es bei einem mehrtägigen Fest um Neujahr materielle Geschenke. Der 1. Januar heißt Kalendae, am 3. Januar wurden die Neujahrswünsche überbracht, am 4. Januar feierte man vor den Hausgöttern an den Straßenecken und in den engen Gassen. Die Geschenke, die man sich überreichte, und besonders die Geschenke, die man sich Neujahr überreichte, heißen STRENNA, bis heute, heute steht im italienischen Lexikon für "Strenna" nicht Neujahrsgeschenk, sondern Weihnachtsgeschenk. Das Wort STRENNA bedeutet "sanitas"- "Gesundheit", "Mut" strenuus=fleißig, "streng". Es kommt von dem Namen der Göttin STRENIA, der Göttin der Nacht. Sie ist eine wunderschöne junge Frau, deren Schönheit um so mehr strahlt, weil sie aus der finsteren Nacht des Winters auftaucht.

Die materiellen Geschenke waren kleine warme Brote, Tongefäße, Obst, später Geld. Die Senatoren z.B. schenkten dem Augustus Geld. Auf eigens eingerichteten Märkten konnten die Geschenke gekauft werden.
Die Götting Strenia schenkte auch Kohlen und Asche, nicht etwa um die ungezogenen Kinder zu strafen, sondern als Symbole für das Anzünden und das Erhalten des Herdfeuers und als Aufforderung an die Natur, wieder wärmer zu werden und Früchte und Blüten hervorzubringen. Darum schenkte man sich auch Blumen und Zweige.
Bis heute hält sich in deutschen Familien der Brauch der Barbara-Zweige, am Barbara-Tag 4. Dezember holt man einen Zweig ins Warme der Stube, damit er bis Weihnachten austreibt und grün wird. Im antiken Rom schnitt man die Zweige aus dem Wäldchen der Göttin Strenna beim Kolosseum in Rom. Manchmal holte man ein ganzes Bäumchen. Die Serben holen bis heute ein Eichenbäumchen oder Eichen-Äste. Das Wäldchen ist in den letzten Jahren wieder am Kolosseum gepflanzt, dort wo zu meiner Studienzeit die mehrspurige Autostraße war.
Man schenkte sich auch Gefäße aus Ton, besonders Öl-Lampen. Man überreichte die Lampen mit brennendem Docht. Im römischen Germanien übernahm man diesen Brauch am Neujahrsfest 1. November, mit Halloween Holy Evening ist er in der Form von ausgehöhlten Kürbissen mit Lichtern darin wieder zu uns zurückgekommen.
Bei den Griechen beginnt das gottesdienstliche Neujahr am 1. September. Die Strenna-Geldgeschenke an den Kaiser und andere Obrigkeiten wurden nicht von der beschenkten Person behalten, sondern für öffentliche Arbeiten und für soziale Aufgaben benutzt. Religiöse Wohltätigkeits-Vereine sammelten Geld in den Wochen vor Neujahr und verwandten das Geld für die Armen.
Gerade in der finstersten Zeit des Jahres war die Erinnerung an ein Goldenes Zeitalter besonders wichtig und man versuchte, die paradiesischen Zustände des Goldenen Zeitalters wenigsten für einige Tage zu verwirklichen. Der große Schriftsteller Virgil - 70 bis 19 vor Christus - berichtet am deutlichsten von der Überzeugung, dass ein neuer Mensch kommen sollte, der das Goldene Zeitalter wieder bringt. Die Juden sagten: "der das Heil bringt". Der heidnische Wahrsager Bileam (4Mos - Num 24) hat so ein Wunderkind vorausgesagt, die Juden nennen dieses Kind Messias, Zoroaster in Persien spricht von einem Stern, in dem eine Mutter mit einem Kind zu sehen ist, die Sterndeuter aus dem Morgenland finden auch so einen weissagenden Stern - sie kommen aus Persien. Im Jahre 614 haben die Perser Jerusalem und Israel zerstört, aber der Respekt vor diesem verheißenen, erwarteten Kind war groß, die Geburtskirche in Bethlehem wurde nicht angerührt. Dort sind die Weisen aus Babylon abgebildet.

Einer dieser Sterndeuter war Mongole, Tatare - das wusste man schon aus Psalm 71/72 "Die Könige von Tarsis bringen Geschenke". Tarsis=Tatar. Die Bedeutung der Reliquien im Dreikönigsschrein in Köln war so groß, dass es im Mittelalter Historiker gab, die den rätselhaften Kriegszug der Tataren nach Westen so deuten, dass sie die Gebeine ihres Landsmannes aus dem Schrein in Köln retten wollten, in dem sie seit 1164 ruhten. Alfonso Di Nola zitiert 1966 z.B. Johannes von Hildesheim (1310-1375): dicebant quod versus Coloniam vellent ire et tres Mongoles de gente eorum natos ibidem accipere.

Die lybische Sybille auf dem Kapitol weissagt dem Augustus in einer dunklen Nacht Ende Dezember, dass nicht er das Kind ist, das das Goldene Zeitalter wieder bringt, sondern dass dieses Kind im Osten geboren wird, im Lande Juda.

Die Christen brachten mit strahlender Überzeugung die Nachricht ein, dass dieses Kind wirklich geboren ist. An welchem Tag? Ephräm der Syrer schreibt um 400, dass alle am 6. Januar jubeln und sich freuen.
Der Tag bietet sich als Gedenken an den Anbruch des Heiles auch von der Beobachtung des Lichtes an: von der Sonnenwende Ende Dezember an ist der Sonnenaufgang tatsächlich jeden Tag etwa eine Minute früher, aber der Sonnenuntergang ebenfalls. Morgens scheint das Licht zu siegen, abends wieder die Finsternis. Erst am 6. Januar wird der Tag wirklich länger, ist die Epiphania des Lichtes und des neuen Lebens gesichert, die Sonne siegt. Seit dem 11. Jahrhundert nehmen die Christen im Westen als Brot für die Eucharistiefeier eine kleine Sonne, Hostie, Oblate. Die Armenier feiern bis heute nur diesen 6. Januar als Tag der Geburt Christi.

Die Christen im Westen versuchten aber auch, das Fest der Geburt Christi in den Dezember zu legen und die Saturnalia auf diese Weise zu taufen, umzudeuten. Für den Termin um die Wintersonnenwende spricht auch der Abstand von neun Monaten zum Fest der Menschwerdung Gottes, Mariä Verkündigung 25. März, der Schöpfungstag in der jüdischen Tradition, der Tag der Erlösung, Christus wird empfangen im Schoß Mariens.
Weltweit hat sich der Termin 25. Dezember durchgesetzt.

Obwohl gerade in Rom der neue Termin 25. Dezember gewählt worden war, war noch zu meiner Studienzeit in Rom der Tag der Geschenke ausschließlich der 6. Januar, Epiphanias. Auch heute ist das so in vielen Familien in Italien. Das Erscheinen Christi - griechisch - ist das größte Geschenkt, die Weisen aus dem Morgenland haben Geschenke mitgebracht. Da wollen wir auch schenken. Die Epiphanie Gottes bringt die Geschenke - dieser hohe theologische Terminus war leicht herunter zu brechen in Erinnerung an die Tradition der schönen Göttin Strenia und zu personifizieren in der freundlichen Hexe Befana. Epiphania - Befana.

Die Befana bringt die Geschenke. "Hexe" positiv, "du kannst hexen" als Lob nach einer schnell erledigten Arbeit, in Trier sogar als Substantiv als hohes Lob, "du bist ja eine Hexe". Die Befana reitet auf einem Besenstiel, hat den großen Sack mit Geschenken auf dem Rücken. Sie ist meist eine alte Frau, runzelig, freundlich. Die Göttin Strenia war jung, verkörpert das Neue Jahr, das ist noch ganz jung. Die Befana verkörpert das Alte Jahr, es liegt hinter uns und hat uns so viel gebracht, dass wir Geschenke machen können. In manchen Gegenden wird eine Befana aus Stroh verbrannt. Das wird jetzt mehr und mehr durch das Silvesterfeuerwerk ersetzt. Die Befana und die Bräuche um sie wurden im 19. Jahrhundert nochmal so richtig lebendig, gleichzeitig mit unserem Adventskranz (Hamburg Wichern 1839) und dem Tannenbaum in den Kirchen.

Einer meiner Großneffen - erste Grundschulklasse - rief mich aufgeregt an und fragte: "weißt Du, Onkel Klaus, wie die Kinder in Italien Weihnachten feiern? ich weiß es, wir haben die Weihnachtsbräuche in den Ländern gelernt. Stell Dir vor, Onkel Klaus, in Italien bringt nicht das Christkind die Geschenke, sondern die Befana - aber nur den Kindern, die das ganze Jahr artig waren! Ein Glück, dass ich nicht in Italien wohne."

Dr. Nikolaus Wyrwoll
Ostkirchliches Institut
Regensburg