OKI-Logo Besuch in Belgrad
29. bis 31. Oktober 2012

 

 

Patriarch Irinej und Dr. Nikolaus Wyrwoll
Der serbische Patriarch Irinej und Prälat Nikolaus Wyrwoll

Bericht und Fotos auf der Seite des Serbischen Patriarchats

 

Montag, 29. Oktober 2012

Nachdem die serbische Übersetzung meiner alten Doktorarbeit "Politischer oder petrinischer Primat" fertig gestellt ist, bitten die Herausgeber um meinen Besuch zur Festlegung der Einzelheiten des Druckes und schlagen Ende Oktober vor. Die Gelegenheit ergreife ich gern, auch um die ehemaligen Stipendiaten zu treffen und die vertrauensvolle Verbindung zu den entsendenden Bischöfen und Professoren zu kräftigen.

Am Freitag kam ein Anruf in serbischer Sprache, Patriarch Irinej hätte von meinem Besuch gehört und möchte mich sehen Montag 14 Uhr.

So machte ich mich in aller Frühe auf nach Berlin, mit JAT Airlines pünktlich 12.20 Uhr Landung in Belgrad, am Flughafen wartet Erzdiakon Radomir Rakić (geb. am 25.Juli 1938, lange Zeit im Synodalbüro Gesprächspartner bei den regelmäßigen Besuchen aus dem Ostkirchlichen Institut, jetzt pensioniert, aber verantwortlicher Redakteur des Internet-Info-Dienstes des Patriarchates, drei junge Mitarbeiter ). Im Auto wartet Erzpriester Stojadin Pavlović, Vater unseres Sprachkurslers Marko Pavlović.

Wir fahren gleich zum Patriarchat, wo uns Pfarrer Milunović aus München begrüßt. Mit anderen serbischen Pfarrern aus Deutschland ist er in Belgrad, ab morgen Gespräch mit Bischof Konstantin vor einer Kommission der Synode.

Im kleinen Audienzsaal, von dem wir so viele Fotos mit Patriarch Pavle haben, wird Diakon Radomir und mir Kaffee und Saft serviert. 13.45 Uhr kommt Patriarch Irinej mit Bischof Andrej Čilerdžić (am 18.September 2011 geweiht, ORTHODOXIA 2012-2013 S. 242), ebenso Gesprächspartner bei unseren früheren Besuchen, später Doktorand und Dozent in München, Zusammenarbeit mit Prof. Neuner und Stubenrauch).

Meinen höflichen Worten widerspricht der Patriarch energisch, mein Besuch sei eine Ehre für ihn, denn er und die serbischen Bischöfe seien Dr. Rauch und den deutschen Bischöfen dankbar für die große Unterstützung durch Stipendien für serbische Theologen, die so an der hohen Kultur und der entwickelten Theologie in Deutschland teilhaben und diese Erfahrungen in das Leben der Kirche in Serbien zurückbringen. Gerade jetzt sei das Haus in Regensburg wirklich srpski dom, über zwei Drittel der Stipendiaten sind Serbien.

Ich gebe ihm die Liste der aktuellen serbischen Stipendiaten und ergänze sie mit den Namen Nenad Bozović und Marko Pavlović, überreiche auch meine alte Doktorarbeit, die jetzt ins Serbische übersetzt ist, und ORTHODOXIA 2012-2013. Ich habe auch nur zum Vorzeigen das Verzeichnis aller unsere Studenten 2011 dabei, das neuste konnte ich so schnell nicht besorgen, der Patriarch schaut fragend auf das Verzeichnis, ich schlage ihm die Seite mit der alphabetischen Liste der serbischen Studenten auf, er sieht mit Erstaunen, dass es siebzig sind.

Besonderer Dank an Dr. Rauch auch wegen der treuen Hilfe für die Gottesdienste der Serben in der Kirche St. Matthias, auch die Überlassung der Geräte und Pulte nach dem Verkauf (da hat sicher Pfarrer Stanko Informationen geliefert?!) Die Serben lernen von der deutschen Art zu arbeiten, der Kommunismus habe die Serben verwöhnt "nur so viel Arbeit wie ich mag, aber alles bekommen, was ich brauche". Heute freilich sei der Konsumismus die große Gefahr, mehr noch im wohlhabenden Deutschland als im armen Serbien.

Das weitere Gespräch mit Bemerkungen: "Schade, dass Deutschland Kosovo anerkannt hat, wenn nicht, wäre unsere Verbindung noch herzlicher." "Orthodoxe und Katholiken scheinen immer mehr auseinander zu driften - ich hoffe ja, wir kommen wieder zusammen vor dem Ende der Welt. Bischof Irinej Bulović hat vor Jahren zu Kardinal Ratzinger gesagt, es gebe in Rom eine Hypertrophie des Primates, und Ratzinger habe ihm zugestimmt" - ich antworte, dass wir in Regensburg davon nichts merken, auch gerade im Geist von "Dominus Iesus" Nr. 17, dass die orthodoxen Kirchen genau so echte Teilkirchen sind wie jedes katholische Bistum.

Nichts zum Programm der 1700-Jahr-Feier sagt der Patriarch auf meine Frage nach dem Toleranzedikt von Mailand im Jahre 313. Er fragt selbst nach der Zahl der Muslime in Deutschland. Mit vielen Grüßen auch an die Stipendiaten endet die Audienz gegen 14.30 Uhr.

Anschließend setzen wir das Gespräch fort im Büro von Bischof Andrej, der den Vorschlag macht, dass ein serbischer Bischof einen Besuch im Ostkirchlichen Institut macht, um den serbischen Studenten Mut und Segen zuzusprechen und sie zu versichern, dass die Kirche auf sie wartet. Er betont die große Hilfe, die sein Studium in München für ihn ist. Der Patriarch hat ihm die Kanzlei anvertraut. Andrej schlägt vor, dass er bei unserem nächsten Besuch in Belgrad alle ehemaligen Studenten zu einem Treffen mit uns einlädt. Er berichtet, dass Bischof Lavrentije in einem Interview die Anerkennung der Selbständigkeit der Kirche von Makedonien gefordert hat und dafür von Bischof Irinej in einem offenen Brief angegriffen wurde. Er selbst wurde von den Ultrakonservativen um Bischof Artemije öffentlich angegriffen, weil er P. Milan Zust SJ bei einem Gottesdienst vor der Ikonostase dem Volk vorgestellt hat.

Gegen 15.30 Uhr gehen Erzpriester Stojadin und Erzdiakon Radomir mit mir gegenüber ins Restaurant ? (es heißt tatsächlich "Fragezeichen"!) zu einem späten Mittagessen mit Bohnen und serbischer Wurst.

17 Uhr begleitet Erzpriester Stojadin Diakon Radomir und mich in seinem Dienstwagen zum Hotel Exzelsior, in dem ich diesmal wohne. Hier kommen Zivica Tucić und der Verlagschef Igor vom Verlag Novoli, in dem auch der katholische Erzbischof Stanislaus und der Nuntius veröffentlichen. Die letzten Druckfahnen werden von Diakon Radomir noch geprüft, wir entscheiden für die Aufmachung, in der auch gerade Texte von Papst Benedikt erschienen sind, Auflage eintausend. Tucić sorgt für die Verteilung an die Bibliotheken und die orthodoxen und katholischen Bischöfe, vom Verlag kommt das Buch in die Buchhandlungen. Eine Buchvorstellung muss Anfang 2013 stattfinden, besser nicht im Haus des katholischen Erzbischofs, sondern in einem der dafür in der Stadt vorhandenen Säle.

Das Gespräch dreht sich um die Probleme von Gesellschaft und Kirche, nur ein Prozent Teilnahme an den Sonntags-Gottesdiensten, .aber zehn Prozent kommen zur Kirche zu eigenen Gottesdiensten anlässlich der Slava, das Familiennamenstages, den die ersten Missionare eingeführt haben, als sie erkannten, dass im vorchristlichen Serbien Hausgötter verehrt wurden. Der Namenspatron des damaligen Familien-Oberhauptes ist bis heute der Patron der Familie, die Ikone wird dem ältesten Sohn weitergegeben oder ihm eine neue des gleichen Patrons geschenkt, die Familie kommt zusammen auch aus der weiten Emigration, Freunde werden eingeladen, ein ganz wichtiges Ereignis für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Weitergabe des Glaubens. Von anderen Kirchen kennen wir einen solchen Brauch nicht, müsste mal noch weiter reflektieren im Nachdenken über Individualität und sozialer Bindung des Menschen.

 

Dienstag, 30. Oktober 2012

7 Uhr Konzelebration mit Erzbischof Stanislaus in der von P. Marko SJ wunderbar gestalteten Kapelle in der alten russischen Botschaft, Bischofshaus seit dem 1. Weltkrieg, in der wir schon so oft mit den Vorgängern zelebriert haben, beginnend mit Erzbischof Uicić in den sechziger Jahren. Der Erzbischof wird auch bei der Vollversammlung des Rates für die Einheit der Christen in Rom sein, wir erinnern uns an die gemeinsame Fahrt nach Nis mit Gesprächen mit Bischof Irinej von Nis - heute Patriarch - über die Feiern zum 1700 Jubiläum 313-2013, damals fuhr Bischof Irinej mit Erzbischof Stanislav nach Belgrad zurück, nicht mit den serbischen Bischöfen. Gern erfüllt der Erzbischof meine Bitte, bei der Vorstellung meines Buches in Belgrad zu sprechen und schlägt Bischof Andrej als orthodoxen Korreferent vor. Bischof Nemeth von Zrenjanin kam gerade von Rom zurück und berichtete von dem wirklich guten Referat von Bischof Irinej auf der Bischofsynode, auf Englisch über den serbischen Beitrag zur Neu-Evangelisierung "vier Minuten sollte er reden, zwölf Minuten hat er geredet".

Martina vom Frauenfokolar ist enttäuscht, dass ich ihr keine ORTHODOXIA mitbringe, ich tröste mich und sie, dass das Frauenfokolar Belgrad sicher auf der Versandliste steht.

10.30 Uhr bei Nuntius Orlando Antonini, Verfasser wichtiger Bildbände über die Kunstschätze von l'Aquila usw., der herzlich begrüßt, ORTHODOXIA entgegennimmt und mahnt, 2013 wieder zum Fest des hl. Sava zu kommen, sein Vorgänger Abril habe doch immer gesagt "ich brauche keinen Kalender, wenn Rauch und Wyrwoll auftauchen, weiß ich wie weit das Jahr ist". Wir erinnern uns an Erzbischof Cesare Zacchi, zu Orlandos Studienzeit Rektor der Akademie an der Piazza della Minerva. Ich sage dem Nuntius, dass der Patriarch gestern mit eigens Grüße an ihn aufgetragen hat, und seinen Dank für die vermittelnde Rolle des Nuntius. Die Einladung zur Buchvorstellung nimmt er an, und lädt seinerseits ein zu dem dritten Symposion "Toleranz-Edikt 313-2013", Das erste war in Nis, das zweite in Novi Sad, das dritte in Belgrad, am Sonntag 6. Oktober organisiert von den Orthodoxen, am 13. Oktober von den Katholiken mit einer Auftragskomposition, Text von einem serbischen Orthodoxen, Musik von einem Italiener. Dieses Oratorium möchte der Nuntius in allen "Konstantin-Städten" aufführen lassen, "also Rom Mailand Trier Istanbul", dafür bettelt er gerade um Geld, auch beim Stellvertretenden Vorsitzenden der deutschen Bischöfe, Bischof Norbert von Hildesheim…

11.30 Uhr schnell mit einem Taxi zu einer kurzen Begegnung im Patriarchat mit Bischof Lavrentije von Sabać (1989 bis 2006 serbischer Bischof in Deutschland), gerade in aller Munde wegen eines Interviews, in dem er von der Autokephalie der Kirche von Makedonien gesprochen hat und dafür von Bischof Irinej in einem offenen Brief an alle Zeitungen kritisiert wurde. Lavrentije hat Kloster Sokol weiter ausgebaut und richtet gerade mit Betten und Instrumenten aus einem aufgelassenen Krankenhaus in Gifhorn eine Sozialstation ein. Ich kann ihm die Adresse des Universitätsklinikum Regensburg geben, wo einige Geräte zur Narkose wegen neuerer Bestimmungen kostenlos abgegeben werden. Bischof Lavrentije bittet, doch beim St. Sava-Besuch 2013 schon am 24. Januar zu kommen, seine Slava mit zu feiern und die Neubauten in Sokol und seinem Metochion zu besuchen. Von da aus kommt er dann mit zur Buchvorstellung in Belgrad am 26. oder 28. Januar.

Alle müssen noch arbeiten, so gehe ich allein ins ? zu einem serbischen Hirtengulasch und weiter ins Hotel, um diesen Bericht zu schreiben und die E-Mail Korrespondenz zu bearbeiten.

17 Uhr Vesper (in jeder orthodoxen Kirche in Serbien ist täglich 17 Uhr Vesper) zum Fest des Apostels Lukas - wie bei uns am 18. Oktober, aber nach julianischem Kalender wird jeder Festtext dreizehn Tage später als bei uns aufgeschlagen. In Deutschland müsste ich schreiben "Erste Vesper", aber hier beginnt der Tag auch im gesellschaftlichen Bewusstsein mit dem Abend wie in der Bibel "es ward Abend und Morgen, der erste Tag", also ist die Vesper der erste Gottesdienst des Festes, dann folgen Laudes und Liturgie, die Neunte Stunde "Non" schließt den Tag.

Die Vesper feiern wir in der großen Kirche des hl. Markus in der Nähe des katholischen Bischofhauses, neben dem Rundfunk, in dem so viele Menschen umkamen unter den Bomben der NATO. Pfarrer ist dort seit zwei Jahren Nebojsa Topolić (1994 bis 1995 Student im Ostkirchlichen Institut).

Wir feiern die Vesper mit und auch die Vigil bis zur feierlichen Inthronisation der Ikone des hl. Lukas, die wir Priester gemeinsam verehren und das Kreuzchen mit Öl auf die Stirn empfangen, Gedenken an die Firmung wie bei uns das Weihwasser als Gedenken an die Taufe.

Danach gehen Pfarrer Nebojsa und Protodiakon Radomir mit mir ins Hotel zu einem abendlichen Imbiss, vorbei an den Geschäften mit Ikonen und geistlicher Literatur, zwei sind vom Bistum, zwei sind privat. In der Fußgängerzone und der übrigen Altstadt gibt es einige Leerstände, aber dem Eindruck nach nicht mehr als in deutschen Innenstädten. Freilich ist das Gehaltsniveau anders, ein Gehalt "zum Überleben" beträgt etwa 350 €, nach Meinung der beiden, die ja öfter in Deutschland sind, entspricht die Kaufkraft etwa dem, was in Deutschland mit 1.000 € zu leisten wäre. Wenig Einfluss scheinen die geringen Monatsgehälter auf das Autofahren zu haben, die Benzinpreise sind kaum geringer als in Deutschland, aber jedenfalls in der Altstadt ist ständig Stau.

Pfarrer Nebojsa schlägt vor, die Vorstellung des Buches über den Primat in dem schönen Saal unter der Kirche des hl. Markus zu machen, am Tag nach dem Sava-Fest Montag 28. Januar 2012 um 18 Uhr, Beginn mit dem Vaterunser durch das Oktett der Markuskirche, Begrüßung durch Pfarrer Nebojsa, Vorstellung des Buches durch Bischof Andrej Čilerdžić und Erzbischof Stanislav Hocevar SAC - beide haben zugesagt - und Schlusswort Nikolaus Wyrwoll. Bischof Andrej bittet, noch eine offizielle Anfrage an Patriarch Irinej zu richten.

19.30 Uhr folgt ein Gespräch mit Zivica Tucić, in dem die technischen Einzelheiten und die finanziellen Abrechnungen geregelt werden.

Mittwoch, 31. Oktober 2012

6.15 Uhr ist Patriarchalrat Stojadin mit dem Auto des Patriarchates am Hotel Excelsior. Zu meiner Überraschung fährt Pfarrer Milan Pejić mit uns, der mit anderen serbischen Priestern aus Deutschland und Bischof Konstantin gestern ein Gespräch bei der Synode hatte. Wir sind mit JATairlines pünktlich in Berlin, haben sofort Bus 109 bis Jungfernheide, erreichen auf die Sekunde den Regionalexpress nach Spandau und sind schon 12.23 Uhr in Hildesheim bzw. Hannover. So kann ich 15 Uhr Bischof Norbert Bericht über die Dienstreise geben und die Grüße von Patriarch Irinej und Erzbischof Stanislav sagen.

 

Dr. Nikolaus Wyrwoll
Ostkirchliches Institut
Regensburg