OKI-Logo Armenier in Bari

 

Am Fest des hl. Nikolaus 6. Dezember 2016 war zum ersten Mal ein Patriarch von Konstantinopel am Grab des Heiligen in Bari.
Ebenfalls zum ersten Mal der armenische Patriarch-Vikar von Istanbul Aram Ateşiyan mit seinen Archimandriten Tatul und Zachäus. So ergaben sich Kontakte mit den Armeniern in Bari, die sich gerade neu organisieren und eine Artikelserie in einem Blatt der Handwerkskammer beginnen.
Der ersten Artikel schreibt die Enkelin einer der um 1900 aus Anatolien nach Bari Geflüchteten.
Sie schildert die Geschichte Armeniens und die großen Vertreibungen vor dem Ersten Weltkrieg. Hier folgt eine deutsche Zusammenfassung Ihrer Berichte von den Anfängen in Bari:

Das älteste Kunstgewerbe der Armenier ist das Knüüpfen der Teppiche und das Klöppeln der Spitzen. Und gerade mit diesem Kunsthandwerk kamen die Armenier nach Bari. Sie kamen aus Anatolien. Dort hatten sie sich verbergen können vor den Mordkommissionen. Sie kamen aus Izmir nach Griechenland und von dort nach Bari. Es waren christliche Familien, die in ihrer Heimat ein Leben im Wohlstand geführt hatten. Sie hatten sehr viel zur Ökonomie Anatoliens beigetragen, aber von einem Tag auf den Anderen hatte sich alles verändert. Sie mussten alles zurücklassen außer der Hoffnung zum überleben. Unter ihnen waren viele Kinder. Ein Kind ist meine Großmutter Kajane. Das ist ein christlicher Name und bedeutet Anna. Angeblich ging es um die Vernichtung eines feindlichen Volkes. In Wirklichkeit brauchten die Osmanen und die Deutschen die Reichtümer der Armenier, weil sie einen Krieg planten. Die Türken und die Deutschen hatten gut überlegt, wie sie ein ganzes Volk ausrotten könnten. Nachdem sie die Armenier umgebracht hatten, wussten sie wie man die Juden umbringen kann.
Die Armenier kamen auf verschiedenen Schiffen in Bari an. Es waren italienische Schiffe, die englischen Schiffe nahmen keine Armenier an Bord. England hatte nämlich starke ökonomische Verbindungen mit den Osmanen. In Bari half der große armenische Dichter Hrand Nazarian den ankommenden Armeniern. Er war Kandidat für den Nobelpreis, Literatur, aber erhielt den Preis nicht - er war ja Armenier.
Er war seit 1913 in Bari, ein Kosmopolit und Polyglot der Dichtung, er sprach 14 Sprachen. Er war ein Freund meiner Großeltern, sie kannten gut seinen Charakter. Weil er so bekannt war, konnte er die Stadtverwaltung Bari für die angekommenen Armenier interessieren. Ich werde nicht alles erzählen, dann müsste ich ein ganzes Buch schreiben. Es gelang ihm nach einiger Zeit, die Armenier aus einem Zelt herauszuholen, wo sie mit ihren Decken auf den Boden schlafen mussten. Sie gründeten ein eigenes Dorf vor den Toren der Stadt Bari. Das Dorf wurde genannt Nur Arax, Neuer Araks, das ist ein alter Fluss zwischen Armenien, Türkei und Iran.
Es gelang den Armeniern schnell, ihre Situation schrittweise zu verbessern. Ein festlicher Moment war z.B. die Einrichtung eines Brunnens mit Trinkwasser. Zu diesem Brunnen kamen auch andere Bewohner dieser Gegend, denn die Armenier waren sehr gastfreundlich und hilfsbereit.
Um sich richtig zu integrieren in die Gesellschaft, mussten sie oft einen hohen Preis zahlen. Sie mussten verschweigen, woher sie kamen. Alles musste auf die Zukunft ausgerichtet sein. Vom ersten Moment an haben sie gearbeitet. Sie sind die Gründer der Teppichindustrie in Bari. Mit der immer größeren Produktion der wertvollen orientalischen Teppiche entstand eine erste Firma "italienisch-armenische Orient-Teppiche". In jener Zeit war die Teppichherstellung in der ganzen Welt verbreitet. Durch die Arbeit der armenischen Meister wurde Bari zu einem Zentrum der weltweiten Teppichindustrie. Der Erfolg war so groß, dass auch in Kalabrien und in Brindisi armenische Teppich-Knüpfereien entstanden.
Die Armenier von Neu Araks haben sehr viel beigetragen zur Ökonomie der Stadt Bari, sie haben vielen Menschen aus Bari und Umgebung Arbeit gegeben.
Die armenischen Teppiche aus Bari wurden in der ganzen Welt verkauft. Unter den Käufern gibt es berühmte Namen: König Farouk, Königin Elena, Papst Pius XI., die Banca d`Italia. Viele Teppiche können im Wasserwerk von Puglia bewundert werden.
Vor meinen Augen erscheint das Bild von meiner Großmutter Kajane, wie sie am Webstuhl sitzt und herrliche Bilder aus Wolle schafft. Sie war von großer Beweglichkeit und seltener Schnelligkeit und immer höchst konzentriert. Sie war hochelegant in ihrem Verhalten als armenische Frau, immer mit gradem Rücken. Jeder Teppich ist ein geheimnisvolles, wunderbares Bild, jeder hat seine Symbolkraft, seine Farben erzählen eine Geschichte.
Die Sammler kennen die kostbaren armenischen Teppiche. Es war ein Handwerk, das vor den Muslimen die christlichen Zeichen verbergen konnte. Das zeigt sich auch in der besonderen armenischen Kunst des Katschkar, Kreuz-Stein, wo das Gesicht Jesu dargestellt ist wie das Gesicht eines Seldschuken, mit mandelförmigen Augen und mit islamischen Kleidern. Einen Katschkar kann man jetzt in Bari anschauen vor dem Haus der Flüchtlinge an der Uferstraße. Der Stein ist ein Geschenk an die Stadt Bari. Auf der Inschrift steht der Name eines Enkels meiner Großmutter. Er ist ein hochangesehener Bürger von Bari wie auch sein Vater und seine Brüder.
Dass die christlichen Zeichen verborgen sind auf diesen armenischen Teppichen soll auch ihren Verkauf in die heutige säkulare Gesellschaft fördern. Die großen armenischen Teppichmeister haben schon vor Marco Polo die Symbole ihrer Teppiche eine Sprache sprechen lassen, die nur die Eingeweihten verstehen. Ich denke an das Bild meiner Großmutter bei der Arbeit eingehüllt in Licht ihrer Ausstrahlung und denke dankbar alles, was ich von ihr gelernt habe.

Kaianik Adagian

 

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