OKI-Logo Global Player Kirche
Vortrag beim Rotary-Club Regensburg
am 10. August 2001


Frd. Reichold hat das Thema Global Player Kirche schon global abgehandelt und nichts ausgelassen, sein Aspekt ist die Bibel.
Frd. Reichold hat als Vortragswart beschlossen, das Thema im Doppelpack abzuhandeln. So werde ich heute das Gleiche wie Frd. Reichold nochmal sagen. Mein Aspekt ist die Geschichte. Die christliche Religion ist die einzige Weltreligion, die von Anfang an globale Geltung beansprucht hat, alle anderen Weltreligionen tun das erst nachdem sie Kontakt mit dem Christentum haben.
Für einen passenden Aufhänger bin ich dem jung verheirateten Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog dankbar. Er heißt Roman, Römer und ist überzeugter Protestant, also ein unverdächtiger Zeuge, wenn er von Katholizität spricht. "Globalisierung", hat er angemerkt, ist das lateinische Wort "Globus" statt des griechischen "Katholisch" oder "Ökumenisch". Bundespräsident Roman hat 1998 in Mainz den Katholikentag so eröffnet:
Alle sprechen von Globalisierung. Für eine Kirche, die seit je schon in Urbs und Orbis präsent ist, ist das eigentlich ein alter Hut. Universale Vernetzung ist ja geradezu das Wesensprinzip der katholischen Kirche. Deswegen aber hat die Kirche dem Globalisierungsdenken von heute ein wesentliches Element hinzuzufügen: Es geht nicht nur um globales Wirtschaften, sondern auch um globale Verantwortung. [Für das weltweite kirchliche Netzwerk sind fremde Länder nicht bloß Standortfaktoren oder Billiglohnländer. Es gibt viele persönliche Beziehungen, Gemeindepartnerschaften, regen Austausch mit Partnern in Asien, Afrika und Südamerika. Die in kirchlichen Kreisen vorhandene Kenntnis dortiger Zustände relativiert viele unserer eigenen Probleme und bewahrt vor einem selbstbezogenen Pluralismus. Die ... katholische Kirche hat viele Reiche und Staaten kommen und gehen sehen.]
Also den alten Hut setze ich heute auf, global katholisch ökumenisch weltweit universal gebrauche ich wie Roman Herzog synonym, auswechselbar, wie im Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstantinopel, dort heißt es in den christlichen Gottesdienstbüchern weltweit bis heute "katholisch" oder "Allgemein". Das Wort wird von Anfang an in doppeltem Sinn verstanden: der christliche Glaube ist katholisch global, weil er kat hólon tón kósmon für den ganzen Kosmos bestimmt ist, "Katholizität nach außen" sagen die Theologen. Und der christliche Glaube ist katholisch global, weil er in jede Verwirklichung des menschlichen Lebens hinein wirkt, alles was ihr tut, in Worten oder in Werken, das tut alles im Namen Jesu "Katholizität nach innen" sagen die Theologen.

Wie global ist die junge Kirche?
- Dass der Glaube das tägliche Leben durchwirkt, Globalisierung nach innen, haben alle christlichen Gemeinschaften sofort begriffen (ich erinnere an die ersten Kirchbauten in Rom, nicht etwa Tempel, sondern Gerichts- und Markthallen), aber manche christliche Gemeinden haben das dann als praktische Anweisung für ein angenehmes Zusammenleben im Familienclan gesehen - und andere christliche Gemeinden ausgeschlossen, weil sie andere Bräuche hatten.
- Dass der Glaube dazu führt, alle anderen als gleichberechtig anzusehen, war nicht so leicht zu praktizieren für die ersten Christen. "Im Jahr 150 gab es 150 Sekten" trotz der ungeheuer globalisierungsträchtigen Symbolhandlung nicht etwa nur von Paulus sondern auch von Petrus, in die Hauptstadt des Weltreiches Rom am Tiber zu gehen.
Aber neben diesen Sektierer-Gemeinden, die die anderen aussschließen, gab es sofort diejenigen, die ihre eigenen Traditionen und Theologien zwar wichtig nahmen, aber noch wichtiger die Einheit mit allen, das "global" Christen sein, auf griechisch, "katholisch" "ökumenisch", das gebrauchten die lokal gesinnnten schon damals als abwertendes Schimpfwort, die Globalen selber als Anspruch und Auftrag, das "Ökumenische Konzil", der "Ökumenische Patriarch" beim Kaiser in Neu-Rom, die eine heilige katholische und apostolische Kirche.
Global weltweit katholisch ökumenisch meinte damals die größte vorstellbare Welteinheit, eben das römische Reich mit dem römischen Kaiser als oberstem Moderator der Kirche, als Stellvertreter Christi in der Hauptstadt Byzanz, Konstantinopel, İstanbul, Rom am Bosporus.
Aber es ging auch schon darüber hinaus, die Christen außerhalb, etwa in Ägypten, in Persien, bei den Germanen, die den Christen in der Ökumene des Römerreiches aus politischen Gründen wenige praktische Zeichen ihrer Zugehörigkeit zu der einen einzigen weltweiten Kirche geben konnten wie Bischofsbestätigungen oder Osterbriefe oder Ausführung von ökumenischen Konzilsbeschlüssen, behielten in ihrer Selbstbezeichnung das Wort global - katholisch - bei.
Auch in ihrem Wirken nach innen und außen: die Assyrer im Perserreich z.B. missionierten bis nach Peking (nicht etwa Priester, sondern Kaufleute), Marco Polo gibt uns davon eindrucksvolle Zeugnisse.
Global gegen provinziell, wenn provinziell Ausschluss der anderen bedeutet - katholisch gegen Sekte Häresie Schisma (alle drei Wörter hängen sprachlich mit der deutschen "Schere" zusammen).
"Global denken, lokal handeln", erinnerte Frd. Meyer-Scheubeck letzten Freitag, das wird im traditionellen christlichen Jargon ausgedrückt: Einheit in der Vielheit, Versöhnte Verschiedenheit, diversité reconciliée, reconciled diversity.

Globalisierungsschub
Übrigens hat ja auch der Islam seine Weltgeltung dadurch unterstützen wollen, dass er unbedingt das Rom am Bosporus zu seiner Hauptstadt machte 1453.
Das Ende des römischen Kaisertums 1453 war wiederum ein Globalisierungsschub für die Christen, weil nun nicht mehr ein irdischer Herrscher als Stellvertreter Christi als Oberster Moderator der Kirche existierte.

Globalisierungs-Bremse 1
Das war dann vielleicht schon wieder zuviel Globalisierung, zu katholisch. Im 16. Jahrhundert spürt die Christenheit in Mitteleuropa eine Globalisierungsbremse, anti-katholische Tendenzen, in England, in Deutschland, in der Schweiz, in Skandinavien, 1541 in Regensburg. Eine innere Reformation Reform erfolgt mit den gleichen Themen und Ergebnissen global, aber die äußere Struktur ändert sich in den genannten und anderen Ländern Europas, es wird wieder an die 1453 gestorbene Tradition angeknüpft, dass der Landesherr das Oberhaupt der Kirche ist. Das geht nicht mehr global, es gibt nicht mehr die Ökumene des Römerreiches, sondern ein viel größeres Gebiet ist mittlerweile christlich, und viele Monarchen führen den Doppeladler im Wappen.
Das Wort "global" in seiner griechischen Form "katholisch" oder muttersprachlicher Form "allgemein" streichen die neuen Lokalkirchen nicht, mit Ausnahme der deutschen Lutheraner.

Globalisierungs-Bremse 2
Im 18. Jahrhundert erlebt die Christenheit in ganz Europa und darüber hinaus eine zweite Globalisierungsbremse, anti-katholische Tendenzen auch im Verhältnis Westen-Osten, vom Westen ausgehend, von Rom ausgehend, das selber in lokalkirchliche Enge geglitten war und 1725 ein Dekret erlässt, dass nur die mit Rom formell verbundenen Christen zu den Sakramenten zugelassen sind. 1755 bestimmen die Patriarchen des Ostens, dass alle westlichen Christen als Häretiker Schismatiker Sekten zu behandeln seien, "wenn ein Christ aus dem Westen zu uns kommen will, muss er neu getauft werden wie ein Heide".
Obwohl - oder vielleicht gerade weil - im 18. Jahrhundert mittlerweile die christliche Botschaft fast auf den gesamten Globus gelangt ist, war es nur eine oberflächliche Globalisierung, globalisiert wurden Partikularinteressen, politisch und theologisch.
Eine Ausnahme muss man nennen: die Kirche in Russland hat die Exkommunikationen von 1725 und 1755 sofort abgelehnt und an der Katholizität des Glaubens festgehalten "wenn ein Christ aus dem Westen zu uns kommen will, muss er nur laut das Glaubensbekenntnis sprechen". Bis zur Oktober-Revolution im November 1917 haben die russischen Fakultäten die globalste Theologie.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts ist keine Kirche - auch nicht die von Rom am Tiber - wirklich umfassend und in allen Aspekten ökumenisch katholisch global weltweit.
Das war offenbar ein heilsamer Schock. Die Globalisierungsbremsen werden gelöst.

Total global
In der Mitte des 19. Jahrhunderts setzt eine dynamische und unaufhaltsame Globalisierung in der Christenheit ein, die einen Höhepunkt in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung vom 31. Oktober 1999 hat und im Schreiben Dominus Jesus vom 6. August 2000, in dem die Anerkennung der heutigen Form des Papsttums ausdrücklich nicht zu den Kriterien für das Kirchesein gezählt wird.
Im 19. Jahrhundert lösen als erste gerade evangelische Kirchen die Katholisierungsbremse. Ein nie ausgelöschtes globales Bewusstsein führt 1846 zur Gründung "Evangelische Allianz" nach einer Tagung in London von 921 Christen aus verschiedenen Kirchen. "Grundlage war die Erkenntnis, dass wir durch Jesu Gebet um die Einheit seiner Jünger die uns von Gott geschenkte Einheit auch über die Konfessionen und Gruppen hinweg leben dürfen." 1846 die Gründung "Evangelische Allianz". 1867 vereinigen sich die anglikanischen Bischöfe unter dem Erzbischof von Canterbury zur Lambeth-Konferenz, 1877 der Weltbund der Reformierten. Unabhängig von politischen Spaltungen, unabhängig vom Einfluss der Staatslenker, die sich mittlerweile wieder und immer noch als als Stellvertreter Christi ansehen.
Konrad Raiser, der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf, schreibt: "Nur die römische Kirche hat in Struktur und Selbstverständnis den Charakter einer weltweiten Gemeinschaft erhalten. Im Protestantismus tauchte die Frage der Einheit erst als Folge der Missionsbewegung auf".
Also ist auch in den christlichen Gemeinden, die nur die Gemeinde als Struktur kennen oder noch weniger, nur die individuelle Rechtfertigung "ich und mein gnädiger Gott" die Globalität nicht verschüttet. "Die Gemeinschaft aller an Christus Glaubenden und Getauften geht jeder geschichtlichen Verwirklichung und Strukturierung der communio auf lokaler Ebene voraus." Konrad Raiser. [Konrad Raiser, Wir stehen noch am Anfang, Ökumene in einer veränderten Welt, Gütersloh 1994, S.20, S.24; Anmerkung 17 verweist auf Abschnitt Nr. 14 (Ziffern 38 bis 40) der Schlusserklärung der Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel, Pfingstfest Mai 1989.]
Die Evangelische Allianz von 1846 war noch kein Konzil und verbot übrigens Katholiken die Mitwirkung, aber 25 Jahre danach gelang 1871 ein Ökumenisches Konzil in jener Allianz von Christen, die die Evangelische Allianz "Katholische Kirche" nennt. Die Definition der Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimates beim Vatikanischen Konzil 1870 war die realistische Form des Ausdrucks der Globalität in der Zerspaltenheit der Christenheit mit ihren Grabenkämpfen, die ausdrücklich als Grund für die Gründung der Evangelischen Allianz angeführt werden.
Das Weiterbestehen dieses globalen Zusammenschlusses von Christen "Katholische Kirche" mit mehr als der Hälfte aller Christen über alles nationale Zerfallen der großen Reiche in Europa, Weiterbestehen über zwei Weltkriege, lässt mich das Erste Vatikanische Konzil und seine Definition des Primates der Globalisierung als ökumenisches Ereignis werten, von noch unbeachteter Geisteskraft zur Stärkung und Ermöglichung von Einheit der Menschen, der Christen.
Das Ende des Kirchenstaates am 20. September 1871 beschleunigt diesen Globalisierungsschub, 1453 waren es die Osmanen, 1871 die Horden von Garibaldi.
Mit den Dogmen des 1. Vatikanischen Konzils schwimmt sich die Kirche frei von Staatshörigkeit. In vielen Ländern entstehen zur gleichen Zeit aus den gleichen Gründen die Freikirchen. 1904 verhindert zum letzten Mal ein Kaiser die Einsetzung eines schon von den Kardinälen gewählten Papstes. Nach dem ersten Global War werden in Mitteleuropa auch viele Landeskirchen frei vom Staat. 1890 wurden 90 % der katholischen Bischöfe von Königen oder Kaisern oder Domkapiteln gewählt und ernannt, 1990 werden 90 % der katholischen Bischöfe vom Papst ernannt, also mit globalem Aspekt.
1920 rief der orthodoxe Ökumenische Patriarch von Konstantinopel die orthodoxen und alle Christen zu größerer Konziliarität.
Globalisierung ist bei den orthodoxen und protestantischen Kirchen im Jahre 1948 so sehr eingelebt, dass diese Kirchen in Amsterdam den "Weltrat [Jetzt "Ökumenischer Rat der Kirchen ÖRK" in Genf] der Kirchen" gründen, aus ihrer nationalen und konfessionellen Isolierung treten und ihre globale Verantwortung für die jeweils anderen entdecken und ausüben. Und auch die Gemeinschaft, die ihre Einheit im Ökumenischen Konzil ausdrückt, macht jetzt bei dieser neuen Ökumenischen Bewegung mit.
1959 kündigt Papst Johannes XXIII. ein weiteres Ökumenisches Konzil an, das zweite im Vatikan, und lädt dazu alle Christen ein.
Das 2. Vatikanische Konzil 1962-1965 ist erstmalig wirklich katholisch, ökumenisch, allgemein. Zwar waren auch beim 1. Vatikanum 1870 Bischöfe vom ganzen Globus, der ganzen bewohnten Erde, griechisch Oikoumenh. Aber sie waren entweder gebürtige Europäer oder hatten doch ihre Studien in Europa absolviert, und es waren keine protestantischen und orthodoxen Christen dabei.
Beim 2. Vatikanische Konzil 1962-1965 waren Bischöfe, die noch nie vorher Europa besucht hatten. Und zu den zweitausend "katholischen" Bischöfen fast zweihundert andere Christen, die zwar in den Plenarsitzungen nur den Status von Beobachtern hatten, in den entscheidenden Arbeitskreisen aber vollberechtigt mitarbeiteten.
So ist heute die Christenheit Global Player wie noch nie. Ca. zwei Drittel oder drei Viertel der Christenheit gehören zu der Vereinigung von Teilkirchen, die man Katholische Kirche nennt, und auch das vierte Viertel ist in großen globalen Zusammenschlüssen geeint, Lutherischer Weltbund, Weltallianz der Reformierten, Baptistische Weltallianz, Methodistischer Weltbund, und all diese wieder mit vielfältigen strukturellen und ideellen Zusammenschlüssen und Zusammenarbeit mit dem Weltrat der Kirchen in Genf und dem Weltrat der Kirchen in Rom. Papst Paul VI. hat das Wort "kirchliche Gemeinschaften" 1962 von den Orden, 1963 von den evangelischen Kirchen in der Ökumene gebraucht: beide sind nichtbischöfliche Strukturen. Die global agierenden Orden sind eine der weltweiten Vernetzungen, die Nationalkollegien in Rom mit ihren ehemaligen Studenten auf dem ganzen Globus, die Nuntiaturen, die Nationalgemeinden in der Stadt Rom, die Bischöfe weltweit als Pfarrer an den Straßenkreuzungen der Stadt Rom an den cardines als Kardinäle, die globalen Hilfswerke in den Ortskirchen wie BROT FÜR DIE WELT, "Sechs Wochen ohne", Fastenopfer, MISEREOR, MISSIO.
Der globale Johanniterorden mit den Maltesern, evangelisch-katholischer Einsatz. Die Bischofssynoden in Rom. 300.000 Pfarrer auf dem ganzen Globus sind nicht mehr inamovibel, unversetzbar, sondern seit fünfunddreißig Jahren, seit dem 2. Vatikanischen Konzil weltweit einzusetzen, z.B. als Fidei Donum.
Der Bischof ist seit dem 2. Vatikanischen Konzil nicht mehr verheiratet mit seiner Diözese, er trägt zwar weiter den Ehering und im Osten sogar das Foto seiner Braut auf der Brust, die Panagia Enkolpion, aber er soll sich nicht nur um sein Bistum kümmern, sondern um die ganze Kirche (Christus Dominus 6), und darum auch das Bistum wechseln, wenn nötig, und sich vom Bistum scheiden lassen, wenn er 75 Jahre alt ist.
"Die Einheit der Christen ist unzerstörbar schon gegeben", sagt Kardinal Ratzinger und zitiert damit die Mütter und Väter der Evangelischen Allianz von 1846. Die Katholische Kirche ist nicht eine Konfession, sondern eine Kommunio von Kirchen. Das gilt global für die ganze Christenheit, auch wenn einige sich vor so viel Globalisierung noch fürchten. Die Konfessionen müssen sich wie die unterschiedlichen Ordenstraditionen anerkennen und ertragen, vielleicht manchmal zähneknirschend. Den alten Hut Globalisierung dürfen sie sich aufsetzen. Wie der hl. Paulus an die Korinther schreibt (1 Kor 12,12): "wenn der Fuß sagt … ich gehöre nicht zum Leib, so gehört er doch zum Leib …" Globalität der Kirche muss sichtbar sein, aber muss nicht unbedingt in zusätzlichen strukturellen Formen, Erklärungen, Vereinbarungen sichtbar werden.

Dr. Klaus Wyrwoll
Ostkirchliches Institut
Regensburg