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Wie wird der Streit um die religiöse Wahrheit geführt?

Eine Antwort aus katholischer Sicht


Prof. Barbara Hallensleben, Fribourg/CH

1. Eine Klärung der Wortverwendung

Wenn ich im folgenden eine Antwort "aus katholischer Sicht" zu geben versuche, dann verstehe ich "katholisch" nicht als Konfessionsbezeichnung, sondern im Sinne des Symbolon als Prädikat der Kirche Jesu Christi, die zugleich die eine, heilige und apostolische Kirche ist. Pfarrer Dr. Sven Oppegaard, Mitarbeiter im Sekretariat des Lutherischen Weltbundes, erzählte uns vor kurzem anlässlich einer Exkursion des Instituts für Ökumenische Studien nach Genf, wie verwundert und beglückt er in einer englischsprachigen katholischen Messe bei der Entdeckung war, dass auch Katholiken das Wort "catholic" im Glaubensbekenntnis klein schreiben und nicht groß, d.h. dass sie es nicht als konfessionellen Eigennamen ihrer Kirche verstehen. Hoffentlich haben alle katholischen Christen schon dieselben Entdeckung gemacht!

Wir gehen also aus von der kühnen Option, dass es möglich ist, kat’holon zu denken, zu sprechen und zu handeln - gemäß dem Ganzen -, und nicht nur kat’hairesin - gemäß einer partikularen Auswahl, so dass die Endlichkeit unseres Erkenntnisvermögens und die Begrenztheit unserer Bekenntnisperspektive notwendig auch die Endlichkeit unserer Erkenntnismöglichkeiten und -inhalte impliziert. Diese Annahme ist heute bei weitem nicht selbstverständlich. Unsere Zeit ist sozusagen aus Prinzip häretisch geworden, insofern die sogenannte Postmoderne davon ausgeht, dass Wahrheit nicht anders als sektorhaft, "häretisch" erkannt und kommuniziert werden kann. "Die Vielheit ist der Normalfall, die Einheit ist der gestaltete Prozess der Vielfalt" - so formulierte Konrad Raiser, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, in einem Vortrag vor wenigen Tagen in Fribourg. Ich will Konrad Raiser selbst nicht auf eine bestimmte Deutung dieser Aussage festlegen, aber heutzutage wird sie nur allzu leicht in einen Denkhorizont hineingezogen, in dem sie besagt: Die Häresie ist der Normalfall, die Communio die von Menschen gemachte friedliche Koexistenz - von Einheit und Frieden ist auf dieser Basis wohl kaum zu sprechen ...

Unter "Heterodoxie" lassen sich im Prinzip auch die Nicht-Christen als "Andersgläubige" fassen. Im Kontext unseres Studientages beschränke ich mich auf das christliche Ringen um den einen Glauben und die Frage, wo diese Einheit des Glaubens verlassen wird. Can. 751 des Codex Iuris Canonici der lateinischen Kirche gibt uns einen Anhaltspunkt für die Wortverwendung derjenigen Begriffe, mit denen das Feld der so verstandenen Heterodoxie umschrieben wird: "Häresie nennt man die nach Empfang der Taufe erfolgte beharrliche Leugnung einer kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glaubenden Wahrheit oder einen beharrlichen Zweifel an einer solchen Glaubenswahrheit. Apostasie nennt man die Ablehnung des christlichen Glaubens im ganzen; Schisma nennt man die Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche".(1)

Der Zusatz "pertinax", "beharrlich", ist von großer Bedeutung. Die bewusst intendierte und hartnäckig beibehaltene Abkehr von der Lehre der Kirche und ihrer Einheit gehört zum Wesen der Häresie und des Schismas. Nach Thomas von Aquin, der sich bei seiner Definition auf Hieronymus beruft, ist die Häresie dem Glauben entgegengesetzt, das Schisma der Einheit der in der Kirche herrschenden Liebe. Glaube und Liebe aber haben ihre Quelle im Heiligen Geist.(2) Nur der "direkte und unmittelbare"(3) Verstoß gegen Glaube und Liebe ist Häresie bzw. Schisma - ein Glück für uns, denn sonst müssten wir alle uns wohl als Häretiker und Schismatiker bekennen, insofern unser Glaube schwach und unsere Liebe nicht brennend genug ist, insofern jede Häresie und jedes Schisma in der Urhäresie und dem Urschisma zwischen Schöpfer und Schöpfung, in der Sünde, gründet: "Die Trennung des Menschen von Gott durch die Sünde ist vom Sünder nicht beabsichtigt, sondern ergibt sich ohne seine Absicht aus seiner ungeordneten Hinwendung zum vergänglichen Gut. Deshalb ist sie nicht Schisma im eigentlichen Sinne".(4)

Die so verstandene Heterodoxie ist nicht so sehr eine positive Wirklichkeit, sondern eine Mangelerscheinung. Sie ergibt sich als Gegenbegriff. So steht der Kanon über Häresie und Schisma im Abschnitt über den "Verkündigungsdienst der Kirche". Hier ist von Anfang an sehr deutlich von der katholischen Kirche im weiten Sinne des Glaubensbekenntnisses die Rede: "Christus der Herr hat der Kirche das Glaubensgut anvertraut, damit sie unter dem Beistand des Heiligen Geistes die geoffenbarte Wahrheit heilig bewahrt, tiefer erforscht und treu verkündigt und auslegt; daher ist es ihre Pflicht und ihr angeborenes Recht, auch unter Einsatz der ihr eigenen sozialen Kommunikationsmittel, unabhängig von jeder menschlichen Gewalt, allen Völkern das Evangelium zu verkündigen".(5) Heterodoxie ist der zum Prinzip erhobene Mangel an der Erfüllung der Sendung des Sohnes und des Geistes, in denen Glaube und Liebe gründen und ihre Einheit finden, durch die Kirche.

2. Die Kirche als Sakrament

Ist denn Christus zerteilt? (1 Kor 1,13) - diese rhetorische Frage des Paulus ist uns auf den Weg mitgegeben. Insofern die wahrhaft katholische Kirche aus der Weite der Sendung des Sohnes und der Geistes und nicht aus dem Expansionswillen des Menschen hervorgeht, gilt: Die Kirche kann gar nicht gespalten werden, nicht nur: sie darf nicht gespalten werden! Christus ist nicht zerteilt, und in ihm ist die ganze Fülle des göttlichen Lebens gegeben, nicht ein Teil davon: Denn in ihm allein wohnt die ganze Fülle Gottes leibhaftig (Kol 2,9).(6) Der Vater hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? (Röm 8,32). Der Geist ist ganz und ohne Grenzen gegeben: denn er gibt den Geist unbegrenzt (Joh 3,34). In der Gemeinschaft mit dem Sohn und dem Geist gründet die "Orthodoxie", das rechte Lob Gottes und der Anteil an der göttlichen Herrlichkeit.

Die katholische Sicht bezeugt, dass die Fülle des göttlichen Lebens wahrhaft geschenkt ist, dass die Schöpfung capax Dei ist - fähig, diese Fülle in endlicher, geschöpflicher Gestalt aufzunehmen. Ihr "Normalfall" ist also das Leben in Gott, die "Ausnahme" ist die schuldhafte, "häretische" Spaltung zwischen Schöpfer und Schöpfung, die in Christus und durch seinen Geist geheilt ist. Wir könnten mit einem Ausdruck der Sakramentenlehre vom caracter indelebilis der Schöpfung sprechen, der selbst durch ihre schuldhafte Abwendung vom Schöpfer nicht verloren geht. "Um der Kirche willen wurde die Welt erschaffen", so lesen wir im "Hirten des Hermas".(7) Die Kirche ist die durch das Pascha Christi geheilte Menschheit und der Anbruch der neuen Schöpfung im Heiligen Geist. Das ist keine theoretische Behauptung zur Legitimation des bestehenden kirchlichen Lebens, sondern das ist die Berufung der wahrhaft katholischen und damit wahrhaft orthodoxen Kirche, die sie erfüllt, indem sie sich als semper reformanda, als stets der Umkehr bedürftig bekennt.

Um zu verstehen, was Heterodoxie ist, müssen wir also verstanden haben, was die Kirche Jesu Christi im Heilsplan Gottes ist. Ein solches Verständnis lässt sich nicht allein im Begriff der Kirche suchen, sondern in dem Leben, das ihr von Gott geschenkt ist und das von ihr bezeugt wird. Johann Adam Möhler (1796-1838), inspiriert von den Kirchenvätern, spricht darüber in seinem Werk "Die Einheit in der Kirche oder das Prinzip des Katholizismus":

"Das Prinzip der Einheit der Kirche wird uns um vieles klarer werden, wenn wir die Eigentümlichkeit der Häresie gegenüberstellen, welche wir somit zu entwickeln versuchen. - Das Christentum wollte auf den Grund eines neuen heiligen und darum notwendig gemeinsamen Lebens ein neues Gedankensystem von Gott, der Welt und dem Menschen erbauen, wie aus dem alten heidnischen Leben die alte Betrachtungsweise hervorgegangen war. Dies war allen bisherigen philosophischen Schulen, in welchen über die genannten höchsten Gegenstände der Betrachtung, Ansichten und Grundsätze waren aufgestellt worden, völlig entgegen. Man hatte durch ein System von Begriffen auf das Leben zu wirken gesucht: man blieb aber im alten Leben, wenn man auch in seinen Begriffen von ihm entfernt war: ein ewiger Beweis, dass bloße Begriffe keine dauernde Kraft auf das Leben besitzen. Ein neues Leben konnten die alten Zeiten nicht erzeugen, teils weil ihnen der Gedanke schon fremd war [Sokrates präludierte dem Christentum], dass mit Umänderung des Lebens angefangen werden müsse; noch mehr aber, weil sie ein besseres Erzeugnis hätten liefern müssen, als sie selbst waren. Nachdem aber das Christentum seinen Bekennern eine schöpferische, ein neues Leben erzeugende Kraft gegeben und den Menschen auf seine Nichtigkeit, ohne immerwährenden lebendigen Zusammenhang mit Gott, aufmerksam gemacht und ihn gelehrt hatte, mit Demut seine Belehrungen annehmen zu müssen, wenn er doch etwas wissen wolle, so war das Beispiel der alten philosophischen Schulen, die noch neben dem aufblühenden Christentum dahinwelkten, zu reizend, als dass dieses nicht auch von Menschen, die den Geist des Christentums nicht tief genug kannten, als ein bloßes System von Begriffen wäre aufgefasst worden. Wie es dort viele Schulen gab, die dieselben Ideen verschieden zerlegten, so wollten sie sich auch mit unheiligem Sinn der christlichen bemächtigen; wie dort keine Einheit möglich war, weil der Mensch für sich immer nur irren kann, der Irrwege aber unzählige sind und ein höheres einigendes Prinzip noch nicht vorhanden war, so sollte auch hier keine sein, weil jeder für sich das Christentum zerlegen und finden zu können glaubte; die heidnische Trennung sollte auf das christliche Gebiet verpflanzt werden, der heidnische Egoismus auch hier sich erheben. Allein wie keine Begriffswelt in der vorchristlichen Periode ein neues Leben zu schaffen imstande war, so sollte keine Begriffswelt das mit und in der Kirche Neugeschaffene verdrängen können".(8)

Um ein Verständnis der Kirche zu formulieren, das zugleich über den Begriff hinaus auf das geschenkte Leben verweist, verwendet das II. Vatikanischen Konzil den Ausdruck "Sakrament" und hat damit der katholischen Theologie einen neuen Impuls gegeben. Die Grundaussage findet sich in der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen Gentium: "Christus ist das Licht der Völker. Darum ist es der dringende Wunsch dieser im Heiligen Geist versammelten Heiligen Synode, alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten, indem sie das Evangelium allen Geschöpfen verkündet (vgl. Mk 16,15). Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit".(9)

Die Kirche ist Sakrament - diese Grundaussage besagt, etwas vereinfacht, die Einheit von göttlichem Leben und geschöpflicher Gestalt, so dass beides weder schlechthin zu identifizieren noch zu trennen ist. Das Ursakrament ist Jesus Christus, in dessen menschlicher Gestalt die ganze Fülle Gottes leibhaftig wohnt (Kol 2,9). "In Christus" hat nach Lumen Gentium 1 die Kirche an dieser göttlich-menschlichen Einheit teil: Die Herrlichkeit Christi ist die eigentliche Quelle für das Leben und das Zeugnis der Kirche, das allen Geschöpfen gilt. Ihre irdische Gestalt wird zum sakramentalen Zeichen dieses selben göttlichen Lebens, insofern es durch die Kirche und als Kirche in der Geschichte tradiert wird. Die sakramentale Sicht der Kirche muss sowohl die bleibende Unterschiedenheit von Gnade und Gestalt als auch ihre untrennbare Zusammengehörigkeit berücksichtigen. Sie entzieht sich damit der begrifflichen Bemächtigung, die auf eindeutiges Begreifen ausgerichtet ist. Ein sakramentales Verständnis der Kirche ist daher anfällig für ungeduldige, "geist-lose" Reduktionen: Entweder zeigen sie sich in der Reduktion der göttlichen Herrlichkeit auf die irdische Gestalt. Daraus folgt die eindeutige Identifikation der kanonischen Grenzen der Kirche mit dem Heil, wie wir sie von Cyprian von Karthago über Papst Bonifaz VIII. bis zu den Integristen aller Konfessionen bis heute finden. Oder die sakramentale Einheit wird aufgehoben durch die Reduktion der Endlichkeit auf sich selbst, indem die Schöpfung nicht mehr als capax Dei verstanden wird. So gegensätzlich beide Formen der Auflösung eines sakramentalen Kirchenverständnisses auch wirken mögen, so zeigen sie doch beträchtliche Ähnlichkeiten: auf der einen Seite steht ein Gewinn an begrifflicher Eindeutigkeit, auf der anderen Seite jedoch ein Verlust an Lebendigkeit, indem das freie göttliche Wirken auf das menschliche Verstehen reduziert wird.

Die sakramentale Deutung, die das II. Vatikanische Konzil der Kirche und ihrer Theologie als Impuls mitgegeben hat, ist demgegenüber nicht eine neue Idee, sondern macht auf neue Weise ausdrücklich, was von Anfang an aus der Selbstgabe des Vaters in Sohn und Geist hervorgeht: die staunende Entdeckung, dass die Schöpfung capax Dei ist, dass ihr die Fülle des göttlichen Lebens geschenkt ist. Daraus ergeben sich verschiedene Aufgaben: Historisch ist Weg der Ausgestaltung der Selbstoffenbarung Gottes in der Kirche so nachzuzeichnen, dass die Verfehlungen gegen sie in Häresie und Schisma zutage treten. Das ist meisterhaft geleistet worden von Ernst Christoph Suttner in seinem Beitrag "Wandel im Verständnis von Schisma und Union. Von Bischof Cyprian von Karthago bis ins 20. Jahrhundert".(10) Es stellt sich jedoch weiterhin die Aufgabe, in dogmatischer, fundamentaltheologischer und hermeneutischer Sicht herauszuarbeiten, welche Denkweisen zu Häresien und Schismen führen. Eine solche Betrachtung kommt nicht ohne historische Bezüge aus, muss sich aber nicht allein auf die ausdrückliche Geschichte der Schismen und Unionen beschränken.

Es soll nicht geleugnet werden, dass in einer systematisch-theologischen Betrachtung auch Struktur- und Verfahrensfragen in den Blick zu nehmen sind. Nicht nur aus Zeitgründen tue ich dies in meinem Beitrag bewusst nicht: Ich bin überzeugt, dass wir uns gegenwärtig eher auf die Quellen unseres Glaubens besinnen müssen, aus denen die Gestalten neu erwachsen werden. In diesem Sinne gilt noch heute das Wort Dietrich Bonhoeffers, das er im Gefängnis 1944 anlässlich der Taufe des Kindes einer eng befreundeten Familie schrieb:

Wir "sind wieder ganz auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen. Was Versöhnung und Erlösung, was Wiedergeburt und Heiliger Geist, was Feindesliebe, Kreuz und Auferstehung, was Leben in Christus und Nachfolge Christi heißt, das alles ist so schwer und so fern, dass wir es kaum mehr wagen, davon zu sprechen. In den überlieferten Worten und Handlungen ahnen wir etwas ganz Neues und Umwälzendes, ohne es noch fassen und aussprechen zu können. Das ist unsere eigene Schuld. Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein. Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstummen, und unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muss neugeboren werden aus diesem Beten und diesem Tun. Bis Du groß bist [hier spricht Bonhoeffer den Täufling an], wird sich die Gestalt der Kirche sehr verändert haben. Die Umschmelzung ist noch nicht zu Ende, und jeder Versuch, ihr vorzeitig zu neuer organisatorischer Machtentfaltung zu verhelfen, wird nur eine Verzögerung ihrer Umkehr und Läuterung sein".(11)

3. Geschichtliche Spurensuche

Im folgenden kann ich nur gleichsam kurze Lesehilfen für die Kirchengeschichte geben und zeigen, wie sich die sakramentale Sicht der Kirche dabei bewährt.

a. In der Frühzeit der Kirche lässt sich von der impliziten Entwicklung einer sakramentalen Denk- und Lebensform der Kirche sprechen, die gleichsam sich selbst nicht noch einmal reflexiv in den Blick nimmt. Der staunende Blick des Glaubens ist auf die Gabe gerichtet, die Gott selbst ist - in der Offenbarung des Vaters in Sohn und Geist: "Solltet ihr aber auf die Idee kommen zu fragen: Was hat der Herr denn dadurch Neues gebracht, dass er kam?, so nehmt zur Kenntnis, dass er nur Neues brachte, indem er, der Angekündigte, sich selbst brachte. Gerade das wurde nämlich angesagt, dass Neues kommen würde, um den Menschen zu erneuern und zu beleben ... Er hat sich nämlich selbst gebracht, und die Güter ..., ‘auf die wenigstens einen Blick werfen zu dürfen sich die Engel sehnen’ (1 Petr 1,12), hat er den Menschen geschenkt".(12) Die Neuheit der Selbstgabe Gottes findet ihren Ausdruck in der lebendigen Tradition, die folglich das genaue Gegenteil des Festhaltens am Alten oder gar Veralteten ist. Im Gegensatz dazu ist eine Häresie eine "Neuheit", die in eigenmächtigen menschlichen Neuerungen gründet und damit der Veraltung alles Irdischen ausgesetzt ist. Die Neuheit der kirchlichen Tradition wird nach Johann Adam Möhler gesichert "durch das göttliche Element, wodurch der Kirche Unverwüstlichkeit verliehen wird, durch den h[eiligen]. Geist, der in der Kirche wirkt und Alles, was an ihr wahrhaft Antheil nimmt, belebt".(13) Möhler beruft sich in diesem Zusammenhang auf Irenäus von Lyon:

"Die Predigt der Kirche ist überall unveränderlich und gleichbleibend. Sie ist durch die Propheten und Apostel und alle Jünger, wie ich gezeigt haben, bezeugt, durch Anfang, Mitte und Ende und durch die gesamte Heilsordnung Gottes und sein ganzes wirken zur Rettung des Menschen, die zu unserem Glauben gehört. Wir haben ihn von der Kirche empfangen und bewahren ihn. Er ist durch den Geist Gottes ständig als kostbare Hinterlage [depositum] wie in einem guten Gefäß jung und hält auch das Gefäß selbst [die Kirche!] jung, in dem er ist. Denn dieses Geschenk Gottes ist der Kirche anvertraut wie die Anhauchung des Geschöpfes, damit alle Glieder davon bekommen und leben. Und in ihm ist die Gemeinschaft mit Christus hinterlegt, das heißt der Heilige Geist, das Angeld der Unvergänglichkeit, die Stärkung unseres Glaubens und die Leiter für den Aufstieg zu Gott. ‘In der Kirche’, heißt es nämlich, ‘hat Gott Apostel, Propheten und Lehrer eingesetzt’, und alle anderen Wirkungen des Geistes. Daran haben alle die keinen Anteil, die nicht zur Kirche kommen; durch ihre falsche Lehre und durch übelste Praktiken bringen sie sich um das Leben. Denn wo die Kirche ist, da ist auch der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes ist, dort ist die Kirche und alle Gnade. Der Geist ist aber die Wahrheit. Die an ihm keinen Anteil haben, bekommen darum auch an den Brüsten der Mutter keine Nahrung zum Leben noch das klare Quellwasser, das aus Christi Leib hervorkam. Statt dessen graben sie sich Zisternen mit Rissen in Erdlöchern und trinken faules, kotiges Wasser. Sie fliehen vor dem Glauben der Kirche, um nicht überführt zu werden, und verwerfen den Geist, um nicht belehrt zu werden".(14)

Ebenso können wir von früher Zeit an implizite Infragestellungen der sakramentalen Denk- und Lebensform der Kirche feststellen, besonders deutlich im Bilderstreit und in den Eucharistiestreitigkeiten ab dem 9. Jahrhundert. Stets geht es um das Misstrauen, ob irdische Wirklichkeiten sakramentale Zeichen sein können, d.h. ob sie wahrhaft capax Dei sind. Auf einmal heißt es: Das alles ist nur Bild, nur Zeichen, nur endlich – anstatt die geschöpfliche Wirklichkeit als Ort lebendiger, wirksamer Gegenwart göttlichen Lebens zu sehen. Damit wächst die häretische Grundversuchung, die geschöpfliche Wirklichkeit abzutrennen von dem Leben, das sie von ihrem Schöpfer empfängt.

b. Die Reformationszeit wird zum Auslöser, um das implizite sakramentale Ungleichgewicht zu einem expliziten kirchlichen Bruch werden zu lassen. Mit Recht wahrgenommen wird die eine Versuchung, wie sie aus der Sakramentalität hervorgeht: die Reduktion des lebendigen göttlichen Wirkens auf das von Menschen gesetzte und gedeutete irdische Zeichen. Beantwortet wird diese Einseitigkeit jedoch mit der komplementären Versuchung: der ebenso eigenmächtigen Vertreibung Gottes aus den irdischen Zeichen, weil sie doch nur irdisch und endlich seien. Das Ergebnis ist jedenfalls die Auflösung dessen, was in einem sakramentalen Kirchenverständnis bei bleibender Unterscheidung zusammengehalten wird. Nun steht die sichtbare gegen die unsichtbare Kirche, der Papst als das irdische Haupt der Kirche gegen Christus als ihr himmlisches Haupt, katholisch gegen protestantisch als Konfessionsbezeichnungen. Ich verzichte auf Negativbeispiele, die sich zur Genüge finden lassen, und zeige an zwei herausragenden katholischen Theologen der Reformationszeit, wie sie theologisch mit der neuen Situation ringen. Nun reicht es nicht mehr, mit Irenäus von Lyon zu sagen: "Wo die Kirche ist, da ist auch der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes ist, dort ist die Kirche". Nun muss sorgfältig geprüft und argumentiert werden.

Als Beispiel führe ich den Dominikanertheologen und Thomas-Kommentator Thomas de Vio Cajetan (1469-1534) an, der 1518 im Auftrag des Papstes in Augsburg Luther verhörte und in theologische Dispute mit ihm trat. Kurz vor dem Ausbruch der reformatorischen Auseinandersetzungen schloss Cajetan im Jahre 1516 seinen Kommentar zur Secunda Secundae des Thomas von Aquin ab. In der Kommentierung zur Quaestio 39 "Über das Schisma" präzisiert er, "worin die Einheit der Kirche besteht, der das Schisma entgegengesetzt ist".(15) Er weiß, dass er dabei nur über die ecclesia militans, die streitende Kirche spricht, da der Leib Christi in der Vollendung des Himmels nicht gespalten ist. In einem ersten Schritt lautet die Antwort: Die Kirche ist eins aufgrund ihrer Einheit in Glaube, Hoffnung und Liebe sowie in den Sakramenten. Doch das reicht nach Cajetan nicht: Diese Einheit führt nur zu einer Ähnlichkeit in den einzelnen Glaubenden.(16) So geht Cajetan mit Thomas einen Schritt weiter: Die Einheit der Kirche erfordert die Einheit des Hauptes, die nicht nur durch Christus im Himmel, sondern auch durch seinen Stellvertreter auf Erden gewährleistet ist. Nicht von zwei Häuptern der Kirche spricht Cajetan, sondern von der sakramentalen Repräsentation Christi durch den Papst. Doch überraschenderweise gibt sich Cajetan noch nicht zufrieden: Die Hinordnung auf ein einziges Haupt macht die Gläubigen noch nicht eins, sondern lässt sie nur "unter einem" sein wie in jeder weltlichen Herrschaft.(17) Die Einheit der Kirche im eigentlichen Sinne wird gestiftet durch den Heiligen Geist, der alle ihre Glieder von innen eint und leitet und ihr (sakramentales) Zeichen - nicht im Papst!, sondern - in der "unitas synodi universalis" hat. Und erst auf diese Weise geschieht es, "dass zwischen Kirchen, die voneinander ganz und gar getrennt erscheinen, wie z.B. der Kirche von Schottland und der Kirche von Spanien, nicht nur eine Übereinstimmung in Glaube, Hoffnung, Liebe und in den Sakramenten besteht und nicht nur der Gehorsam gegenüber einem Haupt, sondern auch die Verbindung eines Teils mit dem anderen in einer einzigen Versammlung, die zunächst und wesentlich vom Heiligen Geist geleitet wird".(18)

Wie ernst Cajetan seine eigenen theologischen Prinzipien nimmt, zeigt die Grenzfrage, ob der Papst - der doch im CIC als Garant gegen das Schisma angeführt wird - selbst schismatisch werden könne. Ja natürlich, antwortet Cajetan. Denn zum einen ist die Einheit zwischen Kirche und Papst prinzipiell nicht unlöslich. Der Papst ist nicht die Einheit der Kirche, sondern ihr quasi-sakramentales Zeichen. Auch während einer Sedisvakanz ist die Kirche ja eins, ohne den Papst.(19) Wenn im konkreten Einzelfall dem Papst einfallen würde, die ganze Kirche zu exkommunizieren, dann wäre er selbst ipso facto ein Schismatiker und von dem einen Haupt der Kirche getrennt. Denn er handelt nur dann als Haupt der Kirche, wenn er sich als sich auf den Geist stützt, der der ganzen Kirche gegeben ist.(20)

In ähnlicher Weise argumentiert Cajetan sehr differenziert gegen Martin Luther (21), wie an anderer Stelle zu zeigen wäre.(22) Immer ist er geleitet von der Einsicht, dass die sakramentale Sicht der Kirche die radikalste Kritik impliziert, die man an ihr üben kann, denn sie verlangt von jeder geschichtlichen, dass sie sich als sakramentales Zeichen in den Dienst des göttlichen Lebens stellt, das aus der Offenbarung des Vaters in Sohn und Geist hervorgeht.

Nicht vorenthalten möchte ich Ihnen einen Fund im Werk von Kardinal Robert Bellarmin († 1621), der eher als Förderer des antiprotestantischen Zentralismus in die Geschichte einging und gegen Luthers Lehre von der unsichtbaren Kirche betonte, die Kirche sei so sichtbar und so greifbar wie die Republik Venedig. Derselbe Cajetan mahnt in seinen "Controversiae de Summo Pontifice" (1586), im päpstlichen Amt nicht die himmlische Herrlichkeit Christi zu sehen, sondern das endliche (sakramentale) Zeichen. Es entspricht der sterblichen Menschheit Jesu Christi, insofern sie als "Werkzeug"(23) der Gottheit diente, nicht der Herrlichkeit des Auferstandenen: "Wir sagen daher, der Papst habe jene Aufgabe, die Christus hatte, als er auf Erden unter den Menschen auf menschliche Weise lebte; denn wir können dem Pontifex nämlich nicht die Ämter zuteilen, die Christus innehat, insofern er Gott ist oder insofern er unsterblicher und verherrlichter Mensch ist, sondern nur diejenigen, die er als sterblicher Mensch hatte".(24) Bellarmin distanziert sich damit klar von der extremen Auslegung der Zwei-Schwerter-Lehre durch Bonifaz VIII., die dem Papst auch die höchste weltliche Gewalt zugesprochen hatte.

c. Wir müssen eingestehen, dass sich in der Nachreformationszeit im Zuge der antiprotestantischen Polemik eine unsakramentale, ja antisakramentale Denkweise durchgesetzt hat. Das Bild der Orthodoxie wurde mehr und mehr geformt nach dem Modell des Protestantismus. Das wird etwa offenkundig bei der Union von Brest im Jahre 1596, als Papst Clemens VIII. das sakramental geprägte, schwesterkirchliche Bewusstsein der ruthenischen Bischöfe mit der unsakramentalen Verabsolutierung seines Einheitsdienstes beantwortete.(25) Die Inkonsequenz, dass der Papst auf der einen Seite den ruthenischen Bischöfen das Kirche-sein abspricht, da ihnen die Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl fehle, sie zugleich aber als wahre Bischöfe anspricht, lässt sich aus den noch nicht ganz verblassten Erinnerungen an eine tiefere, sakramentale Tradition verstehen. Vollends setzte sich die Identifikation der wahren Kirche mit der Bindung an den Nachfolger Petri in Rom durch, als im Jahre 1729 die römische Kongregation für die Ausbreitung des Glaubens die communicatio in sacris mit den nicht-unierten Kirchen verbot. Damit wurde rechtsverbindlich die theologische Meinung festgeschrieben, dass jenseits der kanonischen Grenzen der vom Papst geleiteten lateinischen Kirche die Sakramente wenn schon gültig, so doch nicht legitim gefeiert würden.(26)

d. Ein Neuaufbruch kündigt sich an in der Person des bereits zitierten katholischen Theologen Johann Adam Möhler und seiner Hinwendung zur Patristik. Mit ihm beginnt eine Wiedergewinnung des frühkirchlichen Reichtums sakramentalen Denkens und Handelns im Heiligen Geist. Allerdings handelt es sich nicht etwa um eine Rückkehr zur Vergangenheit, sondern um eine vertiefe Bewusstwerdung der Kirche über sich selbst, ohne der Versuchung begrifflicher Sicherstellung zu erliegen. Der von Möhler gewiesene Weg führt zur ekklesiologischen Erneuerung des II. Vatikanischen Konzils.

4. Eine sakramentale Theologie der Schwesterkirchen

Das sakramentale Verständnis der Kirche im II. Vaticanum brachte die Ermutigung mit sich, die Endlichkeit und Partikularität der geschichtlichen Gestalt der Kirche ins Auge zu fassen - übrigens in derselben Zeit, in der in der Philosophie eine Neubesinnung auf die Endlichkeit eingesetzt hatte, etwa in Martin Heideggers "Sein und Zeit". Die "ecclesia particularis" trat in den Blick - nicht als Teil, der mit anderen Teilen zu einem Ganzen addiert werden müsste, sondern als partikulare geschichtliche Gestalt, die doch zum sakramentalen Zeichen der einen und ungeteilten Kirche Jesu Christi wird. "Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche".(27) Dass sie ihrer sakramentalen Berufung entsprechen, zeigt sich daran, dass sie untereinander in eine verbindliche Communio treten. Unter dem Aspekt ihrer Communio erweisen sich die Teilkirchen als Schwesterkirchen.(28) Damit eröffnet sich ein hoffnungsvoller Horizont ekklesialer Theologie und Praxis, der noch bei weitem nicht abgeschritten ist. Ich hebe im folgenden zwei Aspekte hervor, insofern sie der Klärung unseres Themas dienen.

a. Ein sakramentales Verständnis der Kirche ist immer auch und zuerst gegen die Kirche anzuwenden, die es bezeugt - nicht aus moralischen, sondern aus geistlich-theologischen Gründen: Das sakramentale Zeichen, das die Kirche ist, bezeugt nicht sich selbst, sondern Christus als das "Licht der Völker". Die katholische Kirche, die die sakramentale Wirklichkeit der Schwesterkirchen bekennt, muss auf dem Weg bleiben, den anti-protestantischen Zentralismus zu überwinden und sich selbst als Communio von Lokalkirchen zu sehen und zu vollziehen. Die katholischen Teilkirchen können auf diese Weise zugleich lernen, sich als Schwesterkirchen gegenüber allen Kirchen zu erweisen, die außerhalb der kanonischen Grenzen der römisch-katholischen Kirchen als wahre Teilkirchen anerkannt werden. Dies gilt vorrangig von den Kirchen des Ostens, von denen die Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre "Dominus Iesus" (6. August 2000) sagt: "Die Kirchen, die zwar nicht in vollkommener Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, aber durch engste Bande, wie die apostolische Sukzession und die gültige Eucharistie, mit ihr verbunden bleiben, sind echte Teilkirchen. Deshalb ist die Kirche Christi auch in diesen Kirchen gegenwärtig und wirksam, obwohl ihnen die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche fehlt, insofern sie die katholische Lehre vom Primat nicht annehmen".(29)

Auf diesem Lernweg ist die katholische Kirche noch am Anfang, wenn es auch nicht an positiven Zeichen fehlt: Dazu gehört die Bereitschaft des Bischofs von Rom, seinen Primat in der Enzyklika "Ut unum sint" über den Einsatz für die Ökumene (25. Mai 1995) im wahrsten Sinne des Wortes "in Frage zu stellen", um im gemeinsamen Hören auf den Geist Gottes "eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet".(30) Dazu gehören die Vergebungsbitten der katholischen Kirche für die geschichtlichen Verfehlungen. Das umstrittene "subsistit" aus Lumen Gentium 8 wird auf diese Weise einer Bewährung unterzogen und auf seinen sakramentalen Sinn zurückgeführt: Derselbe Artikel, der betont, dass die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche des Glaubensbekenntnisses verwirklicht ist [subsistit] in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird", erinnert ja in seinem zweiten Teil daran, dass diese katholische Kirche "zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig [ist], sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung". Mittlerweile lässt sich in der katholischen Kirche die gegenläufige Tendenz feststellen, in Abkehr von einer exklusiven Identifikation der römisch-katholischen Kirche mit der Kirche Jesu Christi das "subsistit" als eine unpräzise Relativierung zu verwenden. Die klare Aussage der Moskauer Synode vom August 2000 in ihrem Dokument über "Die russische orthodoxe Kirche und die Andersgläubigen"(31) - "Die orthodoxe Kirche ist die wahre Kirche Jesu Christi" - ist in dieser Situation eine heilsame Erinnerung an den "sakramentalen Ernst" der Kirche; sie steht zu dem "subsistit" des II. Vatikanischen Konzils keineswegs im Widerspruch, sondern entspricht ihr in einer sakramentalen Interpretation: Die orthodoxe Kirche ist wahres Sakrament der Kirche Jesu Christi. So formulierte es bereits in den 1930er Jahren der russische orthodoxe Theologie Sergij Bulgakov: "Die Orthodoxie ist die Kirche Christi auf Erden. Die Kirche Christi ist keine Institution, sondern das neue Leben mit Christus und in Christus, das vom Heiligen Geist geleitet wird".(32) In der Interpretation des "subsistit" hat die katholische Kirche sich neu zu orientieren an der christologischen Terminologie, die von der Subsistenz der menschlichen Natur in der göttlichen Person spricht und damit keineswegs eine Abschwächung der "Identität" Jesu Christi ausspricht, sondern seiner Menschennatur ganz im Gegenteil eine unverlierbare göttliche Identität zuspricht.

b. Nicht übergangen werden darf das Verhältnis einer Theologie der Schwesterkirchen zum Primat des Bischofs von Rom.(33) Die wesentliche theologische Streitfrage bezüglich der Schwesterkirchen dürfte ja im orthodox-katholischen Dialog dieselbe sein wie im katholisch-reformierten Gespräch: Bleibt die Einheit des Leibes Christi, die den Teilkirchen als Schwesterkirchen innewohnt, eine schlechthin transzendente Wirklichkeit - oder entspricht ihr eine Gestalt der Einheit in der Geschichte? Das katholische Bekenntnis zum Primat des Papstes als Bischof von Rom plädiert für die Vollständigkeit der sakramentalen Ordnung, in der die geschichtlich reale Gegenwart und die unverfügbare Entzogenheit des göttlichen Geheimnisses für die gesamte Gestalt der kirchlichen Gemeinschaft miteinander verbunden bleiben. Sie bezeugt damit die umfassende Berufung des kirchlichen Lebens zur sakramentalen Teilhabe an der Sendung Jesu Christ im Heiligen Geist. Die reformierte und die orthodoxe Tradition verabschieden sich an je verschiedener Stelle aus dieser sakramentalen Ordnung: In der lutherischen und in der reformierten Tradition herrscht die Lehre von der ecclesia invisibilis, der wesentlich unsichtbaren Kirche, vor. Auf ein sichtbares Zeichen der Einheit wird verzichtet unter Berufung auf Christus, das unsichtbare Haupt der Kirche im Himmel.

Liegt nicht eine Art "verzögerte Protestantisierung" in der orthodoxen Theologie vor, insofern sie die sakramentale Repräsentation des Leibes Christi bis zum Bischofsamt für konstitutiv und unverzichtbar erklärt, darüber hinaus aber kein verbindliches Zeichen kirchlicher Communio gelten lässt? Patriarch Dimitrios I. formulierte am Andreasfest 1973 die orthodoxe Überzeugung, dass das Kollegium der Bischöfe kein Haupt auf Erden, sondern allein den Herrn Jesus Christus über sich anerkennt: "nous sommes obligés de répéter et de souligner encore une fois que, dans la chrétienté, aucun évêque ne posséde de privilége universel, divin ou humain, sur l’Église une, sainte, catholique et apostolique du Christi, mais que nous tous - soit á Rome, soit en cette ville de Constantinople, soit dans quelque autre ville, quelle que soit sa position dans la hiérarchie ecclésiastique ou dans le monde politique -, nous exerçons notre charge episcopale dans la collégialité pure et simple, sous un seul pontife suprême, qui est la tête de l’Église, notre Seigneur Jésus-Christ".(34) Es ist bezeichnend, dass die Antwort nicht in einer theologischen Belehrung bestand, sondern in einer bewegenden Geste: Am 14. Dezember 1975 fiel Papst Paul VI. vor dem Abgesandten von Patriarch Dimitrios von Konstantinopel auf die Knie und umarmte seine Füße; er kehrte damit die Geste um, die sein Vorgänger Papst Eugen IV. 1438 vom Gesandten des damaligen Patriarchen von Konstantinopel verlangt hatte. Patriarch Dimitrios erkannte und anerkannte in dieser Geste die Wahrheit des "ersten Bischofs der Christenheit", die ihm in der katholischen Primatslehre nicht einleuchtete: "Avec cette manifestation, le trés vénérable et á nous trés cher frére, le pape de Rome Paul VI, s’est surpassé lui-même et a montré á l’Église et au monde ce qu’est et que peut être l’évêque chrétien et surtout le premier évêque de la chrétienté : une force de réconciliation et d’unification de l’Église et du monde".(35)

Verlässt aber die katholische Kirche nicht selbst ihre Theologie der Schwesterkirchen, indem sie für sich in Anspruch nimmt, die "Mutterkirche" zu sein? Die "Note über den Ausdruck Schwesterkirchen der Kongregation für die Glaubenslehre (30. Juni 2000) betont: "Schwesterkirchen im eigentlichen Sinne sind einzig die Teilkirchen untereinander (oder die Zusammenschlüsse von Teilkirchen, z.B. die Patriarchate untereinander oder die Kirchenprovinzen untereinander). Es muss immer klar bleiben - selbst wenn der Ausdruck Schwesterkirchen in diesem eigentlichen Sinne verwendet wird -, dass die universale Kirche, die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, nicht die Schwester, sondern die Mutter aller Teilkirchen ist".(36) Hier ist ohne Zweifel unter der "Mutterkirche" die katholische Kirche im nichtkonfessionellen Sinne gemeint. Im sakramentalen Sinne bedeutet also die Rede von der "Mutterkirche" keine Entfremdung der Ortskirchen als Schwesterkirchen, sondern bekräftigt im Gegenteil deren Würde. Von dieser "Mutterkirche" kann in verschiedenem Sinn gesprochen werden. In einem umfassenden historischen Sinne ist die Kirche von Jerusalem die "Mutter aller Kirchen", denn von hier aus nahm die Verkündigung des Evangeliums ihren Ausgang. In einem engeren historischen Sinne kann diejenige (Lokal-) Kirche als "Mutterkirche" bezeichnet werden, die eine andere Lokalkirche durch ihre Verkündigung eingepflanzt hat oder zu ihr in einem Verhältnis besonderer Verantwortung steht. Die "Note" der Glaubenskongregation spricht von der "Mutterkirche" nicht in diesem historischen, sondern im theologischen Sinne, der sich allerdings auf geschichtliche Wirklichkeiten bezieht: Sie bezeichnet damit die eine Kirche Jesu Christi, insofern sie allen geschichtlichen Gestalten der Kirche vorausliegt, diese hervorbringt und zur Einheit verbindet. Diese "Mutterkirche" ist das himmlische Jerusalem, von dem es Gal 4,26 heißt: Das himmlische Jerusalem aber ist frei, und dieses Jerusalem ist unsere Mutter (vgl. Hebr 12,22; Offb 21,2). Das Herabsteigen des himmlischen Jerusalem ist eine eschatologische Verheißung (vgl. Offb 21,2) und zugleich im Pfingstereignis bereits verborgen mitten in der Geschichte angebrochen.

Ist also die katholische Kirche die Mutterkirche, in der das himmlische Jerusalem herabgestiegen ist? Die "Note" aus Rom spricht hier weit bescheidener als viele ihrer Kommentatoren: Die Kirche von Rom ist zunächst selbst eine Teilkirche, sie ist Schwesterkirche jeder anderen Teilkirche, z.B. des Bistums Würzburg. Die Kirche von Rom ist als Sitz des Patriarchen des Abendlands Schwesterkirche der übrigen Patriarchate. In ihrer Berufung zur sakramentalen Repräsentation der Mutterkirche, d.h. der einen Kirche Jesu Christi, bezeugt die Kirche von Rom eine Wirklichkeit, die zugleich das Geheimnis jeder Lokalkirche ausmacht. Dieser Dienst ist auf sakramentale Weise zu vollziehen, d.h. im aufmerksamen Hören auf das, was der Geist den Gemeinden sagt (Offb 3,22), nicht etwa als eine äußere Überfremdung der übrigen Lokalkirchen durch die begrenzten Einsichten einer Lokalkirche. Ohne ein solches sichtbares, quasi-sakramentales Zeichen der Einheit aller Teilkirchen fehlte etwas am Zeugnis der Kirche Jesu Christi. Diese kritische Rückfrage ist gegenüber der Orthodoxie ebenso aufrechtzuerhalten wie gegenüber der reformatorischen Tradition. Die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen in ihrer Gesamtheit sind nicht "zwei Kirchen" nebeneinander; die katholische Communio der Kirchen sowie die orthodoxen Kirchen sind vielmehr gemeinsam als Schwesterkirchen sakramentaler Ausdruck der einen und einzigen Kirche Jesu Christi auf der Suche nach der je glaubwürdigeren Gestalt des sakramentalen Zeichens ihrer Einheit.

Die Vollständigkeit der sakramentalen Ordnung der Kirche, die auch den Primat des Bischofs von Rom in einer sakramentalen Weise verstehen lässt, gibt im Grunde dem reformatorischen Prinzip des solus Christus und des sola gratia Recht: Kein Vollzug im Leben der Kirche darf sich als "rein menschlich" außerhalb der Berufung stellen, der Liebe Gottes und der Sendung Christi und seines Geistes zum Heil der Menschen geschichtlich Raum zu geben. Eine sakramentale Konzeption der Kirche bedeutet die größtmögliche Relativierung des kirchlichen Lebens, das nie um seiner selbst willen da ist, sondern sich der lebendigen Führung des im Heiligen Geistes gegenwärtigen Herrn zu überlassen hat.

So kann der päpstliche Primat als das "Haupthindernis" zugleich eine "Hauptmöglichkeit" für die Wiederherstellung der vollen kirchlichen Gemeinschaft im Zeichen der Schwesterkirchen werden. Orthodoxe Theologen weisen selbst darauf hin, "dass es für die Zukunft der Orthodoxie von entscheidender Bedeutung sein wird, angemessene Lösungen für das Problem der Autokephalie zu finden, damit innere Einheit und gemeinsame Handlungsfähigkeit der Orthodoxie nicht verloren gehen bzw. wieder hergestellt werden"; gerade die konkrete Erfahrung der Orthodoxie zeigt, dass "die Problematik der Autokephalie auf die Notwendigkeit eines Organs der Einheit verweist, das freilich in der richtigen Balance mit der Eigenverantwortung der Ortskirchen stehen muss: Kirche kann und darf nicht Monarchie des Papstes sein, sondern hat ihre Fixpunkte in der Communio der Bischöfe, in der es einen Dienst ihrer Einheit untereinander gibt - einen Dienst also, der die Verantwortung der Bischöfe nicht aufhebt, sondern ihr zugeordnet ist".(37) Der Primat als Dienst an der verbindlichen Communio von Schwesterkirchen gilt auch als Angebot an reformatorische Tradition: Haben nicht die aus der Reformation hervorgegangenen Gemeinschaften ein lebendiges Gespür dafür, wie schwierig es ist, ein Organ ihrer weltkirchlichen, "katholischen" Dimension zu finden? Davon zeugt nicht zuletzt das Ringen um den ekklesiologischen Status der Weltbünde wie auch des Weltkirchenrates.

5. "Streit" um die Wahrheit als geistliches Geschehen

Abschließend ein Wort zum Untertitel des Vortrags: "Wie wird der Streit um die religiöse Wahrheit geführt?" Auch was "Streit" zu sein hat, misst sich am sakramentalen Verständnis der Kirche. In unserer täglichen Erfahrung ist der Streit oft ein Kampf um das Rechtbehalten gegen den anderen. Wo wir von "Streitkultur" und vom Respekt vor der Meinung des anderen sprechen, bleibt es oft am Ende bei einer unverbundenen und unverbindlichen Nebeneinander. Solchen Streit gab und gibt es viel. Er führt oft die Spaltung herbei, die er überwinden will. Theologen haben an diesem Streit nicht selten in unheilvoller Weise mitgewirkt. Der Streit um die Wahrheit des Glaubens müsste sich demgegenüber als ein Streit füreinander erweisen. Streit im sakramentalen Horizont ist das Wetteifern um die Treue zum Wirken des Geistes Gottes in der Nachfolge Christi. Er ist getragen von der Überzeugung, dass die Wahrheit des Glaubens durch unser Denken und Argumentieren nicht erst hergestellt wird, sondern in der Schwachheit unseres endlichen Erkennens geschenkt ist und bezeugt werden kann. In der sakramental verstandenen Bezeugung der Wahrheit des Glaubens ist es möglich, geradezu kontradiktorische Formulierungen der Glaubenslehre als Ausdruck des einen, gemeinsamen Glaubens anzuerkennen. So wurde in den Dialogen zwischen der katholischen Kirche und den altorientalischen Kirche ein weitreichender Konsens darüber erzielt, dass die ehemals als "häretisch" deklarierten christologischen Formulierungen im Geist der einen Kirche als rechtgläubiger Ausdruck des gemeinsamen Glaubens betrachtet werden können.(38) Der Streit um den rechten Glauben drängt uns nicht nur zu theologischen Konsensdokumenten, sondern zu Schritten der Anerkennung ekklesialer Realitäten.

Der Streit des Glaubens ist letztlich ein Kampf für das wahre, erfülltere Leben, ein Kampf gegen alle Mächte und Gewalten, die sich dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe widersetzen und nicht immer von Fleisch und Blut sind (vgl. Eph 6,12), ein Kampf, der weiß, dass die Überwindung von Häresie und Schisma sich einschreibt in die Überwindung der Urhäresie der Trennung der Schöpfung von ihrem Schöpfer, die uns durch das Kreuz Christi erworben ist und nicht aus menschlicher Versöhnungsbereitschaft allein zu leisten ist, ein apokalyptischer Kampf in der Wegbereitung für die Wiederkunft des Herrn und die neue Schöpfung im Heiligen Geist. Die griechische Theologin Kyriaki Karidoyanes spricht diese "ökumenische Agonie" in ihrer schmerzlichen Realität an: "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle geistlich unvollkommen in ökumenische Dialoge eintreten. Wir fangen unseren Austausch schon in Isolation voneinander an, eine Folge unserer geschichtlichen Spaltungen. Schon unsere fortgesetzte Trennung verwundet uns, sie verletzt uns auf einer geistlichen Ebene [nicht nur als Individuen, sondern auch als Kirche!]. Das beeinflusst alles, was wir tun, einschließlich der Art und Weise, wie wir entscheiden".(39) "Dieser Schmerz muss immer vor uns sein, soll unser Dialog redlich sein. Die «Agonie» unseres Schmerzes mag tatsächlich ein wichtiger Faktor sein im «Agon», im Streit oder Wettkampf für den großen Lohn unseres Zusammenkommens in dem einen Geist und Herz und in der einen Koinonia in Christus".(40) Bleiben wir gemeinsam auf diesem Weg!

  1. "Dicitur haeresis, pertinax, post receptum baptismum, alicuius veritatis fide divina et catholica credendae denegatio, aut de eadem pertinax dubitatio; apostasia, fidei christianae ex toto repudiatio; schisma, subiectionis Summo Pontifici aut communionis cum Ecclesiae membris eidem subditis detrectatio".

  2. "Nam haeresis per se opponitur fidei; schisma autem per se opponitur unitati ecclesiasticae caritatis ... Et hoc est quod Hieronymus dicit, in epistola ad Gal. [In Titum 3,10: PL 26,598A]: ‘Inter schisma et haeresim hoc interesse arbitror, quod haeresis perversum dogma habet, schisma ab Ecclesia separat.’": STh II-II, qu. 39, a. 1, ad 3. Es handelt sich um die Einheit, "quam caritas facit. Quae non solum alteram personam alteri unit spirituali dilectionis vinculo, sed etiam totam Ecclesiam in unitate spiritus": ebd. resp.

  3. "directe et per se": STh II-II, qu. 39, a. 1, resp.

  4. "divisio hominis a Deo per peccatum non est intenta a peccante, sed praeter intentionem ejus accidit ex inordinata conversione ipsius ad commutabile bonum. Et ideo non est schisma, per se loquendo": STh II-II, qu. 39, a. 1, ad 1.

  5. Can. 747 §1: "Ecclesiae, cui Christus Dominus fidei depositum concredidit ut ipsa, Spiritu Sancto assistente, veritatem revelatam sancte custodiret, intimius perscrutaretur, fideliter annuntiaret atque exponeret, officium est et ius nativum, etiam mediis communicationis socialis sibi propriis adhibitis, a qualibet humana potestate independens, omnibus gentibus Evangelium praedicandi".

  6. Dass die sogenannte "Einheitsübersetzung" das Wort "leibhaftig" (corporaliter) ausläßt, deutet nicht zuletzt auf eine Mangel in der Wahrnehmung der ekklesialen Bedeutung der Inkarnation hin.

  7. Der Hirte des Hermas (um 150 n. Chr.), Zweites Gesicht, 4. Kap., Abschnitt 1.

  8. Johann Adam Möhler, Die Einheit in der Kirche oder das Prinzip des Katholizismus. Dargestellt im Geistes der Kirchenväter der drei ersten Jahrhunderte. Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Josef Rupert Geiselmann, Köln - Olten 1956, 57f.

  9. LG 1.

  10. Wo veröffentlicht?

  11. Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. von Eberhard Bethge, Gütersloh 151994, 156 [aus: Gedanken zum Tauftag von D.W.R. - Mai 1944].

  12. Irenäus von Lyon, Adv. haer. IV, 34,1: "Si autem subit vos huiusmodi sensus, ut dicatis: Quid igitur novi dominus attulit veniens? Cognoscite quoniam omnem novitatem attulit semetipsum afferens, qui fuerat annuntiatus. Hoc enim ipsum praedicabatur, quoniam novitas veniet innovatura et vivificatura hominem ... semetipsum enim attulit et ea ..., ‘in quae concupiscebant angeli intendere’, donavit hominibus".

  13. Dr. Johann Adam Möhler’s Patrologie, oder christliche Literärgeschichte. Aus dessen hinterlassenen Handschriften mit Ergänzungen herausgegeben von Dr. Franz Xaver Reithmayr. Erster Band, Die ersten drei Jahrhunderte, Regensburg 1840; zu Irenäus v. Lyon: 330-394.

  14. Irenäus von Lyon, Adv. haer. III, 24,1: "praedicatione autem ecclesiae undique constante et aequaliter perseverante et testimonium habente a prophetis et ab apostolis et ab omnibus discipulis, quemadmodum ostendimus, per initiat et medietates et finem et per universam Dei dispositionem et eam quae secundum salutem hominis est solidam operationem quae est in fide nostra: quam perceptam ab ecclesia custodimus, et quae semper a spiritu Dei quasi in vaso bono eximium quoddam depositum iuvenescens et iuvenescere faciens ipsum vas in quo est. Hoc enim ecclesiae creditum est Dei munus, quemadmodum aspiratio plasmationi, ad hoc ut omnia membra percipientia vivificentur; et in eo deposita est communicatio Christi, id est Spiritus sanctus, arrha incorruptelae et confirmatio fidei nostrae et scala ascensionis ad Deum. ‘In ecclesia’ enim, inquit, ‘posuit Deus apostolos, prophetas, doctores’, et univerasm reliquam operationem spiritus, cuius non sunt participes omnes qui non concurrunt ad ecclesiam, sed semetipsos fraudant a vita per sententiam malam et operationem pessimam. Ubi enim ecclesia, ibi et spiritus Dei; et ubu spiritus Dei, illic ecclesia et omnis gratia: Spiritus autem veritas. Quapropter qui non participant eum, neque a mamillis matris nutriuntur in vitam neque percipiunt de corpore Christi procedentem nitidissimum fontem, sed effodiunt sibi lacus detritos de fossis terrenis, et de caeno putidam bibunt aquam, effugientes fidem ecclesiae ne traducantur, reicientes vero spiritum ut non erudiantur".

  15. "in quo consistit unitas Ecclesiae cui opponitur schisma": zu STh II-II, 39,1, I. Cajetans Kommentar ist abgedruckt in der "Editio Leonina" der Werke des Thomas von Aquin, hier: Bd VIII, Rom 1895.

  16. "si fideles non haberent aliam unitatem, Ecclesia non esset, proprie loquendo, una; sed fideles essent similes in praedictis": zu STh II-II, 39,1, II.

  17. "si apud fideles nulla alia esset unitas, Ecclesia non diceretur una, sed sub uno: essent enim fideles sicut multa regna sub uno rege": ebd.

  18. "Et hinc fit ut unter ecclesias quae videntur omnino separatae, puta Scotiae et Hispaniae, non solum sit convenientia in fide, spe, caritate, sacramentis et obedientia ad unum caput; sed etiam colligatio partis ad partem in una numero congregatione, quae primo et principaliter regitur a Spiritu Sancto": ebd. Es ist bemerkenswert, dass Cajetans Theologie des päpstlichen Dienstes von einer Theologie der Einheit der Kirche im Heiligen Geist umgriffen ist und dass er in diesem Rahmen unbefangen von den "Kirchen" im Plural innerhalb der einen Kirche Jesu Christi sprechen kann.

  19. "sede vacante, Ecclesia est una sine ulla persona Papae": ebd. VI.

  20. "esset schismaticus per separationem sui ab unitate capitis. Ligatur siquidem persona sua legibus officii sui quoae Deum ... Ecclesia est in Papa quando ipse se habet ut Papa, ut caput Ecclesiae. Quando autem ipse nollet se habere ut caput eius, neque Ecclesia in ipso, neque ipse in Ecclesia esset": ebd.

  21. Vgl. Cajetans Antwort auf die "Resolutio Lutheriana super propositione XIII. de potestate papae (WA 2, 185-240), in: De divina institutione pontificatus Romani Pontificis (1521), hg. v. Friedrich Lauchert (Corpus Catholicorum 10), Münster 1925, v.a. cap. III.

  22. Vgl. Barbara Hallensleben, Communicatio. Anthropologie und Gnadenlehre bei Thomas de Vio Cajetan (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 123), Münster 1985, 523-536.

  23. Thomas von Aquin bezeichnet die Menschheit Christi als "instrumentum coniunctum" der Gottheit und die Sakramente als "instrumentum separatum": STh III, 62,5; wir könnten auch den Papst ein solches "instrumentum separatum" nennen, das in der Verbindung mit dem "instrumentum coniunctum" der Menschheit Christi sakramentale Wirksamkeit gewinnt.

  24. "Dicimus igitur, Papam habere illud officium quod habuit Christus, cum in terris inter homines humano more viveret; neque enim Pontifici possumus tribuere officia, quae habet Christus ut Deus, vel ut homo immortalis et gloriosus, sed solum ea, quae habuit ut homo mortalis": Robert Bellarmin, Opera omnia, Bd II, Paris 1870, 151.

  25. Vgl. A. G. Welykyi (Hg.), Documenta unionis Berestensis eiusque auctorum (1590-1600) (Analecta OSBM Ser. II, Sec. III), Romae 1970, 68-75; 80f.; 217-225.

  26. Vgl. Ernst Christoph Suttner, Die Christenheit aus Ost und West auf der Suche nach dem sichtbaren Ausdruck für ihre Einheit (Das östliche Christentum 48), Würzburg 1999, 187-192.

  27. LG 23.

  28. Die verschiedenen Bedeutungen der Worte "Teilkirche", "Ortskirche", "Lokalkirche" in den verschiedenen kirchlichen Horizonten sind zu beachten, aber in unserem Zusammenhang sekundär.

  29. Nr. 17.

  30. UUS 95.

  31. Der russische Text findet sich auf der Homepage des Moskauer Patriarchats unter: www.russian-orthodox-church.org.ru/s2000r13.htm.

  32. Sergij Bulgakov, Die Orthodoxie. Die Lehre der orthodoxen Kirche, übersetzt und eingeleitet von Thomas Bremer, Trier 1996, 15. Diese Aussage bildet den ersten Satz des gesamten Werkes.

  33. Ausführlichere Überlegungen dazu in: Barbara Hallensleben, Kirchliche Communio im Zeichen der Schwesterkirchen. Eine orthodox-katholische Frage im Gespräch mit reformierter Theologie, in: Martin Klöckener / Arnaud Join-Lambert, Liturgia et Unitas. Festschrift für Bruno Bürki, Fribourg - Genf 2001, 241-264.

  34. Le livre de la Charité (= französische Fassung des "Tomos Agapis", Rom - İstanbul 1971), Paris 1984, 63; vgl. Fr. Bouwen, Visite d’une délégation romaine au Patriarcat ścuménique, dans: Proche-Orient chrétien 24 (1974) 58-67. Der letzte Satz entspricht fast wörtlich der Formulierung Luthers: "allein Christus im Himmel ist hier das Haupt und regiert allein”: WA 6, 298.

  35. Le livre de la Charité, 187-189.

  36. Nr. 10

  37. Briefwechsel zwischen Metropolit Damaskinos und Joseph Cardinal Ratzinger, in: Joseph Cardinal Ratzinger, Weggemeinschaft des Glaubens. Kirche als Communio. Festgabe zum 75. Geburtstag, Augsburg 2002, 203f. (Kardinal Ratzinger an Metropolit Damaskinos).

  38. v
  39. Vgl. z.B. die "Erklärung über die Christologie" der Gemeinsamen Kommission der römisch-katholischen und der koptisch-orthodoxen Kirche, in: Orthodoxie im Dialog. Bilaterale Dialoge der orthodoxen und der orientalisch-orthodoxen Kirchen 1945-1997. Eine Dokumentensammlung, herausgegeben und bearbeitet von Thomas Bremer, Johannes Oeldemann und Dagmar Stoltmann, Trier 1999, 501-503.

  40. Bild Christi und Geschlecht. "Gemeinsame Überlegungen” und Referate der Orthodox-Altkatholischen Konsultation zur Stellung der Frau in der Kirche und zur Frauenordination als ökumenischem Problem. Levadia (Griechenland) und Konstancin (Polen) 1996, hg. von Urs von Arx und Anastasios Kallis: Internationale Kirchliche Zeitschrift 38 (1998) Heft 2/422. Bern 1998, 233f.

  41. Ebd. 234.