OKI-Logo Zum Problem der Ausweisung
katholischer Geistlicher
aus Russland


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  1. Die Verweigerung eines Einreisevisums für mittlerweile fünf katholische Priester nach Russland hat zunächst wenig zu tun mit kirchlichen Spannungen. Das sind politische Entscheidungen. So auch einer der Ausgewiesenen Stefano Caprio im Avvenire.
  2. Ich glaube, Erzbischof Kondrusiewicz handelt richtig, wenn er der russischen orthodoxen Kirche immer wieder versichert, sie sei eine Schwesterkirche der katholischen Orts-Kirchen (Dominus Jesus Nr. 17) und Kardinal Kasper handelt richtig, wenn er auf Zurückhaltung bei Kritik an der russischen Kirche drängt.
    Besuche von Bistümern in Moskau usw. sind jetzt angesagt, die italienischen Bistümer gehen da mit gutem Beispiel voran, Bischof em. Franz Xaver Eder von Passau wird im Oktober einen Abschiedsbesuch beim Patriachat Moskau machen. Solche Besuche stärken die katholische Ortskirche, die orthodoxen Gesprächspartner sehen die Vielfalt der katholischen Kirchen.
  3. Solche Besuche dienen auch dem Abbau von Vorurteilen. Dass wir heute die orthodoxe Kirche Russlands verantworlich machen für die Verweigerung des Visums für einen katholischen Priester, liegt daran, dass wir der Meinung sind, die russische Kirche habe einen besonderen Einfluss auf den russischen Staat. Das Gegenteil ist richtig. Die orthodoxen Kirchen sind seit Kaiser Konstantin meist Teil des Staates, die russische Kirche seit Peter I. 1700 ein Teil der Kultusverwaltung, von einem Staatsbeamten gelenkt, blieb Teil des Staatsapparates bis 1990, hat also nur zwölf Jahre Zeit bis heute, sich zu einem Partner des Staates zu entwickeln.
    Auch in Deutschland waren die protestantischen Kirchen bis zum Ersten Weltkrieg Teil der Kultusverwaltung des Staates, in Bayern hat der König die katholischen Bischöfe ernannt bis 1918 und die Domkapitel waren bis 1918 die staatlichen Kontrollorgane des Königs gegen die Pfarrer - immerhin hatten die Kirchen in Deutschland also bis heute von 1918 an fast achtzig Jahre Zeit, ein eigenes Selbstbewusstsein gegenüber dem Staat zu entwickeln - die russische zwölf Jahre.
  4. Ein zweites Vorurteil ist, dass Russland ein Rechtsstaat ist in unserem Sinne. Das muss Russland noch werden. Ich lese gerade ein Buch über die Verfolgung und Schikanierung der lutherischen Pfarrer im ehemaligen Königreich Hannover nach der Eroberung des Landes durch Preussen 1866. Von 1866 bis 1914 wurden lutherische und katholische Pfarrer strafversetzt oder in Pension geschickt, wenn sie im Verdacht standen, dem hannoverschen König nachzutrauern oder ihn im bayrischen Exil zu besuchen, oder zu wenig für den preussischen zu beten. Nach 1914 bis heute hatte Preussen immerhin achtzig Jahre Gelegenheit, sich zu einem Rechtsstaat zu entwickeln. Russland sollten wir die Gelegenheit auch zubilligen, zwölf Jahre reichen nicht.
    In Russland sind über zweihundert orthodoxe Priester an ihrem Dienst gehindert, zwangspensioniert, ins entfernte Ausland geschickt, weil sie irgendwelchen Regierungsleuten oder Politikern zu nahe getreten sind, z.B. die Tschetschenienpolitik kritisiert haben.
    Bei den katholischen Priestern aus dem Ausland kann der Staat das Mittel des Visums anwenden, das trifft jemanden, der besonders scharf politisch kritisiert hat, oder jemanden, der eben geschickt denunziert wurde, man braucht ihn nicht zwangsweise zu pensionieren, sondern verweigert ihm Visum oder Aufenthaltsgenehmigung. So ein Visumsentzug führt zu einem Aufschrei in der internationalen Presse, von den schikanierten orthodoxen Priestern in Russland spricht niemand im Ausland.
    Wenn Kirche oder Staaten sich für Religionsfreiheit in Russland einsetzen, dann sollten sie nicht nur die wenigen Fälle von katholischen Priestern nennen, sondern auch von schikanierten orthodoxen Priestern sprechen.
  5. Wir sollten noch einen Faktor beachten: die katholischen Gemeinden in Russland haben einen starken polnischen Akzent. Polnische Priester betrachten Russland als ihr spezifisches Missionsgebiet und manchmal gibt es Spannungen im katholischen Klerus zwischen Polen und Nichtpolen. Das große starke polnische Reich hat vor vierhundert Jahren auch Moskau umfasst, die Polen haben einen Zaren in Moskau eingesetzt, haben den orthodoxen Patriarchen in Moskau verhungern lassen - das haben viele Russen nicht vergessen und haben heute neue Ängste, wo Polen zur NATO gehört und bald die EU-Außengrenze auch Polen umfassen wird und ein EU-Parlamentarier auf einem katholischen Kongress Anfang September 2002 unwidersprochen behaupten konnte, dass das gemeinsame europäische Wertebewusstsein an der polnischen Ostgrenze aufhört.

Dr. Nikolaus Wyrwoll
Ostkirchliches Institut
Ostengasse 31, D-93047 Regensburg