OKI-Logo Zur Errichtung von Bistümern
in Russland


Russisch

Bei der Errichtung von Administraturen 1990 wurde von Rom dem Patriarchat in Moskau sorgfältig erläutert, was eine Administratur ist, und begründet, warum Rom gerade in Moskau nicht die alten Diözesen oder neue wieder errichtet wie überall in den Gebieten, in denen Diözesen wieder errichtet werden konnten, sondern die Errichtung von Administraturen als ein großes und schwerwiegendes Zeichen sieht, dass nicht parallele Strukturen aufgebaut werden sollen. Das sollte, so damals die Begründung seitens Rom, der Weltöffentlichkeit immer bewusst machen, dass die katholische Kirche die orthodoxen Bistümer als Schwesterkirchen anerkennt, als eigentliche Teilkirchen, auch wenn sie nicht den Primat anerkennen. Dominus Jesus hat das in Nr. 17 nochmal bekräftigt. Die "Allgemeine Prinzipien und praktische Normen für die Koordinierung der Evangelisierung und des ökumenischen Engagements der katholischen Kirche in Russland und in den anderen Ländern der GUS" (Text des Dokuments) nennen klare Grenzen für die katholischen seelsorglichen Aktivitäten in Russland (II, 2.) und fordern die katholischen Bischöfe auf, darauf zu achten "dass keine Aktivität innerhalb ihres kirchlichen Jurisdiktionsbereiches Gefahr läuft, als eine parallele Evangelisierungsstruktur ausgelegt zu werden.

Die bei der Errichtung der Administraturen vorgetragenen Erklärungen hätten also jetzt in sorgfältigen Gesprächen als überholt erklärt werden können, z.B. weil nicht mehr Angst vor parallelen Strukturen besteht. Nuntius Zur ist gerade zum Urlaub in Rom. Er wurde erst zum Patriarchat gesandt, als alles schon beschlossen war. Er kennt gut die Erfahrungen aus der DDR, in der Administraturen aus Rücksicht auf gesellschaftliche Gegebenheiten durch Jahrzehnte von Rom erhalten wurden, ohne dass dadurch irgendwelche Mängel in der Seelsorge entstanden. Die Betonung des "kanonischen Territoriums" ist vielen im Westen fremd. Sie zeigt aber, dass das Moskauer Patriarchat (im Gegensatz zu den griechischen Patriarchaten) unverbrüchlich daran festhält, dass die katholischen Bistümer zur gleichen "Katholiké" gehören, Schwesterkirchen auch nach strengsten Maßstäben sind. Bischof Hilarion hat bei den Gesprächen in Assisi versucht, diese Aspekte zu erklären.

Man sollte Prof. Suttners "Traum" neu bedenken. Umgekehrt hörte ich vorgestern in der Libreria Vaticana, als man mir die bisher verkauften Exemplare von ORTHODOXIA 2002 bezahlte, eine Reaktion auf meine Bemerkung, der Hl. Vater habe ORTHODOXIA entgegengenommen mit dem Kommentar "ecco, Wyrwoll ci porta l' appendice ortodosso all' Annuario Pontificio". Reaktion eines hochrangigen Mitarbeiters im Staatssekretariat "Ma come, sono tutti illegitimi!"
"Die Katholische Kirche im neuen Russland", dazu sagte Prof. Ernst Christoph Suttner bei der Preisverleihung in Niederaltaich seinen Traum. Er scheint mir gerade jetzt nach der Errichtung der Bistümer ein Weg für die weiteren Gespräche: Die römische Kongregation für die Glaubensverbreitung sandte seit ihrer Gründung 1622 Missionare ins osmanische Reich. Sie hatten nicht den Auftrag, gesonderte Gemeinden für Katholiken zu gründen, sondern dienten in den dortigen Ostkirchen (bei den "Orthodoxen", in heutiger Sprache) orientalischen Kirchen als Priester, sie waren hoch angesehen wegen ihrer Bildung und ihrer geistigen Formung. Auch ihr zivilrechtlicher Status kam ihnen zur Hilfe.
Wenn im 17. Jahrhundert die Orthodoxie in vielen Teilen des osmanischen Reiches in schwerer Bedrängnis war, hielten es die katholische und die orthodoxe Kirche für möglich, dass lateinische Ordensleute vielen östlichen Gemeinden zu Hilfe kamen und in ihren Gotteshäusern bei Katechese, Predigt und Sakramentenspendung halfen. In ähnlicher Weise, wie es ihre Mitbrüder in abendländischen Pfarreien taten, halfen sie im Orient mit, in der Seelsorge der östlichen Kirchengemeinden. Sollte im 20. Jahrhundert, wenn es gilt, die Nachwehen der härtesten Christenverfolgung aller Zeiten zu überwinden, unmöglich sein, was im 17. Jahrhundert möglich war, als die Verhältnisse des osmanischen Reiches der Kirche geringere Probleme bereiteten?
Ließe sich eventuell eine Kirchenordnung finden, der zufolge auf dem historischen Territorium des Moskauer Patriarchats die Bischöfe und Priester der Katholiken zu Mitarbeitern des Patriarchen von Moskau mit Sonderstatus würden?
Vielleicht kann das Ordensrecht der katholischen Kirche bei der Suche nach einer Ordnung für die Gemeinschaft verschiedengestaltiger Schwesterkirchen auf demselben Territorium helfen. Die katholischen Ordensgemeinschaften sind autonom. Sie führen ein spezifisches geistliches Leben und breiten es aus. Die Unterschiede zwischen ihnen sind so groß, dass der Übertritt von einer Ordensgemeinschaft in die andere als grundlegend angesehen wird und nur nach strengen kirchenrechtlichen Vorschriften möglich ist, obwohl es natürlich von kirchlichem Standpunkt keine Gewissensbedenken gegen einen Übertritt gibt.
Jeder Orden entscheidet selbst über den Einsatz seiner Mitglieder in den Ortskirchen und stellt für seine Mitglieder in diesen Dienst eigene Obere auf. Die einzelnen Ordensleute helfen in den Gemeinden und pflegen dabei die spirituellen Traditionen der eigenen Gemeinschaft. Doch verrichten sie ihren Dienst unter der Aufsicht des jeweils örtlichen zuständigen Bischofs.

Wir dürfen nicht vergessen, dass viele katholische Menschen in der Rus mit der Theologie von „Mystici Corpus“ aufgewachsen sind: alle nichtkatholischen Bischöfe sind illegitim … vor diesem Hintergrund war Metropolit Kyrill 1989 nach Rom geeilt und hatte gebeten, man solle in Russland keinen katholischen Bischof ernennen, ohne vorher dem Patriachat gut die heute gültige Lehre von der Bischofsweihe zu erläutern, so dass sie möglichst viele in Russland hören. In Rom hatte er - nach seinem Eindruck - mit allen gesprochen , die zuständig sind. Alle haben ihm versichert, dass überhaupt keine Ernennungen stattfinden würden für die Katholiken in Russland ohne sorgfältige Information des Patriarchates. Kyrill berichtete das begeistert auf der grade tagenden Synode des Patriarchates, erntete großes Lob für sich und für die sensible römische Kurie. Zwei Tage später wurde die Ernenung von Erzbischof Kondrusiewicz für Moskau bekannt gegeben …

Dr. Nikolaus Wyrwoll
Ostkirchliches Institut
Ostengasse 31, D-93047 Regensburg
10. März 2002