10. Romseminar Anatolien |
Das 10. Romseminar am Neujahrstag der Juden Rosch ha-Schana 19./20. September 2020 führte 16 Türken, einige sprechen deutsch, zu einer Wanderung in der Altstadt am Marmarameer, angefangen außerhalb der Landmauer des Kaisers Theodosius bei der Metrostation Kazlıçeşme mit Blick auf das Goldene Tor, durch das der von Rom am Tiber auf der via Appia und der via Egnatia kommende Kaiser ins Rom am Bosporus einzog. Wir umrunden die Festung Yedikule, die "deutsche Schule" (Synagoge von 1917 bis 1934), die armenische Johanneskirche außen an der Marmarameer-Mauer. In der Dominikanerkirche Maria Rosenkranz konnten wir Kerzen anzünden und singen, seit Jahrzehnten wird die Kirche von den syrisch-orthodoxen Christen genutzt, am letzten Mai-Sonntag beten die Dominikaner da den Rosenkranz. Keine alte Moschee in dem Stadtteil, lange fast nur von Griechen und Armeniern bewohnt, 1603 wird die Haci Huseyin Aga Cami für zugezogene Muslime gebaut. Sultan Fatih Mehmet II. hatte 1453 Armenier aus Bursa und Kütahya hierher gerufen, und ins ganze Reich Boten gesandt, die Griechen ermutigen sollten, nach İstanbul. (is ten bolin = griechisch "in die Stadt") zu ziehen. Eindrucksvoll ist das Kloster des Theodor Studion (759-826). Hier hat Theodor, das asketische Ideal des östlichen Mönchtums mit einer Regel umfassend erneuert - wie hundert Jahre früher im Westen Benedikt von Nursia. Das Kloster ist seit dem Erdbeben 1912 ohne Dach, aber wenige Meter entfernt zünden wir Kerzen an in der großen griechischen Kirche Konstantin und Helena (auch der "Stellvertreter Christi - vicarius Christi" Kaiser Konstantin wird immer mit Mutter dargestellt, Helena!). Schräg gegenüber in der armenisch-katholischen Kirche spielt Pfarrer Abraham Kirchenmusik auf der Flöte, eine Reihe Gemeindeglieder hören und beten und zünden Kerzen an. In der großen armenischen Kirche St. Kevork=Georg=Giorgio=Jerzy - je nachdem woher die Armenier kommen - ergänzt der Sakristan die historischen und theologischen Erläuterungen. In den griechischen Kirchen St. Georg, St. Nikolaus, St. Mina singe ich Passendes. Der türkische Führer Haluk Uluhan erklärt so wie ich früher auf den Pilgerreisen mit deutschen Gruppen. Nachdem Konstantinopel 1453 Hauptstadt des Osmanischen Reiches wurde, übernahm der Sultan die Titel des Kaisers "Römer = Rumeli" und "Stellvertreter (Christi) = Khalif", ernannte wie der Kaiser den griechischen Patriarchen. 1461 ernannte der Sultan auch den armenischen Patriarchen. Kirchen wurden Moschee, sie sind bis heute in der "Byzantinischen Architektur" erhalten. |
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Gleich der Anfang des 10. Romseminars unterstreicht die Verbindung der beiden Rom, zwei Legenden zu "Kazlıçeşme" = "Gänsequelle". In Rom am Tiber haben die Sabiner im Jahr 753 vor Christus ihre von Romulus geraubten Frauen vom Kapitol zurückholen wollen - als sie nachts auf Schleichwegen den Römern zu Leibe rückten, ertönte plötzlich wildes Gänsegeschnatter. Es riss die Kapitolbesatzung aus dem Schlaf und ließ das Vorhaben der Angreifer scheitern, Rom wurde gegründet. Am Kapitol erinnerte ein Gehege mit schnatternden Gänsen daran, bis vor einigen Jahren der Tierschutz eingriff. Vor Rom am Bosporus gerieten im Jahre 1453 die zur Belagerung angerückten in Not: sie fanden kein Wasser. Sie bemerkten aber, wohin Gänse liefen - eine Quelle! Rom am Bosporus wurde Hauptstadt des osmanischen Reiches. Ein Brunnen aus dem 15. Jahrhundert mit einer Gans und Blüten erinnert daran, zwischen einer Moschee und einer griechischen Kirche.
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