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Ein großes Thema hat Pastor Rudolf Bembenneck uns aufgegeben für heute abend, dem Vorabend des Gedenktages unserer Lieben Frau vom Berge Karmel 16. Juli - "es ward Abend und Morgen der erste Tag"
Ich hoffe, dass uns manches wieder neu bewusst wird, ich selber habe in der Vorbereitung doch einiges gelesen, was ich sonst nicht so beachtet hätte, vielen Dank für die Anregung.
Pastor Bembenneck hatte Propst Martin Tenge eingeladen, zum Thema "Die Päpste und die Juden" zu sprechen, ich vertrete den Propst von Hannover heute. Ich bin der Ökumene-Beauftragte im Bistum Hildesheim und Berater im Rat für die Einheit der Christen in Rom. In diesem Rat werden auch die Kontakte des Papstes mit den Juden gepflegt - für die Kontakte mit den Gläubigen anderer Religionen gibt es einen eigenen Rat für den Dialog der Religionen. Im Rat für die Einheit der Christen ist der Salesianerpater Norbert Hofmann SDB der Leiter der Abteilung für die religiösen Kontakte mit den Juden. Die Einladung habe ich gern angenommen, meine Freundschaft mit Michael Fürst hat schon ihr Silberjubiläum, eine ganze Reihe meiner evangelischen und katholischen Weggefährten sind heute an verantwortlichen Stellen in den jüdischen Gemeinden in Niedersachsen (auch in Regensburg), z.B. mein Münsteraner Kommilitone Harald Jüttner ist hier.
"Die Päpste und die Juden" - beim Blick in die Geschichtsbücher ist mir aufgefallen, wie wahr der Ausspruch von Adolf Harnack (?) ist "Geschichte ist Glaubenssache". So unterschiedlich, oft gegensätzlich fand ich die Darstellung der Fakten und die Interpretation der Fakten, alle mit dem Anspruch, sie hätten die einzige objektive Betrachtungsweise.
Manche Autoren meinen, die Päpste hätten kaum Einfluss auf die Juden und auf das Verhältnis zu den Juden gehabt. Andere sagen, die Päpste seien einflussreich gewesen auch auf diesem Gebiet. Der Dritte beweist, dass an allem Hass auf die Juden die Päpste schuld seien. Geschichte ist Glaubenssache. Aber es gibt auch Konstanten in den Darstellungen. Alle Autoren sind sich einig, dass es durch die Jahrhunderte viele Konversionen in beide Richtungen gibt, Juden werden Christen, um Diskrimierungen zu entgehen, Christen werden Juden - z.B. weil sie in jüdischen Häusern dienten, weil Juden manches erlaubt war, was Christen verboten war, z.B. Zinsnehmen, Wahrsagen. Wir dürfen das nicht abwerten mit dem Argument, es geschähe ohne Überzeugung. Diese Konversionen zeigen vielmehr die Durchlässigkeit und die gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung. Zwischen Katholiken und Arianern, Katharern, Waldensern, Hussiten z.B. gab es solche Durchlässigkeit nicht, weder im Osten noch im Westen.
Seit fünfhundert Jahren z.B. finden wir immer wieder betende gläubige Juden vor dem Mose des Michelangelo in San Pietro in Vincoli in Rom.
"Geschichte ist Glaubenssache" - wenn jetzt Herr Homolka zu uns redete, oder Karlheinz Deschner mit seinen Dutzenden Bänden der Kriminalgeschichte der Christenheit, oder ein Christ aus Nahost "der Papst beleidigt in Regensburg den Islam und besucht auch noch Israel" - da würden wir andere Anmerkungen hören.
Sympathisch und symbolträchtig fand ich, dass bei der feierlichen Einführung des Landesrabbiners Sievers am 21.9.2008 in der Synagoge in Hannover orthodoxe Rabbiner auf mich zu kamen und eine Arbeitsgemeinschaft der orthodoxen Juden und der Katholiken in Niedersachsen vorschlugen gegen alles Liberale. Für diese Durchlässigkeit zwischen Juden und Christen sprechen auch Beispiele hochangesehener Persönlichkeiten in unseren Tagen. In wenigen Tagen ist das Fest der Patronin Europas Edith Stein, Jüdin und Karmelitin und Opfer des Holocaust. Ein Jude ist der hochangesehener Kardinal Aaron Jean-Marie Lustiger, Bischof von Paris, Kind polnischer Juden * 17.9.1926 in Paris, † 5.8.2007, begraben mit Kaddisch seitens seiner jüdischen Familie und Freunde. Es gibt auch Konversionen zum Islam, z.B. der berühmte Zvi.
Viele von den Christen verfolgten Juden haben Zuflucht im Osmanischen Reich gefunden. Bei meinen Besuchen bei den orthodoxen Patriarchen in İstanbul wohne ich bei den Dominikanern, die seit der Zeit ihres spanischen Gründers Dominicus in İstanbul sind. Ihre große gotische Kirche hat ihnen der Sultan weggenommen, als die jüdischen und muslimischen Vertriebenen aus dem katholischen Spanien in İstanbul Zuflucht fanden, heute ist die Kirche Moschee. Der Sultan ist konsequent
Täglich rufen wir unser Symbol für die Erlösung allein aus Gnade an, sola gratia, die Jüdin Maria, Mutter Gottes, ave Maria gratia plena. Ganz in die jüdische Tradition tauche ich ein mit den Psalmen, die wir katholischen Priester jeden Monat allesamt vom ersten bis zum letzten Psalm beten.
Eine Reihe von Päpsten waren selber Juden, als erster Petrus
Anaklet ("der Papst aus dem Ghetto" Petrus Pierleoni * 1090 † 1138, ab 1130 Gegenpapst zu Innozenz II.)
Pastor Bembenneck hat als Thema des heutigen Abends "Die Päpste und die Juden" den Titel eines Buches übernommen, das im vorigen Jahr 2008 im Patmos Verlag erschienen ist, geschrieben von dem Wiener Historiker Klaus Lohrmann.
Der Titel des Buches ist irreführend. Lohrmann spricht tatsächlich meistens nicht vom Papst, sondern von der europäischen Christenheit und derem Verhältnis zu den Juden, der Papst kommt bis ins 19. Jahrhundert meistens in seiner Funktion als Landesherr eines der Fürstentümer in Italien vor, also einer der vielen Landesherren und Kaiser und Könige.
Das entspricht der historischen Realität, der Papst ist zwar nichts ohne die Kirche, jedenfalls seit 1870, aber das gilt nicht umgekehrt. Einen Papst, dessen Worte weltweit gehört werden, gibt es erst seit wenigen Jahrzehnten. Noch vor hundert Jahren hat der Papst kaum zehn Prozente der Bischöfe ernannt - in Bayern z.B. hat der König bis 1918 die Bischöfe ernannt - und die Kardinäle konnten nicht einen Kardinal zum Papst wählen, wenn der Kaiser gegen den Kandidaten war, oder der König von Frankreich. Das letzte sichtbare Eingreifen des Kaisers war 1903. Kaiser Franz Joseph ließ 1903 den Kardinal Puzyna im Konklave Veto einlegen gegen den soeben gewählten Kardinal Rampolla. Die Kardinäle wählten selbstverständlich einen anderen, Giuseppe Sarto, Pius X. - das vergessen wir nicht wegen der lächerlichen Sitte seit 1903, weißen und schwarzen Rauch als Zeichen für den Ausgang des Konklaves zu nehmen.
Eine Ausnahme gibt es lange vor 1870, der Papst handelt vor 1870 nicht nur als einer der Landesherren, sondern länderübergreifend - über alles - griechisch "katholisch", - wenn er nämlich als Schutzherr der Juden handelt. Ich möchte im Folgenden also darüber einiges sagen und dann auf die Päpste des 20. Jahrhunderts eingehen, die wirkten in den Jahrzehnten der neuen großen Verfolgungen und Völkermorde an Buren, Türken, Armeniern, Assyrern, Schlesiern, Polen, Irakern, Palästinensern
Ich habe also fünf Teile in diesem Referat:
- Bereitung des Schauplatzes - der Teil ist jetzt beendet
- der Papst als Schutzherr der Juden
- Papst Benedikt XVI.
- Papst Johannes Paul II.
- Papst Paul VI. und Papst Johannes XXIII.
der Papst als Schutzherr der Juden
Diese Funktion wird deutlich als Papst Innozenz III. (1198-1216), Papst zur Zeit des 4. Kreuzzugs mit der Eroberung Konstantinopels 1204, zur Zeit von Franz von Assisi und Dominikus, mit seinem Schreiben "Sicut Judaeis" verbietet, Juden zu töten. Hier handelt er also als Schutzherr der Juden und beansprucht der Papst weltweite Autorität. Vielleicht glaubte er solche Autorität zu haben, weil er die Regentschaft für den unmündigen Kaiser Friedrich II. führte. Papst Innozenz IV. (1243-1254) erneuerte den Schutzbrief und begründete das. Ich zitiere Innozenz IV. nach Lohrmann: "Wir glauben, dass der Papst als Stellvertreter Christi nicht nur über Christen Gewalt hat, sondern auch über alle Ungläubigen, denn Christus herrscht über alle
Er gab Petrus und seinen Nachfolgern die Schlüssel für das Himmelreich, die Gewalt zu binden und zu lösen und die Verantwortung für seine Herde. Durch die Schöpfung gehören alle Ungläubigen und Gläubigen zu Christi Herde, auch wenn sie keine Lämmer der Kirche sind. Und daher wird klar, dass der Papst "de jure" Gerichtsbarkeit und Gewalt hat über alle Menschen, aber nicht "de facto"
Der Papst kann über Juden sogar urteilen, wenn sie das Gesetz, die Tora im moralischen Sinne verletzen, wenn die jüdischen Oberen sie nicht bestrafen und ebenso, wenn sie Häresien über Gottes Gesetz verbreiten."
Damals gab es in Rom Bücherverbrennungen, der Talmud wurde verbrannt. Später wurde z.B. in der Republik Venedig der Talmud verbrannt, im Kirchenstaat aber vom Papst neu aufgelegt.
Bei der feierlichen Einführung eines neu gewählten Papstes erschien auch die Delegation der Juden. Die Juden überreichten dem Papst bei seinem Krönungszug eine Torarolle mit der Bitte um Bestätigung. Der Papst erklärte, dass das Gesetz gut sei, die Juden es aber nicht recht verstünden, weil alles neu geworden sei. Dann gab er ihnen die Rolle zurück. Lohrmann berichtet (KL 169), dass das gelegentlich über die linke Schulter geschah und fragt: erwarteten die Juden, dass die Christen ihre hartnäckige Kritik am Gesetz irgendwann aufgeben?
Papst Clemens VI. verbietet 1348 zu behaupten, die Juden seien schuld an der Pest.
Papst Benedikt XVI.
Mit Papst Benedikt gehen wir in die heutige Zeit, in der der Papst eindeutig weltweit gehört wird. Über Benedikt und die Juden wird in den letzten Monaten viel gesprochen. Ein Dekret mit weltweiter Wirkung wird wenig beachtet. Die Zeitschrift für christlich-jüdische Begegnung "Freiburger Rundbrief" Nr.2/2009 berichtet unter dem Titel "Ehrfurcht vor dem Namen Gottes" Folgendes:
Papst Benedikt hat zum Abschluss der Bischofssynode in Rom am 26. Oktober 2008 die Kirche in der ganzen Welt angewiesen, als "ein Zeichen des Respekts gegenüber jüdischen Sensibilitäten" den Gottesnamen in der Form des Tetragamms יהוה (JHWH) nicht mehr zu verwenden.
Der Papst kommt damit einer Bitte des Oberrabbiners von Rom nach, Riccardo Di Segni. Die Anweisung war bereits am 29. Juni 2008 erlassen worden. Dort heißt es:
- in den liturgischen Feiern, den Gesängen und den Gebeten darf der Name Gottes in der Form des Tetragramms יהוה (JHWH) weder verwendet noch ausgesprochen werden.
- Für die Übersetzung des biblischen Textes in moderne Sprachen, die zum liturgischen Gebrauch bestimmt sind, soll dem Folge geleistet werden, was schon in der Nr. 41 der Instruktion "Liturgiam authenticam" vom Mai 2001 vorgeschrieben ist, d.h. dass das göttliche Tetragramm mit einem gleichbedeutenden Begriff zu אדני (Adonai) / κυριος (Kyrios) zu übersetzen ist, Herr, Signore, Lord, Seigneur, Señor usw.
- Bei der Übersetzung von Texten für den liturgischen Gebrauch, in denen nacheinander sowohl der hebräische Begriff אדני (Adonai) wie auch das Tetragramm יהוה (JHWH) vorkommen, wird der Begriff אדני (Adonai) mit "Herr" übersetzt, und für das Tetragramm wird der Begriff "Gott" verwendet, wie dies in der griechischen Übersetzung der Septuaginta und in der lateinischen Übersetzung der Vulgata erfolgt.
Aus der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, 29. Juni 2008.
Diese Bestimmung eines Papstes hat nachhaltigen Einfluss auf jeden katholischen Gottesdienst und auf alle neugedruckten Bibeln.
Die ehrfürchtige Haltung dieser Bestimmung gegenüber den Juden wird in diesen Monaten überdeckt von der Aufhebung der Exkommunikation gegen die Piusbrüder, die Holocaustleugner sind. Damit wird in der öffentlichen Wahrnehmung die eigentliche Haltung des Papstes zu den Juden verdeckt.
Die MITTELBAYERISCHE in Regensburg - also die HANNOVERSCHE ALLGEMEINE der Oberpfalz - titelt am Donnerstag 2. Juli 2009 auf der ersten Seite in der Mitte "Pius-Priesterweihe zog auch die Ultra-Rechten an" und schreibt weiter, dass es in Zaitzkofen Lob für einen Holocaustleugner gab, "mancher fühlte sich wie beim Reichsparteitag". Frank Bettenhausen fragt "Hat der Piusbruder und Holocaustleugner Bischof Richard Williamson durch seine Äußerungen dafür gesorgt, dass sich die Piusbruderschaft und ihr Umfeld zum Tummelplatz der Rechtsradikalen entwickeln?" Die vom Vatikan und vom Bischof von Regensburg kritisierte Priesterweihe der Piusbrüder in Zaitzkofen bei Regensburg hat am Samstag eine beträchtliche Zahl von Menschen mit politisch-rechter, religiös-judenfeindlicher Gesinnung in den Landkreis Regensburg gelockt.
"Ich habe niemanden getroffen, der gesagt hat: Williamson redet Quatsch", gab ein Besucher seine Eindrücke wieder. Im Gegenteil: viele Gäste hätten Williamson verteidigt. Wie berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen den Briten. Er hatte in einem in Zaitzkofen geführten Fernseh-Interview unter anderem die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich bestritten. Auch andere hohe Vertreter der konservativen Piusbruderschaft hatten in Briefen oder öffentlichen Verlautbarungen judenfeindliche, islamfeindliche, homosexuellenfeindliche Standpunkte kundgetan. Der Williamson habe doch bloß seine Meiung geäußert. Das könne man überall auf der Welt frei tun, nur in Deutschland sei das offenbar verboten. So relativierte ein "katholischer Tourist" in Zaitzkofen nach Angaben unseres Beobachters die Holocaust-Leugnung Williamsons. Ein Rentner sagte: "Die Verfolgung der aufrichtigen Christen ist heute schlimmer als in der Nazi-Zeit." In unserer Redaktion meldete sich ein Anrufer, der über die Priesterweihe in Zaitzkofen sagte: "Ich hatte das Gefühl, ich befinde mich auf einem Reichsparteitag - auch wenn man das heute nicht mehr so sagen darf." Ein prominenter Vertreter der rechten Szene war NPD-Kreisvorsitzender Willi Wiener. Soweit aus der MITTELBAYERISCHEN vom 2. Juli.
Die politische Wirkung einer unklugen Entscheidung aus dem Vatikan verdeckt die respektvolle offene Haltung des Papstes gegenüber den Juden, wie er sie bei seinem Besuch in Auschwitz gezeigt hat. Fragen zum Verhältnis des Papstes zu den Juden wurden laut auch seit dem 7. Juli 2007, genau vor zwei Jahren, als die bis zum Konzil 1962-1965 gültige Form der Liturgie, der Feier der hl. Messe wieder allgemein zugelassen wurde, später dieser Ritus auch am Karfreitag wieder gestattet, an dem große Fürbitten vorgetragen werden. Bis zu Papst Pius XII. und dem Konzil hieß die Karfreitags-Fürbitte für die Bekehrung der Juden: Lasset uns auch beten für die ungläubigen Juden: Gott unser Herr, möge den Schleier von ihren Herzen wegnehmen, auf dass auch sie unseren Herrn Jesus Christus erkennen. Allmächtiger ewiger Gott, du schließest auch die Juden nicht aus von deiner Erbarmung: erhöre unsere Gebete, die wir ob der Verblendung jenes Volkes vor dich bringen: mögen sie das Licht deiner Wahrheit, das Christus ist, erkennen und ihrer Finsternis entrissen werden.
Papst Pius XII. - verstorben 1958 - hatte das Wort "ungläubig" gestrichen. Lateinisch hieß es "oremus et pro perfidis judaeis", auf lateinisch bedeutet "perfidus" "einen anderen Glauben, eine andere fides", die gleichen Buchstaben "perfide" haben in modernen Sprachen, z.B. im Deutschen, einen überaus negativen Sinn. Die älteren von uns werden sich noch erinnern, dass man sich bei der Fürbitte für die Juden nicht hinkniete wie bei den anderen Fürbitten, in Erinnerung, dass es in der Passionsgeschichte heißt, "die Soldaten knieten nieder vor Jesus, spuckten ihn an
" (Mk 15,19). Pius XII. hat das "perfidis" gestrichen und die Kniebeuge auch bei dieser Fürbitte eingeführt.
Das Konzil 1962-1965 hat die Fürbitte ganz verändert. Wir beten heute am Karfreitag für die Juden so: Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will. Allmächtiger, ewiger Gott, du hast Abraham und seinen Kindern deine Verheißung gegeben. Erhöre das Gebet deiner Kirche für das Volk, das du als erstes zu deinem Eigentum erwählt hast. Gib, dass es zur Fülle der Erlösung gelangt.
Die alte Formulierung der Karfreitags-Fürbitte für die "ungläubigen Juden" wurde nicht gestattet mit der Wiederzulassung der alten Liturgie am 7. Juli 2007. In dem Text des Karfreitags sollen die Nutzer der alten Liturgie so beten: Lasset uns auch beten für die Juden. Dass unser Gott und Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Heiland aller Menschen. Allmächtiger ewiger Gott, der du alle Menschen erlösen und zur Wahrheit führen möchtest, gewähre gnädig, dass ganz Israel das Heil erlangt, wenn die Schar der Völker vollständig in deine Kirche eintritt.
Wie soll man das bewerten? Klaus Lohrmann meint, diese Formulierung sei ein reaktionärer Rückschlag. Prof. Mußner in Passau sagt, das entspricht der Theologie des Briefes des hl. Paulus an die Römer. Ich sage, dass nur ein Häuflein unbelehrbarer Reaktionäre diese neue Formulierung in der alten Liturgie gebrauchen wird. Und das auf lateinisch. In die Öffentlichkeit ist diese Neuordnung negativ vermittelt worden. Ein Taxifahrer in Rom kommentierte zu mir im Februar 2009 "was Papst Johannes Paul in zwanzig Jahren an Vertrauen aufgebaut hat, hat Benedikt in zwei Jahren kaputt gemacht".
Bei der Einführung des Landesrabbiners Sievers am 21.9.2008 in der Synagoge in Hannover kamen orthodoxe Rabbiner auf mich zu und schlugen eine Arbeitsgemeinschaft der orthodoxen Juden und der Katholiken in Niedersachsen vor gegen alles Liberale, ausgehend vom Jesusbuch von Papst Benedikt mit seiner Betonung der Gleichartigkeit der jüdischen und der christlichen Wertschätzung der Familie, des rechten Ineinanders von Altem und Neuem Testament, das für die Kirche konstitutiv ist. Deutlich spricht Benedikt im Jesusbuch gegen die Einschätzung der Thora als falschem Legalismus. Der Papst verwirft die Versuche, das Alte Testament aus der Ordnung der christlichen Bibel zu entfernen, alle Versuche von Marcion (85-160) bis Adolf von Harnack (1851-1930).
Papst Johannes Paul II.
Klaus Lohrmann nennt das Wirken von Papst Johannes Paul eine innere Wandlung des Christentums im Blick auf seine Anfänge, etwas völlig Neues. In Wirklichkeit unterscheiden sich die Äußerungen dieses Papstes von den Äußerungen seiner Vorgänger in früheren Jahrhunderten. Johannes Paul weist immer wieder auf das Fehlverhalten von Päpsten hin, ein Höhepunkt war das Schuldbekenntnis am Aschermittwoch des Jahres 2000, in dem er sein großes Betrüben über jene zum Ausdruck bringt, die im Laufe der Geschichte "die Söhne und Töchter Gottes" (so werden die Juden genannt!) leiden ließen.
Johannes Paul betont, dass diese Rückbesinnung nicht nur Ergebnis des jüdisch-christlichen Dialoges ist, sondern Ergebnis der innerchristlichen Reflektion. Im Jahre 1980 sprach Johannes Paul unter Rückgriff auf eine Erklärung der deutschen Bischofskonferenz darüber, dass mit Jesus die gesamte alttestamentliche Tradition an das Christentum weitergegeben wurde, die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe, die Feindesliebe, die nicht christlichen sondern jüdischen Ursprungs sind - aber nach wie vor als typisch christlich bezeichnet werden, ja als dem Judentum entgegengesetzt. Jesus war ein den Pharisäern nahestehender Mann, die Kritik an den Pharisäern spielt in den Passionsgeschichte der Evangelisten keine Rolle, diese wichtige Gruppe der Pharisäer war am Tode Jesu nicht beteiligt.
Am 13. April 1986 wies Johannes Paul bei seinem Besuch in der Synagoge in Rom darauf hin, dass die jüdische Religion zum Inneren der christlichen Religion gehöre. 1993 nahm der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen zu Israel auf.
Papst Paul VI. und Papst Johannes XXIII.
Papst Johannes XXIII. habe ich persönlich erlebt in meiner Studienzeit in Rom 1957-1965. Sein Entschluss, ein Konzil einzuberufen, schien uns damals wirklich als seine persönliche Entscheidung, fast alle waren überrascht. Beeindruckt hat uns ein Gebet, das Johannes in diesem Zusammenhang formuliert hat:
Wir erkennen an, dass viele Jahrhunderte der Blindheit unsere Augen bedeckt haben, dass wir die Schönheit deines auserwählten Volkes nicht mehr sehen und in seinem Gesicht nicht mehr die Züge unseres erstgeborenen Bruders wiedererkennen. Wir erkennen, dass das Kainszeichen auf unserer Stirne steht. Im Laufe der Jahrhunderte hat unser Bruder Abel in dem Blute gelegen, das wir vergossen, und er hat Tränen geweint, die wir verursacht haben, weil wir Deine Liebe vergaßen. Vergib uns die Verfluchung, die wir zu Unrecht aussprechen über dem Namen der Juden. Vergib uns, dass wir Dich in ihrem Fluche zum zweiten Male kreuzigen, denn wir wussten nicht, was wir taten." (zitiert nach Lohrmann 20, und Wikipedia).
Amerikanische Juden besuchten Papst Johannes XXIII. in Rom, er begrüßte sie "ich bin Josef, Euer Bruder". Johannes korrespondierte mit dem jüdischen Religionsphilosophen Jules Isaac. Am 13. Juni 1960 übergab Isaac dem Papst eine Denkschrift zu theologischen Grundaussagen über das Judentum. Im Sekretariat für die Einheit der Christen (da bin ich heute Berater) übernahm Kardinal Augustin Bea die Bearbeitung eines Textes über die Juden. Der wurde als Nr. 4 eingearbeitet in die Erklärung "Nostra Aetate" über das Verhältnis zu den anderen Religionen. Der amerikanische Jude (1938 aus Europa in die USA geflohen) Johannes Österreicher, mittlerweile katholischer Prälat, sorgte dafür, dass sich die Erklärung nicht nur auf den Antisemitismus bezieht, sondern die theologische Aufgabe in den Mittelpunkt stellt, "wegen der Bezeugung der vollkommenen Einheit der Kirche, die die Kirche aus den Juden und aus den Heiden ist". Auch der Oberrabbiner von Rom appellierte an die auf dem Konzil versammelten Bischöfe, zur Judenfrage im Sinne von Papst Johannes XXIII. Stellung zu nehmen.
Ich lese jetzt die Nr. 4 der Konzilserklärung vor: Die jüdische Religion 4. Bei ihrer Besinnung auf das Geheimnis der Kirche gedenkt die Heilige Synode des Bandes, wodurch das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist. So anerkennt die Kirche Christi, dass nach dem Heilsgeheimnis Gottes die Anfänge ihres Glaubens und ihrer Erwählung sich schon bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden. Sie bekennt, dass alle Christgläubigen als Söhne Abrahams dem Glauben nach (6) in der Berufung dieses Patriarchen eingeschlossen sind und dass in dem Auszug des erwählten Volkes aus dem Lande der Knechtschaft das Heil der Kirche geheimnisvoll vorgebildet ist. Deshalb kann die Kirche auch nicht vergessen, dass sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfing und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Heiden als wilde Schösslinge eingepfropft sind (7). Denn die Kirche glaubt, dass Christus, unser Friede, Juden und Heiden durch das Kreuz versöhnt und beide in sich vereinigt hat (8). Die Kirche hat auch stets die Worte des Apostels Paulus vor Augen, der von seinen Stammverwandten sagt, dass "ihnen die Annahme an Sohnes Statt und die Herrlichkeit, der Bund und das Gesetz, der Gottesdienst und die Verheißungen gehören wie auch die Väter und dass aus ihnen Christus dem Fleische nach stammt" (Röm 9, 4-5), der Sohn der Jungfrau Maria. Auch hält sie sich gegenwärtig, dass aus dem jüdischen Volk die Apostel stammen, die Grundfesten und Säulen der Kirche, sowie die meisten jener ersten Jünger, die das Evangelium Christi der Welt verkündet haben. Wie die Schrift bezeugt, hat Jerusalem die Zeit seiner Heimsuchung nicht erkannt (9), und ein großer Teil der Juden hat das Evangelium nicht angenommen, ja nicht wenige haben sich seiner Ausbreitung widersetzt (10). Nichtsdestoweniger sind die Juden nach dem Zeugnis der Apostel immer noch von Gott geliebt um der Väter willen; sind doch seine Gnadengaben und seine Berufung unwiderruflich (11). Mit den Propheten und mit demselben Apostel erwartet die Kirche den Tag, der nur Gott bekannt ist, an dem alle Völker mit einer Stimme den Herrn anrufen und ihm "Schulter an Schulter dienen" ( Weish 3, 9) (12). Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist. Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben (13), kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen. Gewiss ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, dass niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der Wahrheit des Evangeliums und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht. Im Bewusstsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben. Auch hat ja Christus, wie die Kirche immer gelehrt hat und lehrt, in Freiheit, um der Sünden aller Menschen willen, sein Leiden und seinen Tod aus unendlicher Liebe auf sich genommen, damit alle das Heil erlangen. So ist es die Aufgabe der Predigt der Kirche, das Kreuz Christi als Zeichen der universalen Liebe Gottes und als Quelle aller Gnaden zu verkünden. Universale Geschwisterlichkeit 5. Wir können aber Gott, den Vater aller, nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern. Das Verhalten des Menschen zu Gott dem Vater und sein Verhalten zu den Menschenbrüdern stehen in so engem Zusammenhang, dass die Schrift sagt: "Wer nicht liebt, kennt Gott nicht" (1 Joh 4, 8). So wird also jeder Theorie oder Praxis das Fundament entzogen, die zwischen Mensch und Mensch, zwischen Volk und Volk bezüglich der Menschenwürde und der daraus fließenden Rechte einen Unterschied macht. Deshalb verwirft die Kirche jede Diskriminierung eines Menschen oder jeden Gewaltakt gegen ihn um seiner Rasse oder Farbe, seines Standes oder seiner Religion willen, weil dies dem Geist Christi widerspricht. Und dementsprechend ruft die Heilige Synode, den Spuren der heiligen Apostel Petrus und Paulus folgend, die Gläubigen mit leidenschaftlichem Ernst dazu auf, dass sie "einen guten Wandel unter den Völkern führen" (1 Petr 2, 12) und womöglich, soviel an ihnen liegt, mit allen Menschen Frieden halten (14), so dass sie in Wahrheit Söhne des Vaters sind, der im Himmel ist (15). 28. Oktober 1965
Für diese Erklärung haben Papst Johannes XXIII. und Papst Paul VI. sich persönlich eingesetzt, hier spreche ich wirklich zum Thema "Die Päpste und die Juden". Es gab gewaltigen Protest aus der Christenheit, nicht nur von fundamentalistischen protestantischen Kreisen, sondern auch von entsprechenden katholischen Gruppierungen. Als sich andeutete, dass der Papst eine Erklärung über die Juden im Konzil vorschlägt, bekamen alle Konzilsväter und jeder, der wollte, Anfang 1962 ein 600 Seiten starkes Buch von Maurice Pinay "Verschwörung gegen die Kirche". Darin wird nach Meinung von Pinay bewiesen, dass die Juden immer die Kirche zerstören wollen, dass die Päpste und Heiligen seit 1900 Jahren treu die Juden bekämpft haben und man jetzt nicht plötzlich gegen diese heilige Tradition positiv über die Juden sprechen dürfe. Die Juden hätten zwar immer behauptet, dass die Kirche gegen Antisemitismus sei. Das sei aber nicht wahr, schreibt Pinay, die Kirche sei vielmehr immer antisemitisch gewesen. (von mir formuliert nach Lohrmann 268f).
Ich gebe passend zum Thema "Die Päpste und die Juden" Papst Benedikt das Schlusswort und lese aus seinem Entschuldigungsbrief an die Bischöfe vom 10. März 2009.
Papst Benedikt schreibt: Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst! Eine für mich nicht vorhersehbare Panne bestand darin, dass die Aufhebung der Exkommunikation überlagert wurde von dem Fall Williamson. Der leise Gestus der Barmherzigkeit gegenüber vier gültig, aber nicht rechtmäßig geweihten Bischöfen erschien plötzlich als etwas ganz anderes: als Absage an die christlichjüdische Versöhnung, als Rücknahme dessen, was das Konzil in dieser Sache zum Weg der Kirche erklärt hat. Aus einer Einladung zur Versöhnung
war
das Umgekehrte geworden: ein scheinbarer Rückweg hinter alle Schritte der Versöhnung von Christen und Juden, die seit dem Konzil gegangen wurden und die mitzugehen und weiterzubringen von Anfang an ein Ziel meiner theologischen Arbeit gewesen war. Dass diese Überlagerung zweier gegensätzlicher Vorgänge eingetreten ist und den Frieden zwischen Christen und Juden wie auch den Frieden in der Kirche
gestört hat, kann ich nur zutiefst bedauern. Ich höre, dass aufmerksames Verfolgen der im Internet zugänglichen Nachrichten es ermöglicht hätte, rechtzeitig von dem Problem Kenntnis zu erhalten. Ich lerne daraus, dass wir beim Heiligen Stuhl auf diese Nachrichtenquelle in Zukunft aufmerksamer achten müssen. Betrübt hat mich, dass auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten. Um so mehr danke ich den jüdischen Freunden, die geholfen haben, das Missverständnis schnell aus der Welt zu schaffen und die Atmosphäre der Freundschaft und des Vertrauens wiederherzustellen, die - wie zur Zeit von Papst Johannes Paul II. - auch während der ganzen Zeit meines Pontifikats bestanden hatte und gottlob weiter besteht. Soweit der Papst
Ich danke für die Aufmerksamkeit und freue mich das Gespräch
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