OKI-Logo Die Verehrung des heiligen Clemens


Die Verehrung des heiligen Clemens in Ost und West
Nach der Auffindung und Übertragung
durch den heiligen Slawenapostel Kyrill


Der heilige Bischof und Märtyrer Clemens von Rom ist einer der wenigen Heiligen, die in Ost und West gleiches Ansehen und gleiche Verehrung genießen. Anhand des griechischen und slawischen Synaxarions und Minäums (Gedenktag am 24.11. beziehungsweise 25.11.) und anderer hagiographischer und liturgischer Zeugnisse in Ost und West ergeben sich etwa folgende hagiographische Schwerpunkte:

1. Clemens von Rom, ein Gelehrter aus vornehmen Haus
Schon im christlichen Altertum wurden ihm verschiedene Schriften zugeschrieben, nicht nur der sicher von ihm bezeugte 1. Clemensbrief. Darum wird er "Allweise" genannt, ein wahrer Philosoph, d.h. Liebhaber der Weisheit. Dies verbindet ihn mit Konstantin-Kyrill, der ebenfalls den Beinamen "der Philosoph" erhielt.
Bekannt ist die besondere Beziehung des Slawenapostels Konstantin-Kyrill zur Sophia, die ihm in seiner Jugendzeit erschien und die er sich zur Braut erkor. Die Liebe zur Solphia-Premudrost-Allweisheit prägt das Wirken der Slawenapostel und sie hat wohl auch ihren Niederschlag gefunden in den Sophia-Kirchen und den Sophia-lkonen in der neubekehrten Rus`, die bis heute die Volksfrömmigkeit und auch das russische Denken prägen. Clemens von Rom, der im Synaxarion als ein "Allweiser" gepriesen wird, hat vielleicht auch dadurch schon das besondere Interesse der Slawenapostel, besonders des heiligen Kyrill, des "Philosophen" gefunden
Dies erklärt vielleicht das besondere Bemühen von Konstantin-Kyrill um die Auffindung der Reliquien des heiligen römischen Märtyrers aus der Frühzeit des Christentums, der - wie im Folgenden gezeigt werden soll - in Rom, Cherson/Korsun und Kiew, sowie allgemein bei allen Slawen bis zum heutigen Tag in großer Verehrung steht.
Seine "Abstammung aus vornehmen Hause" ist wohl dadurch zu erklären, dass er als ein Freigelassener des Konsuls Titus Flavius Clemens zu dessen "familia" gehörte und dadurch das Privileg einer umfassenden griechisch-römischen Bildung erhalten konnte.

2. Clemens, ein Schüler des heiligen Apostels Petrus.
Nach den begründeten Berichten ist Clemens von Petrus getauft und in die Wahrheiten des Christentums eingeführt worden. Vielleicht hat er auch, wie der Petrusschüler und Evangelist Markus, jahrelang die Predigten und Unterweisungen des heiligen Petrus gehört. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass in seinen Lebensbeschreibungen immer besonderer Wert gelegt wird auf seine "petrinische Linie", wie dies ja auch in der alexandrinischen Tradition vom heiligen Markus gesagt wird. Er lernte sicher in Rom auch die zweite "Koryphäe der Apostel" kennen, den heiligen Völkerapostel Paulus. Er war der dritte Nachfolger des heiligen Petrus als Bischof von Rom (in den Jahren 92/93 – l00/l0l).

3. Clemens, ein Zeuge der apostolischen Tradition der Kirche.
In seinem Brief an die Korinther erkennt man seine Sorge um die Einheit der ganzen Kirche, die über die Ortskirche von Rom hinausweist. Seine Schriften, auch die heute als "Pseudoclementinen" ausgewiesenen, genossen in der alten Christenheit großes Ansehen. Sie wurden in den liturgischen Feiern gerne vorgelesen, da er als besonderer "Verkündiger des Evangeliums" im Range eines "Apostelgleichen" steht als Hüter der apostolischen Überlieferung.

4. Clemens, ein Zeuge des Glaubens.
Auch wissenschaftlich ist heute gesichert, dass die uralte Überlieferung richtig ist: Clemens wurde vielleicht schon unter Kaiser Domitian (81 - 96) in die Gegend von Cherson verbannt und dort unter Kaiser Trajan im Jahre l00 oder l0l im Schwarzen Meer ertränkt. Das Marterwerkzeug, ein Anker, an den er gebunden wurde, wird von der Kirche auch symbolisch erklärt: Christus ist der wahre Anker der Hoffnung und der Erlösung, an den gebunden, wir durch Leid und Tod hineingenommen werden in Seine Auferstehung (siehe das Epigramm des Synaxarions: "Clemens, in die Meerestiefe geworfen mit dem Anker, trifft bei Christus ein, dem endgültigen Anker")

5. Clemens, der Heilige und Wundertäter.
Schon zu Lebzeiten, vor allem aber nach seinem Tod hat Gott das Wirken des Heiligen durch Wunder, Krankenheilungen und wundervolle Bekehrungen bestätigt. Im Synaxarion wird erwähnt, dass jeweils an seinem Todestag - dies natalis - und eine ganze Woche anschließend sein Grab inmitten des Meeres zugänglich wurde, und dass einmal ein wegen der frühzeitig einbrechenden Fluten zurückgelassener Junge ein ganzes Jahr später am Gedächtnistag des Heiligen wohlbehalten wiedergefunden wurde.
Wie Dr. Johannes Hofmann in seiner Habilitationsschrift überzeugend darlegt, wurde wohl damit auch der dort noch sehr mächtige Kult des Osiris (Tod und Auferstehung) christlich überhöht und in eine neue Dimension gebracht. Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches und an die persönliche Fürbitte bei Gott durch seine Heiligen wird bei den erwähnten Wundern besonders deutlich. Der Heilige lebt ja kraft der Auferstehung Christi weiter und sein Grab und seine Reliquien sind besonders wirksame Quellen der göttlichen Gnade.

6. Die Clemensreliquien und ihre Erhebung durch die Slawenapostel.
Es wurden schon Gründe genannt, warum der heilige Konstantin-Kyrill ein so besonderes Interesse zeigte an diesem heiligen Märtyrer der Frühzeit des Christentums. Die Wiederauffindung seiner Reliquien durch den besonderen Eifer der Slawenapostel vertiefte noch diese communio sanctorum zwischen den drei großen Heiligen der Kirche, die bei den christlichen Slawen bis heute noch so lebendig ist.
Wegen der Zeitumstände (Barbareneinfälle, Völkerwanderung) war das Meeresheiligtum des heiligen Clemens bei der dortigen Bevölkerung fast in Vergessenheit geraten, als Konstantin-Kyrill vom Kaiser dorthin kam als Leiter einer diplomatischen Mission zu den Chasaren. Das war im Herbst des Jahres 860.
Um das Jahr 520/530 berichtet uns der Archidiakon Theodosius, dass man dort alljährlich an seinem dies natalis und seinem Oktavtag (otdanije prazdnika) Eucharistiefeiern hielt und dass viel Volk zusammenkam am Grab des Heiligen, das damals wohl nur aus einem einfachen tumulus bestand. Dann aber ging die Verehrung und das Wissen um die Clemensmemoria fast ganz unter.
Trotzdem erfuhren die Slawenapostel noch Näheres von den (wenigen) noch in dieser Gegend wohnenden Christen, wo sie zu suchen hätten. Wie Konstantin-Kyrill dem Anastasius Bibliothecarius später schrieb, scheinen die wenigen in ihrer Stadt verbliebenen Chersonesen damals wegen der Barbareneinfälle "nicht so sehr Bürger einer Stadt als vielmehr Bewohner eines Gefängnisses gewesen zu sein, da sie sich aus derselben nicht herauswagten".
So musste Konstantin-Kyrill selbst auf die Suche gehen. Nach einiger Zeit der intensiven Vorbereitung durch Gebet und Nachforschungen machte er sich zu einer bei Cherson/Korsun gelegenen Insel auf und er fand dort auch wirklich die Gebeine des heiligen Clemens. Die tatsächliche Auffindung der Gebeine, die wahrheitsgetreue Schilderung dieses Ereignisses und die lautere und gewissenhafte Haltung Konstantins werden allgemein anerkannt, so dass heute feststeht, dass es sich wirklich um die Gebeine des heiligen Märtyrers handelte. Es wird ja auch ausführlich berichtet, dass der Ortsbischof und die Bevölkerung aktiv mitwirkten an der Auffindung der Gebeine, als sie die lautere und ganz vom Glauben durchdrungene Haltung Konstantins sahen. So beteiligten sich ortskundige Leute an der Wiederauffindung der Reliquien.
Konstantin-Kyrill berichtet selbst, dass es schwierig war, den Sarg und die Gebeine zu finden. Es galt, den geeigneten Tag und die betreffende Stunde abzuwarten. Erst in der Nacht des 30. Januar 861 war die Stunde gekommen und der Tag, "an dem Gott es zuließ, dass der Heilige sich zeigte". Erst an diesem Tag (Nacht) konnte sich Konstantin-Kyrill in Begleitung des Bischofs Georg von Cherson, seines Klerus und einiger Frommer auf die Suche nach dem Clemensgrab machen und unter Psalmengesang zu Schiff aus dem Hafen von Cherson auslaufen.
Dieser Augenzeugenbericht macht wieder deutlich, dass das Auftauchen des Grabes von Ebbe und Flut abhängig war, denn sonst hätte man nicht - wie Konstantin selbst berichtet angespannt Tag und Nacht warten und noch dazu die Fahrt bei Nacht durchfuhren müssen, wie dies auch schon in früheren Pilgerberichten erzählt wird, nämlich dass man eine Barke besteigen musste zu ganz bestimmter Stunde.
Auf der Insel angekommen - so berichtet Konstantin - habe man zuerst die Augen zu Gott erhoben und sie dann auf den aufgefundenen Sarg gerichtet und dann eine Rippe des heiligen Clemens, danach sein Haupt und alle anderen noch erhaltenen Gebeine gefunden. Doch damit noch nicht genug, es sei auch noch der Anker zum Vorschein gekommen.

7. Das weitere Schicksal der Clemensreliquien.
Wie Konstantin-Kyrill schreibt, wurden die Reliquien des Heiligen unmittelbar nach der Wiederauffindung von den Chersonesen feierlich in einer Prozession in die Stadt getragen und dort zunächst in der neu erbauten Clemenskirche, dann in den Kirchen des heiligen Sozon und des heiligen Leontius und schließlich in der Kathedralkirche niedergelegt.
Nach dem übereinstimmenden Bericht der ältesten Quellen führten aber die heiligen Slawenapostel auch bei ihrer späteren Mission bei den Slawenvölkern Clemensreliquien mit sich und sie übertrugen dieselben schließlich unter großer Anteilnahme von Papst Hadrian II., seines Klerus und des gläubigen Volkes von Rom in die römische Basilika des heiligen Clemens. Dort wurden sie wohl in dem Altar der aus dem 6. Jahrhundert stammenden Basilika beigesetzt, die direkt in das Obergemach des römischen Clemenshauses integriert worden war.
Dort wollte dann auch der in Rom verstorbene Slawenapostel Kyrill beigesetzt sein, "an der rechten Seite des Altars", was wieder die innere Nähe dieser beiden Heiligen zeigt. Bis heute ist diese Stelle, die als das Grab des heiligen Kyrill angenommen wird, eine besonders beliebte Pilgerstätte aller slawischer Völker, die den beiden heiligen Brüdern Kyrill und Method die Anfänge ihres Christentums, aber auch ihrer Kultur und des Schrifttums verdanken.
Nachdem diese Basilika im Jahre l060 durch die Normannen zerstört worden war, wurden die Reliquien des heiligen Clemens in die über den Ruinen neu errichtete Basilika übertragen und dort unter dem Altar beigesetzt, zusammen mit den Reliquien des heiligen Bischofs und Märtyrers Ignatius von Antiochien (+ 110).
In der alten Basilika, die jetzt als Unterkirche wieder freigelegt ist, sind die Translationsfeierlichkeiten, so wie auch die wunderbare Errettung des Jungen, auf einem Fresko aus dem l0. Jahrhundert dargestellt.
Dass es damals möglich war, dass trotz der Steitigkeiten zwischen Rom und Byzanz (photianisches Schisma!) diese beiden heiligen vom byzantinischen Kaiser geschickten Missionare Ostroms auf dem Jurisdiktions-Gebiet von Westrom mit dem Segen des Papstes (allerdings gegen den Widerstand der bayerischen Bischöfe) wirken konnten und auch die slawische Sprache für ihre Missionierung einsetzen konnten, ist für die heutige Zeit Vorbild und Ermunterung zugleich.
Nach Meinung vieler moderner Wissenschaftler und Archäologen hat der heilige Großfürst Vladimir, genannt "Täufer der Rus`", im Jahre 988 im Baptisterium der Kathedralkirche von Cherson die Taufe erhalten, also ganz in der Nähe der hauptsächlichen Reliquien des heiligen Clemens, und er hat dort auch seine Ehe mit der purpurgeborenen Anna von Byzanz geschlossen. Unmittelbar danach habe der Großfürst "den Nastas und Priester von Cherson mit den Reliquien des heiligen Clemens und seines Schülers Phöbus nach Kiew mitgenommen". Es scheint, dass Vladimir nach der Fertigstellung der Zehentkirche (desjatina) in Kiew neben "allem anderen, was er in Korsun-Cherson mitgenommen hatte", auch die Clemensreliquien an diese Kirche gegeben hat.
Mindestens noch für das Jahr l048 lässt sich das Haupt des heiligen Clemens in Kiew nachweisen und zwar aufgrund der überlieferten Festrede anlässlich der Renovierung der Zehentkirche unter Fürst lzjaslav (+ l078), jener Kirche, "in der sich die von Großfürst Vladimir aus Cherson mitgebrachten Reliquien des heiligen Clemens befinden".
Bei der Weihe eines neuen Metropoliten (Kliment Smoljatic) argumentierte Bischof Onuphrij von Cernigov im Jahre 1145: "Ich weiß, es steht uns zu, ihn einzusetzen. Wie die Griechen mit der Hand des heiligen Johannes einsetzen, so haben wir ja das Haupt des heiligen Clemens".
Die Quellen schweigen dann nach dieser Zeit. Das Meiste aber wurde bei der Eroberung Kiews durch die Tataren/Mongolen im Jahre 1240 vernichtet.
Die Verehrung des heiligen Clemens verbindet die Kirchen von Rom und Konstantinopel mit den Kirchen, die aus der Christianisierung der slawischen Völker hervorgegangen sind. Die beiden Slawenapostel Kyrill und Method haben dies neu in Erinnerung gebracht.
Sie selbst sind wiederum für uns, zusammen mit dem Mönchsvater Benedikt, Patrone Europas.
Mögen diese drei Heiligen CLEMENS, KYRILL und METHOD auch für uns heute - und auch für die Teilnehmer an diesem Kongress - Mahnung und Auftrag sein, an einem gemeinsamen Europa zu bauen, welches das griechische, römische, slawische und germanische Erbe von Kultur, Nation und Religion achtet und weiterentwickelt zum Wohle aller Völker auf Erden.

Europa tripartita et triunita, dreigestaltig (romanisch – germanisch – slawisch) und drei-geeint.
Molitvami svjatych otjec naschich.


Dr. Albert Rauch
Direktor des Ostkirchlichen Instituts
Ostengasse 31
D - 93047 Regensburg
Mai 2000 in Minsk