OKI-Logo Abt-Emmanuel-Heufelder-Preis

 

Damaskinos Papandreou, Metropolit der Schweiz

Festvortrag bei der Verleihung des Abt-Emmanuel-Heufelder- Preises
in der Abtei Niederaltaich, 5./6. Dezember 1992

Ich möchte Ihnen, hochwürdigster Vater Abt Emmanuel und der Stiftungskommission für den Beschluss danken, mich mit dem Abt-Emmanuel-Heufelder-Preis auszuzeichnen.

Wie ich Ihnen bereits geschrieben habe, besuchte ich vor dreißig Jahren zum ersten Mal Ihre Abtei, um an jenen Tagen christlicher Einkehr teilzunehmen, die dem Thema "Einheit der Kirche" gewidmet waren. Meine ökumenische Tätigkeit hat somit in Ihrem Kloster begonnen, wo ich damals einen Vortrag halten durfte.

In dankbarer Verbundenheit denke ich an diese gnadenvolle Begegnung zurück, die mein Leben bestimmt hat, und unvergesslich bleiben mir die bewegten Worte, die damals Abt Emmanuel Heufelder an die Teilnehmer gerichtet hat, bevor er nach Taizé fuhr, um an der Einweihung der "Versöhnungskirche" teilzunehmen. Ein Ort, der wenige Jahre später mein Leben ebenfalls entschieden beeinflussen sollte.

In Demut nehme ich Ihren Preis entgegen, als eine Ermutigung zur Fortsetzung meines Dienstes. Dass die Preisverleihung mit dem Fest des hl. Nikolaus (6. Dezember) zusammenfällt, ist für mich ein zusätzlicher Grund zur Freude. Der hl. Nikolaus ist nämlich der Schutzpatron der Schweizer Metropolie und ebenfalls meines Geburtsortes. Außerdem wurde ich am Tag des hl. Nikolaus im Jahre 1970 zum Bischof geweiht.

Wenn ich übe die Begründung Ihrer Preisverleihung nachdenke, d.h. die Bemühungen um die Förderung ökumenischer Annäherungen zwischen der orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen Kirche, dann frage ich mich, von welcher Annäherung die Rede sein kann, wenn man den heutigen Stand unserer Beziehungen berücksichtigt, die unzweifelhaft in eine Sackgasse geraten sind.

Fragt man nach den tieferen Wurzeln für die Schwierigkeiten im katholisch / orthodoxen Verhältnis, so fehlt es eigentlich nicht an Informationen, gemeinsamen Erklärungen und verbalen Übereinstimmungen. Defizite bestehen bei der Geisteshaltung, die zur Überwindung der Probleme unbedingt notwendig ist. Wenn man durch den Dialog der Liebe und den offiziellen theologischen Dialog die Wahrheit wieder entdeckt hat, dass wir Schwesterkirchen sind, wenn wir bereit sind, uns gegenseitig als Kirchen im vollen Sinn des Wortes Kirche anzuerkennen und die gegenseitigen Anathemen aufgeben, dann sollte man daraus auch die theologischen und ekklesiologischen Konsequenzen auf lokaler und universaler Ebene ziehen. Das scheint nicht der Fall zu sein.

Nehmen wir zum Beispiel den Problemkreis "Uniatismus": Einerseits bewertet man auf katholischer Seite den Ursprung und die Erscheinungsformen des Uniatismus auf eine objektive, historische, pastorale und ekklesiologische Art und Weise, indem man einsieht, dass der Uniatismus als Modell und Methode die notwendige Folge einer bereits überholten exklusiven ekklesiologischen und soteriologischen Haltung der römisch-katholischen Kirche war, und verurteilt den Uniatismus als Modell für die Einheit, und andererseits ist man dabei, den Uniatismus auf eine zu übertriebene Art und Weise zu animieren und zu reorganisieren, was die Orthodoxen nachdenklich macht.

Kardinal Ratzinger hat vor einem Jahr versichert, Rom werde alles tun, damit der Gesprächsfaden nicht abreißt. Man könne sich darauf verlassen, dass der "Rat für die Einheit" seine ganze Kraft wie bisher, ja verstärkt in diesem Sinne einsetzen werde. Dass das Ende der Unterdrückung die alten Probleme wieder neu aufleben lassen würde, sei zu erwarten gewesen. Rom werde einerseits vermeiden müssen, als eine Art Schulmeister aufzutreten; andererseits ist dies eine Stunde großer Verantwortung, in der die Kirchen einer bitter werdenden Pluralität gegenüber gefordert seien, alles zu tun, um die Einheitskräfte, die Kräfte der Versöhnung zu mobilisieren.

Wir möchten mit Kardinal Ratzinger hoffen, dass das Problem seine Lösung in dem Kontext der Schwesterkirchentheologie und -ekklesiologie finden wird. Das neueste Dokument, welches in Ariccia im Juni 1991 vom Koordinationskomitee über "den Uniatismus, die Unionsmethode und die aktuelle Suche nach vollkommener Gemeinschaft" erarbeitet worden ist, hätte bei der für vergangenen Juni 1992 geplanten Vollversammlung der Internationalen Theologischen Dialogkommission vorgelegt werden sollen, und man hatte gehofft, dass es anschließend in die Tat umgesetzt würde, damit die schmerzliche Polarisierung in der Beziehung zwischen den beiden Kirchen überwunden werden könnte.

So bleibt als Fazit die Tatsache, dass der heutige Stand der Beziehungen zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche keine begründete Hoffnung auf Einheit enthält, vor allem wenn man das Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre - gerichtet "an die Bischöfe der Katholischen Kirche über einige Aspekte der Kirche als communio" - vor Augen hat, in dem die Orthodoxen Kirchen als "jene ehrwürdigen christlichen Gemeinschaften" bezeichnet werden, die "auf Grund ihrer derzeitigen Situation in ihrem Teilkirchesein verwundet" sind, da "die Gemeinschaft mit der durch den Nachfolger Petri repräsentierten Gesamtkirche nicht eine äußere Zutat zur Teilkirche ist, sondern eines ihrer inneren Wesenselemente". Was das für jene Kirchen bedeuten soll, die sich gegenseitig als Schwesterkirchen anerkannt haben, überlasse ich Ihrer eigenen Kritik. Zurückfallen in endlosen akademischen Disput "wäre ein klarer Widerspruch zu dem, was verbindlich von Kirche zu Kirche getan und beschlossen (worden) ist". Es wäre aber auch ein Widerspruch zu dem, was der Präsident der Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger, im Jahre 1976 schrieb, indem er den Hinweis auf Ignatius von Antiochien bewertete, den Patriarch Athenagoras bei der Begrüßung von Papst Paul VI. im Phanar zitierte: "Wider aller Erwartung ist unter uns der Bischof von Rom, der erste an Ehre (ist) unter uns, ‘der, der den Vorsitz hat in der Liebe’ (Röm. Prol.; PG 5,801)." Es ist klar, dass der Patriarch damit nicht den ostkirchlichen Boden verläßt und sich nicht zu einem westlichen Jurisdiktionsprimat bekennt. Aber er stellt deutlich heraus, was der Osten über die Reihenfolge der an Rang und Recht gleichen Bischöfe der Kirche zu sagen hat, und es wäre nun doch der Mühe wert zu überlegen, ob dieses archaische Bekenntnis, das von ‘Jurisdiktionsprimat’ nichts weiß, aber eine Erststellung an ‘Ehre’ und ‘Liebe’ bekennt, nicht eine dem Kern der Sache genügende Sicht der Stellung Roms in der Kirche gewertet werden könnte. Der ‘heilige Mut’ verlangt mit Klugheit ‘Kühnheit’: "Das Reich Gottes leidet Gewalt."

Wir haben trotzdem die Pflicht, vorwärts zu kommen, denn wir glauben, dass die meisten Unterschiede zwischen uns als legitime theologische Entfaltungen ein und desselben Glaubens im Osten und im Westen zu verstehen sind und nicht als Trennungen in der einen Tradition des Glaubens selbst. Wir sollten auch nicht die Hoffnung aufgeben, dass auch die Polarisierungen im Blick auf den Jurisdiktionsprimat und die Unfehlbarkeit des Papstes überwunden werden können, damit die so sehr ersehnte Wiederherstellung der vollkommenen Gemeinschaft bald Wirklichkeit werden kann. …