OKI-Logo Das Wesen und die Bestimmung der Kirche


Stellungnahme zum Studiendokument von "Glauben und Kirchenverfassung":
Das Wesen und die Bestimmung der Kirche.
Ein Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Auffassung

Von Rev. Dr. Alan Falconer wurde ich eingeladen, einige Eindrücke bei der Lektüre des Studiendokumentes über "Das Wesen und die Bestimmung der Kirche" zu nennen und inhaltlich und methodisch wichtige Aspekte für unsere Weiterarbeit zu formulieren. Ich versuche dies kurz und in Thesenform zu tun.
  1. Ich kann nur begrüßen, dass Faith and Order sich der Frage der Ekklesiologie, besser: der Kirche zuwendet. Darin zeigt sich nach meinem Eindruck nicht so sehr eine neue theologische Fragestellung neben anderen, sondern die Bereitschaft, nicht nur Konvergenzen in theologischen Studientexten zu suchen, sondern eine Einigung im Leben der Kirche als koinonia: "‘Das Ziel der Suche nach voller Gemeinschaft ist erreicht, wenn alle Kirchen in den anderen die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche in ihrer Fülle erkennen können’, und dies in einem versöhnten gemeinsamen Leben zum Ausdruck bringen" (Nr.121).
  2. Die Aufmerksamkeit für die Kirche entspricht einem "Zeichen der Zeit": In dem Maße, als sich die Menschheit ihrer universalen Verflochtenheit bewusst wird, kann der christliche Glaube nicht allein in seiner individuellen Dimension verkündigt werden, sondern wird befragt auf seine Botschaft für ein versöhntes Zusammenleben der Menschheit:
    "Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit … Die gegenwärtigen Zeitverhältnisse geben dieser Aufgabe der Kirche eine besondere Dringlichkeit, dass nämlich alle Menschen, die heute durch vielfältige soziale, technische und kulturelle Bande enger miteinander verbunden sind, auch die volle Einheit in Christus erlangen" (II.Vatikanisches Konzil, Lumen Gentium 1).
  3. Das Studiendokument bringt inhaltlich und strukturell zu wenig zum Ausdruck, dass mit der Kirche letztlich "Wesen und Bestimmung der ganzen Schöpfung" auf dem Spiel stehen. Je mehr die Kirche sich mit ihrer eigenen Wesensbestimmung befasst, desto größer wird die Versuchung zu vergessen, dass sie nicht um ihrer selbst willen da ist, sondern ihre Identität im Heilsplan Gottes mit seiner Schöpfüng findet. Schon die Überschrift des Studiendokuments "Das Wesen und die Bestimmung der Kirche" verdeckt, dass das "Wesen" der Kirche selbst "Bestimmung" ist, besser: Sendung, Mission. Auch die Reihenfolge der Kapitel ist in diesem Sinne irreführend: Zuerst wird "Das Wesen der Kirche" behandelt (I.A.), dann "Gottes Absicht für die Kirche" (I. B.; auch diese Formulierung stellt "Gottes Absicht" und die "Kirche" zu äußerlich gegenüber), ähnlich in Kapitel II.
    Auf diese Weise wirken die wichtigen Aussagen, die in Nr.26-34 die Kirche im Plan, ja im Wesen Gottes grundgelegt sehen und sie in dem weiten Horizont zwischen Ursprung und Vollendung, zwischen Schöpfung und Neuschöpfung sehen, zu blass und nachträglich zu einem statisch bestimmten "Wesen" hinzugefügt. Die Kirche steht doch im Dienst der erneuerten Menschheit und der neuen Schöpfung und ist deren Anbruch. Sie hat Anteil an der Sendung Jesu Christi (und des Heiligen Geistes!). "Um der Kirche willen wurde die Welt erschaffen" (Hirte des Hermas).
    Die Aussage "Mission gehört zum innersten Wesen der Kirche" (Nr.27) ist nicht eindeutig genug formuliert. Die Mission ist nicht nur ein Merkmal neben anderen, sondern macht die Identität der Kirche aus. Das gesamte Dokument müsste die Kirche viel stärker von ihrer missionarischen Dynamik her charakterisieren. Die Bestimmung der Kirche sollte durchsichtig werden auf "Wesen und Bestimmung der ganzen Schöpfung" hin. Nur in diesem Horizont ist die Kirche Jesu Christi nicht eine Religion neben und in Konkurrenz zu anderen Religionen, sondern eine Hoffnung auf Frieden in Gerechtigkeit für die ganze Schöpfung und eine kritische Kraft gegen die bzw. den "Herrscher dieser Welt".
  4. Um das Dokument in allen seinen Nuancen und theologischen Implikationen zu verstehen, muss man schon fast Theologieprofessor(in) sein mit einem beachtlichen Maß von kirchengeschichtlichem Wissen sowie einer soliden Kenntnis und einem guten Gedächtnis für die vielfältigen Konsens- und Konvergenztexte der Ökumenischen Bewegung. Gerade durch den Versuch einer quasi vollständigen Ekklesiologie und durch die sorgfältige Differenzierung der Terminologie, die jedem gerecht werden will, entsteht ein Dokument, das im Grunde gar nicht oder nur in kleinsten Expertenkreisen rezipiert werden kann. Die viel zitierte Krise der Ökumenischen Bewegung ist vermutlich eine Krise dieser Art von Dokumenten, die sich gegenseitig zu verdrängen beginnen und sich unweigerlich immer weiter entfernen von der Sprache und den Orten des Gebetes, des Bekenntnisses, der Verkündigung, in denen sich die koinonia der Kirchen wahrhaft vollzieht.
    Mein Votum lautet: Das Dokument, das Faith and Order erarbeitet, sollte sein Ziel nicht in der Anerkennung des Dokumentes selbst haben, sondern einen kirchlichen Prozess fördern, der zu Schritten gegenseitiger Anerkennung in der koinonia führt.
  5. Dieses Votum richtet sich keinesfalls gegen den spezifisch theologischen Auftrag von Faith and Order, sondern sucht eine Gestalt von Theologie, die dem gemeinsamen kirchlichen Glaubensbekenntnis dient.
    Ein konkreter Vorschlag, der in dem Studiendokument selbst Anhaltspunkte findet:
  6. Ansatzpunkte im Studiendokument könnten sein:
  7. Einige Beobachtungen zu einzelnen Aspekten:

Fribourg, Christi Himmelfahrt 2001

Prof Dr. Barbara Hallensleben