P. Wilhelm Klein SJ Armando Rigobello
Eine der rheinischen Mystik
nahe stehende Theologie

 

Sokrates hat bekanntlich nichts aufgeschrieben und das, was wir von ihm und über sein Denken wissen, kennen wir durch die Aussagen seiner Schüler und letztlich aus den Schriften von Autoren, die seine Zeitgenossen waren.

Der Fall eines hervorragenden Lehrers der theologischen Disziplinen im vergangenen Jahrhundert weist ähnliche Züge auf wie der des Sokrates. Es handelt sich um Wilhelm Klein, der trotz des Nachlasses einer stattlichen Anzahlvon Manuskripten in seinem langen Leben nichts publiziert hat, noch nicht einmal eine Rezension. Diesem einzigartigen Lehrmeister hat Giuseppe Trentin, der nicht nur Student, sondern auch einer seiner Jünger war, ein Buch gewidmet. Zur Zeit ist Giuseppe Trentin Professor für Grundsatzfragen der Moral in der theologischen Fakultät von Norditalien, Sektion Padua.

Sein Buch "In principio. Il ‘mistero di Maria’ nei manoscritti di Wilhelm Klein" (Edizioni Messaggero, Padova 2005) erscheint in der Reihe ‘La Croce di Aquileia’ unter den Publikationen der oben genannten theologischen Fakultät. Der Band enthält neben einer kurzen, aber dennoch inhaltsreichen Einführung zwei Teile: Gestalt und Denken des Wilhelm Klein und Maria in der Bibel und in der Liturgie. Der zweite Teil umfasst drei Kapitel: Maria im Römerbrief; Maria im Johannesevangelium; Maria im liturgischen Handeln.

Der zweite Teil bringt Auszüge aus den Manuskripten Kleins, die kurz und bündig von Giuseppe Trentin vorgestellt und erstmalig ins Italienische übersetzt worden sind. Die Manuskripte selbst, die schon fast der Vernichtung anheim gefallen waren,sind von treuen Schülern Kleins nicht nur gerettet, sondern auch in vier dicken Bänden ad usum privatum herausgebracht worden.

Es ist wohl angebracht, einige Angaben zum Lebenslauf Wilhelm Kleins, der bislang in Italien nahezu unbekannt ist, vorauszuschicken. In Traben, nicht weit von Trier, im Jahre 1889 geboren, kam er nach dem Abitur nach Rom, wo er an der Universitas Gregoriana studierte und promoviert wurde.

Nach seiner Priesterweihe trat er der Gesellschaft Jesu bei. Im Ersten Weltkrieg, an dem er als Divisionspfarrer teilnahm, wurde er folgenschwer verwundet. Nach Kriegsende erlangte er summa cum laude ein Doktorat in Philosophie an der Universität Freiburg im Breisgau. Korrelator seiner philosophischen Doktorarbeit war Edmund Husserl. Anschließend war er Professor an der Studienstätte der Jesuiten in Holland und in weiteren leitenden Funktionen tätig, darunter auch als Provinzial der Jesuiten in Deutschland. Seine fruchtbarsten Jahre waren die als Spiritual im Deutsch-Ungarischen Kolleg in Rom zwischen 1949 und 1961. Er starb im Alter von 107 Jahren im Januar 1996 in Münster.

Der von Giuseppe Trentin seinem Buch gegebene Titel lautet, wie oben erwähnt: "In principio. Il ‘mistero di Maria’ nei manoscritti di Wilhelm Klein." Die Verknüpfung von "In principio" mit mariologischen Ausarbeitungen mag im ersten Moment verblüffen. Doch enthält sie in nuce Kleins theologisches Denkgebäude: Maria, "Jungfräuliche Mutter, Tochter deines Sohnes / voll Demut, hehre und erhabenere Schöpfung, vorausbestimmtes Ziel des ewigen Rates" (Das Paradies, XXXIII, 1-3), würde Dante sagen, gehört von Anfang an zu Gottes Entwurf. "Wilhelm Klein", schreibt Trentin in seiner Einführung, "war nämlich überzeugt, dass die gesamte Bibel, vom ersten Wort der Genesis bis zur letzten Anrufung der Apokalypse, von nichts anderem spricht als von diesem "Mariengeheimnis".

"In der Bibel ist von nichts anderem die Rede", sagte er. "Die biblischen Autoren sprechen von Maria auch dann, wenn sie nicht genannt wird" (S. 34). Und er gibt wieder, was Klein feststellte: "Worüber können wir denn überhaupt sprechen, wenn nicht über die Schöpfung und folglich einfach über Maria, Gleichnisgestalt und Typos der Schöpfung, in welcher Gott sich geschaffen hat, sich schafft und immer weiter jene geschaffene Natur hervorbringen wird, die ihm gestattet, die Distanz zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen zu überwinden, um sich inkarnieren und Mensch werden zu können?

Im Grunde tut die Bibel nichts anderes als diese einzig fundamentale Wahrheit immer wieder auszudrücken, indem sie diese in historischer und symbolischer Form durch eine unbegrenzte Anzahl von Worten, Gestalten, Ereignissen und Bildern darstellt.

Zuweilen tut sie das auf direkte Art, explizit und offenkundig; meistens jedoch in indirekter Form, implizit und zurückhaltend, so wie die Kirche es übrigens später bei der Übermittlung dieser Wahrheit im Laufe der Jahrhunderte tun wird" (SS. 34 - 35).

Für Klein hat das Mariengeheimnis seinen Platz nicht in einer gefühlsbetonten Spiritualität, auch nicht in einer lediglich "erbaulichen" Pietas, - es handelt sich um ein kosmisches Geheimnis, das Eschatologie und Geschichte vereint, für dessen Erfassen aber die philosophischen Kategorien und selbst die theologische Terminologie sich im Notstand vorfinden werden.

Klein erscheint uns auch in diesen Ansichten dem Denken der Kirchenväter näher zu sein als dem der Schultheologie, in deren Ausdrucksweise er sich andererseits mit peinlich genauem Sachverstand auskennt und bewegt.

Aus der Welt der Patristik scheint er die Fähigkeit zu besitzen, in philosophischen Termini die ungewöhnliche Neuheit der christlichen Dogmen auszudrücken, falls manden Philosophiebegriff so weit fasst wie bei den Kirchenvätern üblich.

Ein weiteres Kennzeichen seines Denkens ist jener tiefe Zusammenhang zwischen Theologie und innerer Erfahrung, der ihn in die Nähe zu Anschauungen und Tonarten der rheinischen Mystik von Eckehart bis zu Nikolaus von Kues rückt. Das Ganze ist eingeflochten in der Gleichnisgestalt Mariens, die Sinnbilder, Metaphern, Paradigmender christlichen Botschaft als in ihrem wahrhaften und geheimnisvollen Mittelpunkt anbietet.

In einer interessanten Anmerkung zum Text (cfr. SS. 12 - 13) erwähnt Giuseppe Trentin die Bescheidenheit und die feine Ironie des Maestro. Gegenüber Studenten, die ihm berichteten, dass Karl Rahner ihn als den besten Theologen des 20. Jahrhunderts bezeichnet habe, antwortete er, dass er die Brüder Rahner gut kenne. Beide seien sehr intelligent, der vielleicht intelligenteste aber sei ein dritter Bruder gewesen, ein Zahnarzt, der jedoch schon verstorben sei.

Von beträchtlichem Interesse aber ist die Anmerkung 2 (SS. 13 - 14), die wir vollständig wiedergeben: "In dieser Hinsicht hat sich durch die Veröffentlichung der Manuskripte ad usum privatum alles verändert."

Von Interesse ist immerhin auch, was Albert Rauch in seinen "Gesprächen mit Wilhelm Klein" (einer Reihe von aufgezeichneten, aber noch nicht publizierten Kolloquien) auf S. 46 wiedergibt: "Mein Freund Ratzinger, Klein selbst redet da, "sprach einmal über mich: ‘Oh, der Pater Klein! - so sagte er - Wisst ihr, wer der Pater Klein für mich ist? Das ist der Sokrates von heute.’ Nun, ich stelle fest, dass ich das in einem gewissen Sinne auch bin, da hat er Recht; vor allem deswegen, weil ich, ebenso wie Sokrates, auch nicht eine einzige Zeile publiziert habe; und ebenso höre ich nicht auf, wie er, zu wiederholen: ich weiß, nicht zu wissen; ich weiß, dass ich nichts weiß; ich weiß das, was wesentlich ist: ER allein weiß, liebt, glaubt, hofft; nur ER kommt unablässig in mir, in den anderen, in jedem Menschen, in jeder Kreatur, hervor."

Giuseppe Trentins Werk ist ein nachhaltiger, ausführlicher und klarer Beitrag, um auch in Italien das Interesse für die einzigartige Persönlichkeit des Wilhelm Klein zu wecken.

Der Schreiber dieses Artikels ist weder Theologe noch hat er jemals offiziell Theologie studiert. Aber mit philosophischen Fragen beschäftigt und engagiert in der Deutung der Geschichte des Denkens nimmt er die Größe und Erhabenheit dieser Persönlichkeit aufmerksam wahr. Es stellt sich die Frage, warum Wilhelm Klein nie hat publizieren wollen, was er sich im reichen Geflecht dessen erarbeitet und entwickelt hatte, was ihn auszeichnete: spekulative Kühnheit gepaart mit weit reichender und tief gehender Spiritualität, zugleich fruchtbare Tätigkeit in der Formung und Bildung von Generationen junger Menschen im Umfeld und auf der Grundlage einer christlichen Erziehung.

Wir stellen die Hypothese in den Raum, dass Pater Klein sich in seinen gewohnten komplexen Erfahrungen in einen so umfangreichen spirituellen und spekulativen Horizont gestellt sah, dass darin die bisherigen philosophischen und auch theologischen Grundlagen innere Dimensionen gewannen, in denen jede Sprache sich als unzureichend erwies und versagte.

Die öffentliche Formalisierung durch das geschriebene Wort, d.h. die Publikation, konnte eine Verarmung einer profunden Eingebung darstellen und Missverständnisse möglich machen. Sein sokratisches Nicht-Wissen war die gelehrte Unwissenheit (docta ignorantia) eines weiteren großen Denkers vorangegangener Jahrhunderte, nämlich seines Landsmannes Nikolaus von Kues. Klein bevorzugte die innere Sammlung, die Meditation und die Kontemplation gegenüber der Kontroverse. Bei ihm überwogen das Unterscheidungsvermögen, die Epimeleia, die Sorge um die Seele - eingebracht in einer bildhaften Schilderung heiteren und unbeschwerten Bewusstseins von einer "Wahrheit", welche die schematischen Formelaussagen transzendiert, einer "Aufhebung" gleich, d.h. einem Schauen von einem höheren Sichtpunkt aus, in welchem die Widersprüche selbst sich nicht aufheben, aber in einem viel stärkeren Licht sich aufhellen.

Augustinus behauptet im Buch XII De civitate Dei, dass Gott den Menschen schuf, damit ein Anfang sei. Klein könnte dies als seine Behauptung vorbringen, indem er die Menschheit als im "Mariengeheimnis" aufgehoben versammelt sieht und folglich im schöpferischen Entwurf Gottes eingetragen.

 

L’Osservatore Romano
Annus CXLVI - N. 50 (44.192)
Seite 8, 1. März 2006

 

 

Anmerkung des Übersetzers

Man liest und staunt. Kaum ist Giuseppe Trentins Werk auf dem Markt, gibt es ein "riecheggiamento", Anklang und Widerhall, im "Osservatore"(!). Wer hätte das gedacht!? Da regt sich kein Widerspruch, kein "unheimlicher Pudel" bäumt sich auf.

Da wird ein Vorhang weggezogen und am Anfang Dante zitiert, ein ‘point de départ’, dessen Wortlaut Wilhelm Klein auf italienisch wie auf deutsch fehlerfrei aus dem Gedächtnis zu zitieren vermochte. Und am Ende mit Augustinus besiegelt. Da spricht kein Theologe der Zunft. Das ist mehr als eine Rezension. Es ist ein Bekenntnis. Und da ist Hoffnung.

Schon wieder muss ein Italiener kommen und in Erinnerung rufen, was Bernhard Welte bereits vor 40 Jahren die Erfahrung des eigenen Ungenügens der Endgestalt des gegenständlichen Denkens genannt hat. Dass die Zeit der Überprüfung der metaphysischen, d.h. gegenständlich gedachten, Theologie und Christologie gekommen sei und sie unter Bewahrung ihrer echten Substanz in eine neue Ebene des Verständnisses gewendet werden müsse. Denn von der in der Folge der Jahrhunderte immer weitergehenden Perfektion der vorstellenden und feststellenden Rationalität hatte sich ein Denker schon lange zuvor freigemacht: Meister Eckhart, und "dies, weil sein Denken einige Elemente empfing und weiterentwickelte, die er in der Metaphysik des ‘Bruder’ Thomas fand. Der Meister Eckhart und seine eindrucksvolle Überschreitung der Metaphysik … konnte keine Schule bilden. Aber die Gedanken haben wie eine beunruhigende Ausnahme den weiteren Gang des europäischen Denkens begleitet. … Die Möglichkeiten bleiben bewahrt für ein Künftiges, nachdem sie einmal in Meister Eckhart sichtbar gemacht wurden" (B.Welte).

Fast gleichzeitig und parallel gibt es eine Kritik. Ist es sinnvoll, den hingeworfenen Fehdehandschuh der liebenswürdigen Barbara Hallensleben aufzuheben, obwohl man mit einem anderen "Ansatzpunkt" viel weiter käme als mit dem "ja, lieber Gott, aber jetzt lass mich mal reden!"?

Ein Versuch, das absolut dialektische Denken Wilhelm Kleins zu systematisieren und thesenförmig vorzutragen, muss nicht von vornherein scheitern. Zu warnen ist jedoch vor einem falschen Ansatzpunkt.

Problematisch und methodisch sicher unangemessen ist es, die in einem andern Umfeld gemachten und ebenso wie ihre Adressaten mehr als dreißig Jahre zurückliegenden Aussagen Erkenntnissen gegenüberzustellen, die ihrerseits das Ergebnis einer langen und hochkarätigen Dialoggeschichte sind und uns erst jetzt in einigen weiteren zufällig auf uns gekommenen Niederschriften vorliegen. Das Ungleichgewicht im Verhältnis von damals zu jetzt, was die Aufzeichnungen betrifft, beträgt etwa 20 zu 1, obwohl die 1 aktueller und dazu vermutlich piis auribus offensivum ist. Eine Gegenüberstellung mag theologiegeschichtlich vielleicht interessant sein, mehr aber nicht. Es handelt sich um Momentaufnahmen in der Entwicklung eines Denkprozesses, der mit dem Hinübergang des Protagonisten ein nur vorläufiges Ende gefunden hat. Diesen Prozess als "Nicht-Theologie" abzuqualifizieren, weil er nicht griffig genug ist und voll vermeintlicher Widersprüche, scheint das zufällig geschriebene Wort überzubewerten. Andererseits lässt man damit außer acht, dass Wilhelm Klein sich nicht nur einmal darüber beklagte, seine Gegner würden ihm vorwerfen, er sei unredlich, weil er dem einen so und dem nächsten Gesprächspartner anders auf die gleichen Fragen antworte - je nach deren Fassungsvermögen. (Nachzulesen u.a. in der umfangreichen Niederschrift des Dr. Jürgen Kuhlmann aus dem Jahre 1967).

Aus diesem Grund muss man auf Bekenntnisse von Personen zurückgreifen, deren Lebensweg und geistige Entwicklung Pater Klein begleitet hat, und das gewiss nicht im geistigen Einbahnverkehr. Wer sich nur ein wenig auskennt, könnte eine Vielzahl von Philosophen, Theologen, Schriftstellern und Naturwissenschaftlern "aus allen Himmelsrichtungen" beim Namen nennen. Die Periode dieses Dialogs dauerte in Bonn und Münster länger als ein halbes Menschenalter. Sie disputierten mit ihm, erfuhren vielleicht Bestätigung, auch liebevolle Infragestellung, aber mehr noch eine Fülle von Anregungen für ihre geistige Arbeit. Die Zuhörerschaft Pater Kleins als Spiritual war schon in Rom keinesfalls auf "120 Priesteramtskandidaten in roten Soutanen" beschränkt; was er aber auch ihnen vermittelte, war schon damals Theologie vom Feinsten, höchsten intellektuellen Ansprüchen einer geistigen Elite genügend. Immer aber war sie begleitet und relativiert vom unablässigen Verweis auf die im Glauben verwurzelte docta ignorantia der Liebe, um Überheblichkeit und Anmaßung gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Aus demselben Grund war Pater Klein, wie er später ganz offen eingestand, immer bereit, Positionen nicht hartnäckig zu verteidigen und nach einem Geistesblitz sogar liebgewordene Überzeugungen zu revidieren: "Natürlich gebe ich mir damit eine Blöße." - "Mein Gott, was habe ich mit 64 (Jahren) noch alles geglaubt!" Welche Koryphäe unter den Theologen ist heute zu einem ähnlichen Eingeständnis bereit? Bitte melden!

Lägen uns keine anderen Schriften vor als der "Goldstaub" seiner "Botschaft an die Jugend" von 1995, die er bei klarstem Verstand formulierte und mit dem ‘Magnifikat’ als Höhepunkt beendete, und die von Albert Rauch überlieferte Rezitation des Johannesprologs kurz vor seinem Weggehen, wäre das allein als Vermächtnis schon ein Thesaurus.

Doch es gibt mehr. Und deshalb muss die Frage erlaubt sein, ob die unprätentiöse Art Pater Kleins, einer von ihm geschauten "Wahrheit" zum Durchbruch zu verhelfen, aber in Demut und Anspruchslosigkeit die öffentliche Kontroverse nicht zu suchen, ja sie aus guten Gründen zu meiden, die Behauptung rechtfertigt, dass "er seine Voraussetzungen nie offen legen und (nie) auf der Ebene des partnerschaftlichen Disputs erproben und differenzieren musste". Angesichts der Aussagen und Bekenntnisse vieler verstorbener und noch mehr lebender Gesprächspartner aus allen Schichten der Gesellschaft wird der tatsächliche Sachverhalt damit geradezu auf den Kopf gestellt. Weitaus wichtiger aber ist, dass der Prüfstand für die Tragfähigkeit der Theologie Pater Kleins mitten in der Welt der Menschen lag und sie auch daran gemessen werden sollte, ob sie diese von der Angst befreite und weiterhin befreiend wirkt, "denn der Mensch ist Freiheit oder er ist nicht" (W.Klein).

Wenn aber der Unterschied zwischen Theologie und Philosophie gar nicht so groß ist, wie Pater Klein öfter erklärte, dann muss man seine Theologie in jenem "tiefen Zusammenhang mit der inneren Erfahrung" (Armando Rigobello) sehen, der reinen Quelle der "philosophia perennis". Zu deren "Praxis" in Liebe zur Weisheit muss niemand Professor sein, sondern "nur" Mystiker wie Pater Klein. Und nach seiner festen Überzeugung ist jeder Mensch ein solcher, d.h. dazu berufen und befähigt.

Es gibt aber noch eine merkwürdige Äußerung der Barbara Hallensleben. Teilweise rührend anmutende Einlassungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein bedeutendes und angesehenes Mitglied der Internationalen Theologenkommission des Vatikans im Grunde einen Gegner hat, der zwar abstrakt mit "pluralistischer Religionstheorie"fast nur beiläufig beim Namen genannt wird (cfr. Katalog 2006, S. 16, Zeile 5 v.u.), jedoch in der Gestalt Wilhelm Kleins personifiziert zur Zielscheibe wird.

Wilhelm Klein: "In jedem Geschöpf schaue ich Ihn." Das sei "Univozität" (horribile dictu), nicht Frucht der Mystik. Wessen Frucht denn? Und der andere Mystiker, Ignatius von Loyola: "Gott finden in allen Dingen!" Blieb etwa auch ihm "der sich als alles in allem offenbarende Gott hinter seinen Gestaltwerdungen" anonym? Eine absurde Schlussfolgerung! Der Versuch, damit gleichzeitig die sogenannte "Geschichtsskepsis" Kleins, die doch ein ganz anderes Formalobjekt hat, in diesem Kontext zu desavouieren, lässt auf ein fatales Missverständnis schließen.

 

Walter Romahn