OKI-Logo Erfahrunsgbericht


Der Papstbesuch in Rumänien
6. - 11. 5. 1999

Metropolit SerafimIch sage Ihnen einige Eindrücke über den Besuch von Papst Johannes Paul in Bukarest.
Der Besuch ist ein historisches Ereignis - das größte Ereignis seit der Befreiung von der kommunistischen Herrschaft 1989.
Und das schöne ist: alle Leute in Rumänien haben den Besuch als historisches Ereignis empfunden.
Zum ersten Mal hat der Bischof von Rom ein Land besucht, in dem die Mehrheit der Christen zur orthodoxen Tradition gehört.
Niemand hat protestiert. Alle Menschen haben den Besuch positiv aufgenommen, Orthodoxe und Katholiken und Protestanten, die lateinischen Katholiken und die griechisch-katholischen Katholiken haben den Besuch als einen Segen gesehen.
Rumänien hat drei Tage seine tiefste innere Seele gezeigt: die tiefe Freude, die innere Ruhe und Einheit, die Gastlichkeit. Der Papst hat das gespürt und schon auf der Treppe des Patriarchates gesagt "Rumänien erlebe ich als einen Garten Mariens, als ein Land der Begegnung" - sagte der Papst. Ich sage: so ist Rumänien immer, aber oft verborgen, in diesen drei Tagen war es offenbar.
Die erste Begrüßung war auf dem Flugplatz Baneasa. Einerseits das größte protokollarische Unternehmen in der Geschichte der Begrüßung von auswärtigen Gästen, andererseits eine selbstverständliche und einfache Herzlichkeit, als wenn der Bruder einen Bruder besucht. Der fünfundachtzigjährige Patriarch Teoctist in seinem traditionellen weißen Gewand stützt den 79jährigen Papst - die beiden weißen weisen Alten zusammen im Papamobil dann auf den sechs Kilometern gesäumt von tausenden von Menschen, alle fröhlich. Dann die Begrüßung mit einer Andacht in der kleinen Kathedrale oben beim Pariarchat, und eine Begrüßung auf den Stufen des Patriarchates.
Und die Symbolik des Himmels: bis Freitag früh hatte es geregnet - und als der Papst am Sonntag abend ins Flugzeug nach Rom gestiegen war, fing es wieder an zu regnen! dazwischen war für den ganzen Besuch helles Wetter voller Sonne, ein Raum der Freude.
Ein Wunder, haben viele Menschen gesagt. Gerade bei den Liturgien mit hunderttausenden von Menschen.
So war das Programm des Besuches: Am Freitagabend ein Empfang im Haus des Präsidenten. Am Samstag früh eine heilige Liturgie in der katholischen Kathedrale mit den griechisch-katholischen Christen. Am Nachmittag eine Begegnung im Patriarchat mit mehr als tausend Gästen und mit der heiligen Synode - das sind bei uns die Bischöfe mit dem Patriarchen. Am Sonntag die große orthodoxe Liturgie mit der hl. Synode an der Stelle, wo die orthodoxe Bischofskirche für Bukarest entstehen soll, und am nachmittag die lateinische Liturgie in rumänischer und ungarischer und deutscher Sprache im Park beim Parlament. Dann der Abschied auf dem Flughafen.
An mehreren Stellen hat der Papst etwas ausgesprochen, was ich und die hl. Synode gedacht haben: Rumänien hat die Berufung, Brücke zu sein. Denn Rumänien ist einerseits orthodox, also "östliche" Kirchentradition. Und andrerseits ist Rumänien ein Land mit lateinischen Wurzeln, schon das Land heißt ja "das römische" - so könnte man "Rumänien" übersetzen. Der slavische Papst besucht den lateinischen Patriarchen. Der Bischof von Rom besucht den römischen Patriarchen.
Auch Polen gehört liturgisch zum Westen, aber sonst zu einem östlichen Volk, den Slaven. Der Papst hat beim Empfang im Saal des Patriarchates sich ganz persönlich an den Patriarchen gewandt und gesagt: wir beide haben in unserem eigenen Leben die Not der kommunistischen Herrschaft gespürt und die Doppeldeutigkeit, in der gerade die Verantwortlichen in der Kirche unter dem Kommunismus leben müssen. Deswegen können wir beide realitisch beurteilen, was die Rolle der Kirche für das Volk sein kann und muss."
Bei der hl. Messe im lateinischen Ritus am Sonntag nachmittag hat der Patriarch daran erinnert, dass der Papst am Sonntagmorgen an der orthodoxen Liturgie teilgenommen hat und nun der Patriarch an der lateinischen Messe. Das zeigt den großen Respekt voreinander. Auch im ersten Jahrtausend gab es eine Fülle von unterschiedlichen Riten - und doch konnte man sich als die eine katholische und apostolische Kirche fühlen. Einheit bedeutet nämlich in gar keiner Weise Uniformität. Im Gegenteil: die heiligste Dreifaltigkeit ist das Urbild der Einheit, und in der heiligsten Dreifaltigkeit ist die Unterschiedlichkeit der drei Personen geradezu Voraussetzung für die Einheit. Im Katechismus steht ja: es gibt nichts, was verschiedener voneinander wäre als die drei Personen in der heiligsten Dreifaltgkeit, und nichts, was mehr eins wäre wie der Vater mit dem Sohn im Heiligen Geist. So sollen wir eins werden, betet Jesus im hohenpriesterlichen Gebet Johannes 17.
An vielen Stellen in Bukarest haben Papst und Patriarch die Einheit der Gläubigen betont.
Im zweiten Jahrtausend hat die Trennung zwischen Ost und West Schaden gebracht. Schaden für den Osten: weil er nicht in voller Verbindung mit dem Westen war, ist der Osten unter fremde nichtchristliche Herrschaft gefallen, später unter den Kommunismus. Schaden für den Westen: er hat sich noch einmal gespalten in der Reformation. Einheit bringt immer neue Einheit hervor. Jede Spaltung erzeugt neue Spaltungen und Spannungen.
Patriarch Teoctist erklärte bei der orthodoxen Liturgie seine Hochschätzung für das, was der Papst in seiner Enzyklika ORIENTALE LUMEN im Jahr 1995 sagt: den Reichtum des Mönchtums, der Liturgie, des Herzengebetes soll der Westen vom Osten neu lernen. Patriarch Teoctist sagte, dass auch der Osten wieder viel vom Westen lernen kann: die Öffnung zur Universalität hin, den Sinn für Mission, für das Konkrete, für das soziale Engagement. Nur zusammen können die Christen heute die großen Herausforderungen der Welt mit Mut und Zuversicht als neue Chancen der Evangelisierung, der Einheit sehen, Aufruf zum Frieden, Aufruf zur Gerechtigkeit auch für die armen Länder.
Ein besonderes Zeichen der Einheit des Hl. Vaters: er hat fast überall rumänisch gesprochen, am ersten Tag klang es mühsam, ein großes Geschenk, aber jeden Tag sprach der Papst leichter diese neulateinische Sprache rumänisch, alle fühlten sich angesprochen durch das, was sie verstanden, und beschenkt durch die Feinfühligkeit des Papstes, ihre Sprache zu wählen.
Ein Zeichen der Einheit mit den Geschwistern in Jugoslawien ist der gemeinsame Appell für den Frieden, den die beiden Kirchenführer in Gebet und Rede aussprachen.
Ein Wunder für mich ist die Reaktion der Medien. Wir wissen, wie kritisch sie oft sind. Diesmal fand ich keine negativen Äußerungen in der rumänischen Presse, das Fernsehen übertrug den gesamten Besuch live. Rundfunk und Fernsehen luden viele Bischöfe und andere ein zu Interviews, jeden Tag z.B. mittags eine Stunde.
Ich möchte an dieser Stelle Chiara Lubich herzlich danken für ihre Rede in Augsburg in der evangelischen Kirche. Ich bin nämlich überzeugt, dass Chiara mit dieser Rede einen ganz wesentlichen Beitrag geliefert hat für dieses großartige Geschenk der Einheit in Rumänien!
Ich habe vorhin gesagt: jede Einheit ist fruchtbar für neue Einheit. Das Bischofstreffen in Ottmaring hat eine solche starke Einheit zwischen den Bischöfen der verschiedenen christlichen Traditionen gezeigt und hervorgebracht, dass ich fest überzeugt bin, dass das Bischofstreffen in Ottmaring ein Fundament war für das Wunder des Papstbesuches und seiner Aufnahme in Rumänien. Eine Reihe der Bischöfe vom Bischofstreffen in Ottmaring war ja in Bukarest dabei und hat die Einheit mitgebracht, z.B. Kardinal Vlk.
Ich habe zu Patriarch Teoctist gesagt: warum haben wir eigentlich nicht daran gedacht, je einen Bischof von jeder anderen orthodoxen Kirche einzuladen. Dann hätte jede orthodoxe Kirche persönlich erleben können, wie sehr positiv dieser Besuch des Papstes in Rumänien war, niemand könnte etwas dagegen sagen. Vielleicht ist dieser erste Besuch ein Anstoß für weitere in einem "orthodoxen" Land!
Ganz zum Schluss noch ein kleines Beispiel für die Wunder, die beim Papstbesuch geschahen: Am Dienstag, also zwei Tage nach dem Besuch des Papstes in Bukarest, ganz in der Kraft jener Einheit, kam die Verantwortliche des Fokolars Bukarest in die orthodoxe Theologische Fakultät, Vida Rus, mit zwei Doktortiteln in slawischer Philologie, und fragte vorsichtig an, ob sie nicht ihre Dienste anbieten könnte für slawische Kirchensprache. Dekan Cornitescu, der in Regensburg studiert hat und im Ostkirchlichen Institut die Fokolare und Prälat Dr. Rauch kennen gelernt hat, war ganz aus dem Häuschen. Stellt euch vor, ruft er, gestern Montag hat die wissenschaftliche Kommission unserer Fakultät beschlossen, eine Vorlesung in Kirchen-Slawisch in das Programm aufzunehmen. Aber wer könnte das machen? Und heute schickt uns der Hl. Geist die Professorin! Dekan Cornitescu stellte Vida sofort für zwei Wochenstunden ab Wintersemester 1999 an!


Metropolit Dr. Serafim Joanta
Ostengasse 29-31
D-93047 Regensburg
[49] 0941 565742 fon & fax