Mit Dr. Alexei Bodrov, dem Rektor des Biblisch-Theologischen Instituts St. Andreas in Moskau haben wir gemeinsam zum 150. Geburtstag des russischen Religionsphilosophen Vladimir Solovev (* 16. Januar 1853, + 31. Juli 1900) eine Tagung organisiert. Bei meinem Osteraufenthalt in Moskau wurde das Thema festgelegt: "Russland und die Universale Kirche", mit den beiden Hauptschwerpunkten "Alleinheit" und "Gottmenschentum", zwei Realitäten, die Solovevs Werk prägen. Das Ostkirchliche Institut hatte bereits zwei Tagungen zum 100. Todesjahr von Solovev ausgerichtet: in Novgorod (20.-24.05.1998) und in Regensburg (10.-13.09.2000), in der Symposiumsreihe "Gemeinsam ins Dritte Jahrtausend". Die Finanzierung der diesjährigen Internationalen Tagung in Moskau geschah durch eigene Beiträge der Teilnehmer, CCCC (Einheitssekretariat) und OKI. Als Tagungsort wählten wir den historischen Adelssitz der Fürsten Trubetzkoj. Dort ist Solovev im August 1900 gestorben.
Dienstag, 23.09.03
Mit mir reisten Ide Schwinghammer und Stella Tomiola vom Ostkirchlichen Institut. Nach Teilnahme an der hl. Messe in St. Ludwig fuhren wir zuerst zum Neujungfrauenkloster. Dort waren wir am Grab der Familie Solovev zum Auftakt unserer Konferenz. Dann ins Kirchliche Außenamt des Moskauer Patriarchats im Danilovkloster. Dort langes Gespräch mit den beiden Verantwortlichen für die Kontakte zur katholischen Kirche: o. Igor Vi¾anov, den wir mit Metropolit Kyrill und einer großen russischen Delegation beim Weltkongress von Sant Egidio Anfang September in Aachen getroffen hatten, und o. Ivan Lapidus, gerade zurück von der Tagung in Bose über das Moskauer Konzil 1917/18. Sie erzählten, dass es trotz mancher Spannungen in den Beziehungen Moskau - Vatikan auch Räume mit positiver Erfahrung gibt: Vatikan selber, Ostkirchliches Institut Regensburg, Johann-Adam-Moehler-Institut (Dr. Oeldemann), Lehrstühle für Ostkirchenkunde (Dr. Bremer, Dr. Suttner). Dann empfing uns Metropolit Kyrill (Gundjajev, von Smolensk und Kaliningrad/Königsberg, *20.11.1946, Bischof seit 14.03.1976, seit 1989 auch Leiter des Kirchlichen Aussenamtes des Moskauer Patriarchats). Der Metropolit hielt eine Lobrede auf meine jahrzehntelange Tätigkeit als Brücke zwischen katholischer und orthodoxer Kirche und lobte und dankte für die Treue, Ausdauer und Liebe zur Russischen Orthodoxen Kirche - auch in schwierigen Zeiten - damals und heute. Dann überreichte er den "Orden des rechtgläubigen Fürsten Daniel" mit einem Schreiben des Patriarchen: "In Anerkennung der Bemühungen zum Aufbau guter zwischenkirchlicher Beziehungen und in Verbindung mit dem 70. Geburtstag wird Msgr. Dr. Albert Rauch ausgezeichnet mit dem Orden der Russischen Orthodoxen Kirche des heiligen rechtgläubigen Fürsten Daniel von Moskau III. Grades. Alexij, Patriarch von Moskau und der Ganzen Rus, Moskau am 10. September 2003". Auch Nikolaus Wyrwoll wurde dieser Orden verliehen. Metropolit Kyrill zeichnete ein Bild für die derzeitigen Beziehungen mit Rom: "Wenn ein Fluss aufgestaut wird, fließen augenblicklich scheinbar weniger Wassermassen als vorher, doch das Wasser wird nur gesammelt und aufgestaut, um hernach umso stärker zu fließen". Dann zurück zum Tagungsort Uzkoje, wunderbar gelegen in einem riesigen Park mit Teichen, innerhalb des Stadtgebietes von Moskau. Unser erster Eindruck an der Rezeption: ein Kreis junger Leute, die alle in direkter Beziehung zu uns stehen: Rektor Dr. Alexei Bodrov, Prof. Dr. Andrej Danilov, Prof. Dr. Vladimir Khulap, Prof. Dr. Alexander Bendzin und die Sekretärin Olga Smolkova. Metropolit Filaret von Minsk sprach das Eröffnungswort, Vorsitzender der Theologischen Kommission des Moskauer Patriarchats, seit 1968 im Ostkirchlichen Institut bekannt, als Leiter der Moskauer Akademie, als Exarch in Berlin, als Leiter des Kirchlichen Aussenamtes, seit 1976 als Exarch in Weißrussland. Er las zuerst einen Weihnachtsgruß vor, den ihm Irina Michailovna Poznova, die Leiterin des Verlags "®isn s Bogom" vor Jahren aus Brüssel geschickt hatte. Metropolit Filaret lobte die jahrzehntelange unermüdliche Arbeit des Verlages, in dem sie in schwersten Zeiten die russische theologische Literatur veröffentlichten, was damals in der Sowjetunion nicht möglich war, und heimlich nach Russland bringen ließen, u. a. die phototypische russische Ausgabe aller Werke von Solovev. Der Metropolit las auch das Weihnachtsgedicht vor Solovev vor, das Irina beigelegt hatte. Der katholische Erzbischof Taddeus Kondusievic bedankte sich bei den beiden Instituten (St. Andreas und OKI) für die Ermöglichung dieser Tagung. In meinem Grußwort wies ich darauf hin, dass die großen russischen Gedanken von Solovev, Florenskij, Bulgakov u.a. gleichsam in einer 70-jährigen babylonischen Gefangenschaft in Russland lebten, um so mehr aber im Westen fruchtbar wurden. Sie haben großen Einfluss genommen, besonders auf die "Theologie Novelle": Henry de Lubac, Jean Danielou, Yves Congar. Urs von Balthasar und Joseph Ratzinger als Konzilstheologen brachten vieles vom "Russischen Denken" in die Dekrete des II. Vatikanums ein. Ich zitierte Sergej Bulgakov, aus einem Brief kurz vor seinem Tod im Exil in Paris: "Alles, alles was mir gehört, ist von dort. Und wenn ich sterbe, kehre ich dorthin zurück - dort ist die einzige Pforte - die der Geburt und die des Todes". Möge diese Prophezeiung nun Wirklichkeit werden - dazu ist unser Kongress ein kleiner Beitrag. Während des festlichen Abendessens zur Eröffnung der Internationalen Konferenz "Russland und die Universale Kirche" gab es viele Trinksprüche. Zum Schluss forderte mich Metropolit Filaret auf. Ich sagte: "Wenn heute viele Angst haben vor Säkularisierung und Globalisierung, dann könnte man im Blick auf Solovev darin nicht nur eine Bedrohung sehen, sondern dem auch die positive Seite abgewinnen: die Alleinheit ist von Gott gewollt und wird von ihm gewirkt durch den Gottmenschen, der den irdischen und den himmlischen Bereich in einer Person verbindet und auf die ganze durch ihn erlöste und geheiligte Schöpfung überträgt, der für das saeculum stirbt und die ganze Welt, mundus - globus, erlöst". Ähnliches klang auch in den Referaten und Diskussionen - Alleinheit - Sophia werden von Solovev nicht nur postuliert oder als Zukunftsvision gesehen, sondern sie sind durch die Inkarnation und die Kenosis Gottes in Christus bereits jetzt der Urgrund alles Geschaffenen in der lebendigen Beziehung zum ungeschaffenen Urgrund. Man kann nur hoffen, dass einige der anwesenden "Grenzgänger" im Sinne von Solovev die von ihm verkündete und bereits existierende Einheit der Kirche leben. Schön war, dass vier russische, orthodoxe Fokolarinnen einen Tag an den Vorträgen teilnahmen und dadurch Impulse erhielten, ihre Kenntnisse über die russische orthodoxe Tradition und das "Russische Denken" weiterhin zu vertiefen.
Freitag, 26.09.03
Abflug von Moskau nach Budapest, weiter nach Bukarest/Rumänien und nach Râmnicu Vâlcea zu unserem ersten rumänischen Stipendiaten Bischof Gherasim Cristea, der 1969 im Ostkirchlichen Institut begann, zur Feier des 500-jährigen Bestehens seiner Diözese in Oltenien, mit Patriarch Teoctist und zahlreichen Bischöfen. Der Besuch war verbunden mit Treffen mit ehemaligen Stipendiaten, mit Äbtissinnen der Klöster Govora, Dintrun lemn, Ostrov, Orsova und der Abt von Cozia.
Dr. Albert Rauch Ostkirchliches Institut Ostengasse 31 D-93047 Regensburg
|