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Die Auffindung der sterblichen Überreste
von Bischof Theodor Romža

 

Einleitung
Am 3. Juli des Jahres 1998 machten zwei Priester der griechisch-katholischen Diözese Užhorod/Ukraine in der Krypta ihrer Kathedrale einen Fund: Es handelt sich, wie inzwischen auch von wissenschaftlicher Seite bestätigt wurde, um die sterblichen Überreste des Bischofs von Užhorod, Theodor Romža, der im Jahre 1947 nach einem misslungenen Attentat im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes im Krankenhaus ermordet wurde. Bis in unsere Zeit hielt sich das Gerücht, dass die Gebeine des Bischofs an einen unbekannten Ort gebracht wurden, nun wurden sie wiedergefunden. Inzwischen wurde seitens der Diözese Užhorod das Verfahren zur Seligsprechung Bischof Romžas eingeleitet. Der "promotor iustitiae" dieses Verfahrens, P. László Puskás, dessen gleichnamiger Vater als Priester ein enger Mitarbeiter und Leidensgenosse Bischof Romžas gewesen ist, bat den Verfasser dieses Artikels, auf Grundlage seines in ungarischer Sprache erschienenen Buches (1) einen kurzen Bericht über die Auffindung der sterblichen Überreste des Bischofs in deutscher Sprache zu verfassen. Dieser Bitte nachkommend sei zunächst ein Überblick über Bischof Romžas Leben, Wirken und seine Ermordung geboten.

Bischof Theodors Leben und Wirken
Theodor Romža wurde am 14.4.1911 im damals zu Ungarn gehörenden Transkarpatengebiet in Velikij Bitschkov als Sohn des griechisch-katholischen Eisenbahnbeamten Paul Romža und seiner Frau Maria geboren. Nachdem in Theodor der Wunsch gereift war, Priester zu werden, sandte ihn der Bischof nach Abschluss der Schulausbildung im Jahre 1930 in das Collegium Germanicum in Rom. 1934 wechselte er an das russische Kolleg und wurde ebendort am 11. November 1936 zum Priester geweiht. Sein Primizspruch lautete: "Herr, Dein Knecht bin ich, Sohn Deiner Magd" (Ps 116,16).
Die Heimkehr Theodors im Jahre 1937 fiel in eine Zeit folgenreicher politischer Umwälzungen: Die seit 1918 zur Tschechoslowakei gehörende Region wurde im Jahre 1939 nach kurzer Zeit der Aufteilung zwischen beiden Staaten, die auch die griechisch-katholische Diözese betraf, wieder Teil Ungarns. Gleich nach seiner Ankunft leistete Theodor seinen Militärdienst und diente hierauf als Seelsorger in mehreren Dörfern Transkarpatiens. Im Jahre 1944, nach dem Tod des Bischofs von Užhorod, Alexander Stojka, wurde Theodor Romža, der in der Diözese als gebildeter und eifriger, aber gleichzeitig in politischen Fragen zurückhaltender Seelsorger hohes Ansehen genoss, zum neuen Bischof ernannt, und am 24. September desselben Jahres in der Kathedrale von Užhorod geweiht. Im Oktober des Jahres 1944 stand das gesamte Kapartengebiet unter der Besatzung der Roten Armee: In Flugschriften wurde verkündet, dass diese Militäraktion das Ziel habe, die Tschechoslowakei im Umfang von 1918 wiederherzustellen, während in Wirklichkeit angestrebt wurde, die Karpatenregion in das neue Sowjetreich einzugliedern. Nachdem Bischof Romža in etlichen ukrainischen Zeitungen die Aussage untergeschoben wurde, er würde einen Anschluss an die Sowjetukraine begrüßen, beschloss dieser, in Zukunft an keinen politischen Versammlungen mehr zu erscheinen. Trotz zahlreicher Drohungen verweigerte der Bischof die Unterzeichung des sog. Manifests von Mukacevo vom 26. November 1944, welches den Anschluss Transkarpatiens an die Sowjetukraine erklärte.
Bereits im Dezember des Jahres 1944 begann der Kampf der kommunistischen Machthaber gegen die griechisch-katholische Kirche: Mit tatkräftiger Unterstützung der Armee wurden im Gebiet von Hust, wo die Orthodoxen in zahlreichen Dörfern seit der tschechoslowakischen Zeit die Mehrheit bildeten, Kirchengebäude besetzt und den Orthodoxen übergeben. (2) Die Lage verschärfte sich dadurch, dass sich die lokale orthodoxe Kirche dem Patriarchat von Moskau unterstellte. Die kommunistische Führung in Moskau kam seit 1934 zu der Einsicht, dass die angestrebte Vernichtung der russischen orthodoxen Kirche in der damaligen Situation nicht durchführbar wäre. So wurde die russische Kirche gleichsam in Gefangenschaft genommen, um wenigstens für politische Ziele des Regimes dienlich zu sein. Stalin versuchte die unierten Diözesen dadurch zu beseitigen, dass sie 1946 in Lemberg und 1949 in Užhorod mittels staatlich angeordneter Pseudosynoden einfach dem Patriarchat von Moskau angegliedert wurden. Als sich abzeichnete, dass sich in den Diözesen des Karpatengebietes nur etwa 36 % des Klerus dem Druck beugte, und Bischof Romža sich mit Vehemenz allen diesbezüglichen Maßnahmen widersetzte, war das Schicksal der griechisch-katholischen Kirche besiegelt: Nur die Vernichtung konnte den Widerstand beseitigen. Über die Versuche Bischof Romžas, mit Rom Kontakt aufzunehmen, ist nicht viel bekannt. Auf Umwegen erfährt er von der am 23. Dezember verlautbarten Enzyklika Pius'XII. "Orientales omnes", die den bedrängten Unierten Mut zuspricht. Nachdem selbst der private Religionsunterricht verboten wurde, beruft sich der Bischof auf die von Stalin proklamierte Anerkennung der Gewissensfreiheit. Er erreichte damit zwar die Duldung des Unterrichts "auf dem Papier", verhinderte aber nicht die Verschärfung individueller Schikanen der Machthaber, nun insbesondere gegen die Priesterausbildungsstätten gerichtet. Es folgten Enteignungen kirchlicher Liegenschaften und schließlich der zuvor genante "Anschluss" an das Moskauer Patriarchat. Als sich abzeichnete, dass Bischof Romža nicht bereit war, gegenüber dem Regime nachzugeben, war sein Schicksal besiegelt.

Bischof Romžas Ermordung
Bis vor wenigen Jahren waren Augenzeugenberichte die einzige Quelle über die Geschehnisse um die Ermordung Bischof Romžas. Im Jahre 1996 änderte sich der Informationsstand durch das Erscheinen der Memoiren von Pavel Suduplatov, der als KGB (bzw. bis 1953 NKWD)-Offizier und Befehlshaber der Antiterroreinheit des sowjetischen Innenressorts an der Ermordung des Bischofs maßgeblich beteiligt war (3). Auch aus anderen, inzwischen veröffentlichten Geheimakten (4) der für Kultusangelegenheiten zuständigen Ratsvorsitzenden Karpov und Poljanskij geht hervor, dass zur Lösung der "Problemfalls Romža" dem Regime jedes Mittel recht war. Suduplatov berichtet, dass Chruschtschov an Stalin herantrat, um die Ermordung des Bischofs zu organisieren. Der Minister für Landesverteidigung, Viktor Abakumov, wie auch lokale Befehlshaber waren in den Plan eingeweiht. Doch der erste Versuch schlug fehl: Als der Bischof am 27.10.1947 von einem Kirchweihfest zurückfuhr, wurde seine Kutsche von einem Militärlastwagen gerammt. Aus einem zweiten Wagen entstiegen mehrere Männer, die auf die am Boden liegenden Personen mit Eisenstöcken einschlugen. Im selben Augenblick kam ein Postwagen die Straße entgegen, worauf die Täter flüchteten. Während der Kutscher seinen tödlichen Verletzungen erlag, überlebten der mitfahrende Priester und die zwei Seminaristen wie auch der Bischof, der mit Kopfverletzungen und einem doppelten Kieferbruch in das Krankenhaus von Mukacevo eingeliefert wurde. Der Zustand des Bischofs stabilisierte sich zusehends, und er machte sich bereits Gedanken über die Zeit nach seiner Entlassung.
Auch die mit der Ermordung des Bischofs beauftragten Personen wussten um seine Genesung. Suduplatov selbst traf die Vorkehrungen für den zweiten Angriff: Er bestellte vom Leiter der toxikologischen Abteilung des NKWD, Majranowskij, eine Ampulle Curare. Diese Substanz ist als indianisches Pfeilgift bekannt und kann in geringer Dosierung bei Operationen verwendet werden, um Muskelfunktionen gänzlich zu unterbinden. Der Patient bleibt dadurch zwar bei Bewusstsein, ist aber gänzlich kommunikationsunfähigt und auf künstliche Beatmung angewiesen. Durch die Enzyme beginnt gleichzeitig ein Abbau dieser Substanz, so dass sie nach einiger Zeit ihre Wirkung verliert und schließlich nicht mehr nachgewiesen werden kann. Diese Tatsache spielte bei der Auswahl des Giftes zur Ermordung des Bischofs eine wesentliche Rolle: Bei der anschließenden Obduktion konnte so ein Blutgerinsel als Todesursache angegeben werden.
Eine Agentin Suduplatovs wurde mit Hilfe des Oberarztes als Reinigungsperson in das Spital eingeschleust. Nachdem die beim Bischof wachenden, dem Orden der Basilianerinnen angehörenden Schwestern auf Befehl des Oberarztes für kurze Zeit das Krankenzimmer verließen, konnte die Agentin Bischof Romža das Gift verabreichen. Als die Schwestern zurückkamen, hörten sie den Bischof noch die Worte "O Jesus" stöhnen, und gleich darauf konnte nur mehr der Herzstillstand festgestellt werden. Dem im Nachbarbett liegenden P. Batschinskij war nicht entgangen, dass eine junge Frau dem Bischof etwas unter die Nase gehalten hatte, weshalb sich unter den Gläubigen schnell die Nachricht verbreitete, der Bischof sei vergiftet worden. Als der diensthabende Arzt den Chefarzt vom Tod des Bischofs verständigen wollte, bekam er den letzten Satz eines Telefonats zu hören: "Ich habe die mir anvertraute Aufgabe erledigt." Am nächsten Morgen kondolierte der Chefarzt und gestattete, den Bischof mit der Soutane bekleidet in der Kapelle aufzubahren. Die Tatsache, dass in dem Autopsiebericht eine Gehirnblutung als Todesursache festgestellt wurde, bedeutet nicht, dass dieses Dokument vorsätzlich gefälscht wurde. Es ist durchaus möglich, dass das Gift zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar war. Am 4. November fand das feierliche Begräbnis des Bischofs in der Kathedrale von Užhorod statt. Auch die Drahtzieher der Ermordung erwiesen ihm die "letzte Ehre", indem sie in der Zeit des Begräbnisses den Verkehr auf den Schienen und Straßen der Region lahmlegten, wodurch viele Gläubige zu spät kamen. Der Sarg des Bischofs wurde in eine Wandnische der Krypta gelegt, die sogleich zugemauert wurde. Im Februar 1949 wurde die Kathedrale den Orthodoxen zugewiesen. Unter den Gläubigen verbreitete sich das Gerücht, dass die Gebeine des Bischofs durch den sowjetischen Geheimdienst heimlich aus der Krypta entfernt und an einen unbekannten Ort gebracht worden seien.

Die Auffindung der sterblichen Überreste Bischof Romžas
Im Jahre 1991, nach der Rückgabe der Kathedrale von Užhorod an die griechisch-katholische Kirche, begann man mit den Renovierungsarbeiten am völlig baufälligen Gotteshaus. Im Jahre 1996 wurde auch das Mauerwerk der Krypta instandgesetzt. Am 3. Juni 1998 gingen zwei Priester in die Krypta: Sie wollten die Grabnische Bischof Romžas untersuchen und dachten daran, vielleicht Teile des Sarges zu finden. Einer von ihnen leuchtete mit der Taschenlampe in die Nische: Nichts war zu sehen, außer, dass der Boden vor kurzem neu zementiert worden war. Daraufhin riet der andere Priester, in die Nische unterhalb zu schauen. Zum Vorschein kam ein aufgebrochener und stark verwitterter Holzsarg. Der Priester hob einen Gegenstand nach dem anderen aus dem Sarg: Paramentenreste, Knochenteile und einen zersägten Totenschädel (Nach dem Tod des Bischofs verbreitete sich das Gerücht, dass das Gehirn des Bischofs nach dessen Obduktion für weitere Untersuchungen nach Kiew gebracht worden sei). Die Priester begannen zu überlegen, wer dieser Tote sei; sie wagten nicht daran zu denken, dass sie den Sarg ihres Bischofs gefunden hatten. Unterdessen kam auch Sr. Theophila OSBM, die den Bischof im Krankenhaus gepflegt hatte, in die Krypta und identifizierte anhand der Zähne die Gebeine als die Bischof Romžas. Es stellte sich heraus, dass anlässlich der Renovierung angeordnet wurde, die Särge in die untere Reihe zu stellen, um so die oberen Nischen verputzen zu können. Niemand dachte damals auch nur im entferntesten daran, dass die Gebeine des Bischofs noch vorhanden sein könnten.
Untersuchungen von Fachleuten des Budapester Museums für Völkerkunde beseitigten die letzten Zweifel, ob tatsächlich der Sarg des Bischofs gefunden wurde: Die Stickereien auf den Paramenten stimmen mit denen auf der Fotografie des aufgebahrten Bischofs exakt überein, etwaige Verfärbungen wurden durch chemische Prozesse verursacht. Auch der Schädel des Bischofs wurde durch Experten des naturwissenschaftlichen Museums untersucht: Der anthropologische Befund bestätigt mit größter Wahrscheinlichkeit die Echtheit der Gebeine (5). Inzwischen wurde das Verfahren zur Seligsprechung Bischof Theodor Romžas eingeleitet. Papst Johannes Paul II. bezeichnete vor kurzem den Bischof als einen "großen Märtyrer". Lászlo Puskás benachrichtigte den Verfasser dieses Artikels, dass der römische Vize-Kardinalssekretär dem Postulator des Verfahrens, P. János Szöke (6) SDB, vor kurzem folgendes brieflich mitteilte: Der Papst beabsichtige, im Jahre 2000 Bischof Romža gemeinsam mit zwei durch den rumänischen Geheimdienst ermordeten Bischöfen (Bischof János Scheffler und Bischof Szilárd Bogdánffy) seligzusprechen.

 

Anmerkungen
(1) László Puskás, Romzsa Tódor püspök élete és halála (ungarisch). Budapest 1998; zur Auffindung der Gebeine vgl. auch: ders. Romzsa Tódor, a Munkácsi görögkatolikus egyházmegyevértanú püspöke elpusztitottnak hitt földi maradványai kükönös megtalálásának története (ungarisch), in: Vértanuink-Hitvallóink, Szentté avatások hiradója 14 (4. Jahrgang, September 1998), hersg. v. Magyarorsszági Mindszenti Alapitvány, Budapest 1998, S. 18-29.

(2) Vgl. zur Lage der katholischen Kirche in der UdSSR im allgemeinen: E. Chr. Suttner. Die katholische Kirche in der Sowjetunion, Würzburg 1992.

(3) Pavel Anatoliewitsch Suduplatov, Razvetka i Kreml, Moskau 1996.

(4) Vgl. zu den veröffentlichten Akten die Angaben bei Puskás Romzsa Tódor püspök, S. 174 FN 216 u. S. 183 FN 225.

(5) Die Untersuchungsergebnisse sind veröffentlicht bei: Puskás, Romzsa Todór püspök, 270-275.

(6) der aber nichts davon wußte, als Wyrwoll ihn im November 1999 in Budapest anrief.


Mag. Thomas Mark Németh
DER CHRISTLICHE OSTEN
Würzburg 1999