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Hl. Sabas, Abt

 

LESEHORE

 

ZWEITE LESUNG
Robert Bellarmin (+ 1621)
Aus einer Ansprache »Über die Bergpredigt«,
gehalten am 7.11.1604 in der Kathedrale St. Stephan und Agatha zu Capua.

 

Selig, die arm sind vor Gott.

 

»Selig, die arm sind im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich.« (1) Manche verstehen unter den »Armen im Geiste« jene, die der Einstellung nach, nicht aber in Wirklichkeit arm sind. Andere hingegen sagen, mit den »Armen im Geiste« seien die wirklich und wahrhaftig Armen gemeint. Beides ist wahr.

Der Herr fügt jedoch den Ausdruck »im Geiste«, das heißt dem Willen nach, hinzu, um all die vielen auszuschließen, die nur notgedrungen arm sind. Diese nämlich sind nicht selig, sondern elender als alle anderen; denn sie sind völlig davon in Anspruch genommen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, so dass sie überhaupt nicht an das ewige Leben denken. Jedoch sagt er nicht: Selig die Armen dem Willen nach, sondern: »die Armen im Geiste«, um auszudrücken, dass er jenes geistliche Wollen meint, das der Heilige Geist ihnen eingibt: freier zu werden fur Gott allein, dem Beispiel Christi zu folgen und im Himmel ihre Schätze zu sammeln (2).

Warum preist der Herr die Armen selig? Sicher werden nicht nur die Armen gerettet, und auch nicht alle Armen werden gerettet. Aber dem Urteil des Herrn zufolge ist die wirkliche und wahrhaftige Armut ein Mittel zum Heil. Reichtum dagegen ist ein Hindernis auf dem Weg zum Heil. Keines von beiden wirkt auf absolut notwendige Weise; denn es kann geschehen, dass jemand, obwohl er jenes Mittel benutzt, verdammt wird, wenn er die übrigen Erfordernisse nicht erfüllt, genauso wie jemand trotz dieses Hindernisses gerettet werden kann, wenn das auch schwieriger ist.

Jener Ausruf also: »Selig, die arm sind im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich« bedeutet, dass die wirklich Armen sich freuen sollen, denn sie sind frei von jenem großen Hindernis und verfügen über ein gutes Hilfsmittel. Und wenn er sagt: »Weh euch, die ihr reich seid« (3), meint er, die Reichen sollten nicht allzu froh sein; denn ihnen fehlt ein wichtiges Hilfsmittel, während ihrem Heil ein großes Hindernis im Weg steht. Wenn sie also nicht äußerst gewissenhaft mit ihren Gütern umgehen, werden sie das Heil verlieren.

Diese Lehre ist von großer Bedeutung und weicht vom allgemeinen Denken weit ab. Und doch ist sie zutiefst wahr. Obwohl nun das Wort des Herrn, sein eigenes Beispiel und das der Apostel und so vieler Heiliger, die alles verlassen haben, genügen sollten, findet sie trotzdem auch noch ihre Begründung in der menschlichen Vernunft. Denn der Reichtum erzeugt aus sich heraus den Hochmut. Wenn jemand sieht, wie andere von ihm abhängig sind, dann macht ihn das aufgeblasen. Ebenso erzeugt der Reichtum die Begehrlichkeit des Fleisches; denn die Reichen führen ein angenehmes Leben und tragen feine Kleidung (4); und mit ihrem Geld können sie sich die Unschuld vieler Menschen gefügig machen. Schließlich erzeugt der Reichtum die Habsucht, die die Wurzel aller Übel (5) und »ein Götzendienst« (6) ist; denn das viele Geld zwingt seinen Besitzer, es zu lieben; und wenn er es liebt, will es von ihm vermehrt werden.

Dagegen lautet die Bitte des Weisen an Gott: »Gib mir weder Armut noch Reichtum; nähr mich nur mit dem Brot, das mir nötig ist.« (7) Wenn die Armen seliggepriesen werden, warum will der Weise nicht arm sein? Darauf kann man antworten, dass Salomo hier von der erzwungenen, unfreiwilligen Armut spricht, die der Gefahr zu stehlen ausgesetzt ist, nicht aber von der freiwilligen, die von jeder derartigen Gefahr frei ist, weil sie Gegenstand der Verheißung Christi ist. Außerdem gehören zur Seligkeit der Armut nicht unbedingt Elend und Not, worüber Salomo an dieser Stelle spricht. Er sagt nämlich: »Gib mir weder Armut - gemeint ist die Armut des Bettlers - noch Reichtum.« Vielmehr genügt es, keinen eigenen Besitz zu haben. Denn wer keinen eigenen Besitz hat, der ist wirklich, auch wenn er keinerlei Mangel leidet, frei von jedem Hindernis, wie es der Reichtum dem Heil in den Weg stellt.

Nun werdet ihr einwenden: Also können nur Ordensleute »arm im Geiste« sein. Meine Antwort darauf lautet: Tatsächlich bezieht sich diese Seligpreisung vorrangig auf Menschen, die sich wirklich Gott geweiht haben. Dennoch können auch die Menschen in der Welt danach streben. Wenn sie reich sind, sollen sie sich auf mäßige Speise und einfache Kleidung beschränken und alles andere den Armen geben. Wenn sie einem einträglichen Handwerk oder Gelehrtenberuf nachgehen, sollen sie entweder auf ihr ererbtes Vermögen verzichten und von ihrem Handwerk oder ihrer Gelehrsamkeit leben oder ihr Vermögen behalten und dennoch mit Fleiß und Eifer ihr Arbeit nachgehen, um Almosen geben zu können. Wer reich ist und sein Vermögen behalten will und trotzdem nach jener Seligkeit strebt, muss sich jedenfalls über dreierlei im klaren sein: Erstens, dass er nicht Herr, sondern Verwalter seines Besitzes ist. Dies trifft zu, wenn er auf Gott blickt, dem er Rechenschaft abzulegen hat. Zweitens, dass der Herr einem solchen Verwalter nur bescheidene Nahrung und einfache Kleidung zugesteht. Sein Lohn wird im Himmel, nicht auf Erden sein (8). Schließlich, dass es nicht der Wille des Herrn ist, dass sein Besitz angehäuft oder zurückgehalten, sondern dass er treu an die Glieder seines Leibes ausgeteilt werde.

In unserer Zeit gibt es unter dem Klerus und in den Orden nur eine geringe Zahl solcher wirklich »Armen vor Gott«, und unter denen, die in der Welt leben, sind es noch weniger. Das ist auch kein Wunder. Fing doch die Krankheit der Habsucht schon bei Judas und später bei Hananias und Saphira (9) an. Der tiefste Grund dafür ist unser Unglaube: Wir glauben den Worten des Herrn nicht und haben kein Vertrauen in seine Verheißung.

(1) Mt 5,3 (Vulg.). (2) vgl. Mt 6,20. (3) Lk 6,24. (4) vgl. Lk 7,25. (5) vgl. 1Tim 6,10. (6) Eph 5,5. (7) Spr 30,8. (8) vgl. Mt 6,1f. (9)vgl. Apg 5,1f.

 

RESPONSORIUM

 

R. Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast? * Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.

V. Du behauptest: Ich bin reich und wohlhabend, und nichts fehlt mir. Du weißt aber nicht, dass gerade du elend und erbärmlich bist, arm, blind und nackt. * Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.

 

ORATIO

 

Gütiger Gott,
mit deiner Hilfe ist der heilige Sabas
Christus in seiner Armut und Demut nachgefolgt.
Hilf uns, dass auch wir unserer Berufung treu bleiben
und die Vollendung erreichen,
zu der uns dein Sohn den Weg gezeigt hat,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.