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Vladimir Solov’ev




Dr. Albert Rauch,
Direktor des Ostkirchlichen Instituts
Regensburg

Vladimir Solov’ev als Wegbereiter ins Dritte Jahrtausend

Einleitung

In den Tagen vom 11. – 14. September 2000 veranstalteten wir in Regensburg das vierte Symposium in der Reihe der Millenniums-Symposien, die wir als Beitrag zum Übergang ins dritte christliche Jahrtausend mit unseren orthodoxen Freunden geplant hatten. Da waren einmal zwei Symposien mit unseren syrischen orthodoxen Freunden aus Indien und mit deren hinduistischen Bekannten: dies sollte ein Beitrag zum interreligiösen Dialog werden.
  1. "Die Realität der Inkarnation nach der hinduistischen und der christlichen Tradition" (20. – 24. November 1998) in Regensburg.
  2. "Über eine ganzheitliche Sicht der Welt nach hinduistischer und christlicher Tradition" (2.- 5. 1.200 in Kerala/Indien).
Dabei wurde uns gemeinsam deutlich: die große Frage aller Religionen ist die: wie ist das Verhältnis zwischen Gott und Welt, Schöpfung und Schöpfer?
In der asiatischen Tradition werden Gott und die Welt eigentlich nicht geschieden gesehen. Gott ist alles in allem. Zwar gibt es auch dort das Ahnen von einer gewissen Selbständigkeit der Welt, doch dies ist sehr verhalten und dunkel (es fehlt meiner Ansicht nach eben doch die Frohbotschaft von der Fleischwerdung Gottes). Doch ist die Idee von der Advaita – Non-duality beherrschend, die Schöpfung als Ganzes ist Gottes Inkarnation, Manifestation.
Aber wir mussten auch falsche westliche Meinungen über die asiatischen Religionen und den Hinduismus im Besonderen korrigieren. Es zeigte sich:
  1. Die vielen Götter sind letztlich Erscheinungsformen des einen Gottes.
  2. Die Welt erscheint zwar in sich und aus sich als Maya, d. h. Nichts, Schein, Täuschung, aber sie hat doch auch ein gewisses Sein aufgrund der Kenosis Gottes, des self-sacrifice, der Selbsthingabe Brahmas. Dadurch hat das Universum ein gewisses Eigenleben bekommen, das aber ein geschenktes ist, und darum ist die Hauptaufgabe des Menschen und seine Antwort auf diese Hingabe Gottes die vielen Opferriten und Opfervorschriften, die einen großen Teil der "heiligen Bücher" des Hinduismus ausmachen.
  3. Gott hat zwei Gesichter: ein männliches und ein weibliches. Die Schöpfung kommt nicht hervor aus dem unveränderlichen Gott in sich, sondern aus seinem anderen, zweiten, weiblichen Aspekt, der Kraft, der Energie Gottes, aus dem weiblich-mütterlichen Aspekt Gottes.
    Hier berührt sich das asiatische Thema mit dem Thema, das uns auch in diesen Tagen beschäftigen wird: nämlich die Idee von den Energien Gottes, die aufgrund der palamitischen Lehre bei den Griechen soviel bedeuten und die Idee von der Sophia-Allweisheit, die so bedeutend entwickelt wurde von Solov’ev und vielen anderen russischen Denkern; sie berührt sich mit der Idee der Shakti des Hinduismus, von der Krishna sagt: "Durch sie vollbringe ich die Schöpfung, durch sie erschaffe ich Brahma und die anderen Devas, durch sie entsteht das Weltall, durch sie wird das Meer entlassen, ohne sie wäre die Welt nichts. Sie ist das Brennen im Feuer, sie ist der Glanz der Sonne, das Leuchten im Mond, die Kühle im Wasser, die Kraft, die das Korn hervorbringt...sie ist die Kraft der anbetenden Liebe".
    So spannt sich der Bogen vom Pantheismus zum Pan-en-theismus.

Die beiden anderen Millenniums-Symposien waren mit unseren russischen Freunden geplant.

Da war zuerst das Symposium in Novgorod, in der altrussischen Stadt, in der die Kathedrale der Heiligen Sophia aus der Zeit der Anfänge des Christentums in der Rus' (1054) steht und darin befindet sich die Ikone der "Gottesmutter des Zeichens", das "Große Zeichen", das im Westen in der apokalyptischen Gestalt der "Frau mit der Sonne bekleidet, den Mond zu ihren Füßen und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen" (Offb 12) dargestellt wird.

Und dann ist dort die berühmte Ikone der Novgoroder Heiligen Weisheit – Sophia - Premudrost Bosija. Über letztere schreibt Vladimir Solov’ev in seinem Aufsatz "Die Idee der Menschheit bei August Comte", auch wenn er dessen atheistische und antichristliche Haltung ganz ablehnt: "Es ist klar, dass hier nicht von einem Begriff, sondern von einem Wesen die Rede ist - und zwar von einem vollkommen wirklichen, und wenn nicht von einem ganz und gar persönlichen im Sinne der empirischen menschlichen Person, so noch weniger von einem unpersönlichen. Um es mit einem Wort zu sagen: Dies Wesen ist überpersönlich; aber besser sagt man das mit zwei Worten: Das ‚Große Wesen' ist nicht ein personifiziertes Prinzip, sondern eine Prinzipielle Person oder eine Person, die ein Prinzip ist, nicht eine personifizierte Idee, sondern eine Person, die eine Idee ist" (S. 354).

"Es springt in die Augen, wie nahe Comtes 'Religion der Menschheit', die sich darstellt in dem Großen Wesen weiblichen Geschlechts, sich mit dem mittelalterlichen Kult der Madonna berührt. Merken wir noch ein interessantes Zusammentreffen an. Gerade zu der Zeit, als in Paris Comte die Darlegung seiner Religion mit ihrer Erhöhung des weiblichen, effektiven Prinzips der menschlichen Natur und Sittlichkeit veröffentlichte, erfuhr in Rom der tausendjährige Kult der Madonna seine theologische Vollendung in der dogmatischen Definition (1854) des Papstes Pius IX. von der Unbefleckten Empfängnis der Hochheiligen Jungfrau"(S. 354).

"Aber der alte Kult des ewig weiblichen Prinzips hat eine historische Erscheinungsform, von der Comte überhaupt nicht hat wissen können und die doch näher als alle andern sowohl an das Wesen der Sache wie auch an die Gedanken dieses Philosophen herankommt".

"Als eingefleischter Westler wäre Auguste Comte sehr erstaunt gewesen, wenn ihm jemand gesagt und nachgewiesen hätte, dass er in seinem Grand Être das formuliert hat was mit besonderer Gewissheit und Deutlichkeit - wenn auch ohne jedes verstandesklare Verstehen - durch die religiöse Inspiration des russischen Volkes bereits im 11. Jahrhundert seinen Ausdruck gefunden hatte, so dass die zentrale Idee von Comtes religion positive eben jene Seite des Christentums darstellt, von der her die russische Seele das Christentum einst aufgenommen hat - wenn nicht mit klarem Bewusstsein, so doch mit dem Gefühl; und obwohl dieses Gefühl oder dieses Vorgefühl [den alten Russen] nur in geringem Grad bewusst geworden ist, hat es [bei ihnen] doch alsbald einen angemessenen plastischen Ausdruck gefunden".

"Wenn Comte zufällig in eine alte, verlassene, kleine Stadt gekommen wäre, die einstmals eine Neue und eine Große gewesen ist, dann hätte er mit eigenen Augen eine wahrhafte Darstellung seines Grand Être sehen können - eine genauere und vollständigere, als alle die waren, die er im Westen zu sehen bekam. Weil nicht nur Comte nichts von diesem Erzeugnis des altrussischen Schöpfertums wusste, sondern auch unter Ihnen (d.h. den damaligen Zuhörern Solov’evs) kaum jemand sein dürfte, der ihm seine Aufmerksamkeit geschenkt hätte, muss ich Ihnen seinen Sinn erklären. Dabei ist am bemerkenswertesten, dass die Hauptgestalt des Bildes dargestellt wird zusammen mit allen anderen, die ihr verwandt und nahe sind und die gewöhnlich mit ihr verwechselt werden - aber dargestellt in einer Weise, dass sie sich allseitig von ihnen abhebt und absondert, so dass keinerlei Verwechslung denkbar ist".

"In der Mitte des Hauptbildes in der alten Novgoroder Kathedrale (aus den Zeiten Jaroslavs des Weisen) sehen wir eine eigentümliche weibliche Figur in königlicher Kleidung, auf einem Thron sitzend. Ihr zur Seite, mit dem Gesicht zu ihr gewandt und in gebeugter Haltung, stehen rechts die Muttergottes byzantinischen Typs, links der hl. Johannes der Täufer; über der auf dem Thron Sitzenden erhebt sich Christus mit erhobenen Händen, und über ihm ist die Welt des Himmels zu sehen in der Person einiger Engel, die das Wort Gottes umgeben, das in der Gestalt eines Buches, des Evangeliums, dargestellt ist".

"Wen stellt diese Hauptperson dar, die in königlichem Gewand in der Mitte des Bildes thront, die sich offenkundig sowohl von Christus wie auch von der Muttergottes und den Engeln unterscheidet? Das Bild heißt: "Bild der Sophia, der Weisheit Gottes". Aber was bedeutet das? Schon im 14. Jahrhundert richtete ein russischer Bojar (Adeliger) diese Frage an den Erzbischof von Novgorod, bekam aber keine Antwort; der Erzbischof gab zu, es nicht zu wissen. Dabei verehrten unsere Vorfahren doch aber diese rätselhafte Person wie einst die Athener den »unbekannten Gott«, bauten überall Sophienkirchen und -kathedralen, bestimmten Feier und Gottesdienst, in denen in unbegreiflicher Weise Sophia, die Weisheit Gottes, bald Christus, bald der Muttergottes angenähert wird, wobei eben durch diese Annäherung an beide eine volle Gleichsetzung mit Christus oder mit der Gottesmutter ausgeschlossen wird; denn es ist doch klar, dass, wenn es Christus wäre, es nicht die Muttergottes, und wenn es die Muttergottes wäre, es nicht Christus sein könnte".

"Und nicht von den Griechen haben unsere Vorfahren diese Idee übernommen; denn bei den Griechen, in Byzanz, wurde nach allen Zeugnissen, die wir haben, die Weisheit Gottes, h Sofia tou Qeou entweder als allgemeines, abstraktes Attribut der Gottheit verstanden, oder sie wurde als Synonym für das ewige Wort Gottes, den Logos, genommen. Die Ikone der Novgoroder Sophia selbst hat keinerlei griechisches Vorbild - sie ist ein Werk unseres eigenen religiösen Schöpfertums. Dessen Sinn war den Bischöfen des 14. Jahrhunderts unbekannt, aber wir können ihn jetzt enträtseln".

"Dieses große, königliche und weibliche Wesen, das nicht Gott ist und auch nicht der ewige Sohn Gottes oder ein Engel oder ein heiliger Mensch, das von dem Vollender des Alten Testaments (d. h. von Johannes dem Täufer) und von der Stammutter des Neuen (d. h. von Maria) Verehrung empfängt - wer ist es, wenn nicht die wahrste, reinste und vollste Menschheit, die höchste und allumfassende Form und lebendige Seele der Natur und des Alls, ewig vereinigt mit der Gottheit und im zeitlichen Prozess sich mit ihr vereinigend und alles mit ihr vereinigend, was ist. Es gibt keinen Zweifel, dass hierin der volle Sinn des Großen Wesens besteht, den Comte zur Hälfte erfühlt, zur Hälfte bewusst erfasst hat und den unsere Vorfahren, die frommen Erbauer der Sophienkirchen, in seiner Gesamtheit erfühlt, aber überhaupt nicht bewusst erfasst haben. Comte hatte einen Instinkt, der die Wahrheit erriet, als er dem Großen Wesen weiblichen Charakter zuschrieb. Als etwas, was zwischen dem Begrenzten und dem Unbedingten steht, das an dem einen wie an dem anderen teil hat, ist es (das Große Wesen) seiner Natur nach ein Prinzip der Zweiheit - h aoristoV duaV der Pythagoräer - die allgemeinste ontologische Definition der Weiblichkeit. Die Menschheit ist eben jene höchste Form, durch die und in der alles Existierende absolut wird - die Form der Vereinigung der materiellen Natur mit der Gottheit. Das Große Wesen ist die universale Natur als eine das Göttliche empfangende - noch ein anderer Grund, ihr weiblichen Charakter zuzuerkennen"."Es ist klar, dass die wahre Menschheit, als die universale Form der Vereinigung der materiellen Natur mit der Gottheit oder als die Form der Empfängnis der Gottheit durch die Natur, notwendigerweise Gottmenschheit und Gottmaterie ist" (siehe Solov’evs Glaubensbekenntnis: ich glaube an die Gottesmutter – ich glaube an die Gottmaterie - zwei gleiche Worte, nur anders betont!).In dieser Atmosphäre, zusammen mit den Gottesdiensten in der Sophia-Kathedrale mit dem Ortsbischof EB Lev (Tserpitzkij), den wir seit seiner Studienzeit in Rom kennen und schätzen, sprachen wir über das Thema "Einheit und Vielfalt" und schon damals vor allem über die Gedanken dazu von Vladimir Solov’ev, Pavel Florenskij und Sergij Bulgakov.

Wir hatten uns damals in Novgorod vorgenommen, das Thema des vierten Millenniums-Symposiums zum 100. Todestag von Vladimir Solov’ev in seinem Lieblingsausdruck zu formulieren: "Alleinheit und Vielfalt - Vielgestaltigkeit".

So veranstalteten wir als viertes Millenniumssymposion in Regensburg ein Symposion zum Thema: Alleinheit und Vielfalt (11. –14. 9. 2000).

Auch die russischen Denker stellen sich die Frage, die einst Goethe am Anfang von Faust I formulierte: "Was ist es, was die Welt - im Innersten zusammenhält?" Nur sagen diese Russen: "Wer ist es, der die Welt – im Innersten zusammenhält?" Sie fragen nicht nach einer unpersönlichen Kraft, sie fragen nicht nach einer platonischen Idee, sondern nach der "Seele des Ganzen", also eher schon, wie es Goethe am Schluss seines Faustdramas formuliert: "Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan". Und dieser Protestant und Freidenker sieht diese ewig-weibliche Gestalt als eine, die uns am Schönsten in der Gottesmutter erscheint.

Wer ist diese Gestalt: die Anima mundi, die Seele der Welt? Die Antwort ist: Das All ist nicht bloß ein Haufen von leblosen Körpern bis hin zu den Molekülen und Atomen, mehr oder minder geordnet durch Gesetzmäßigkeiten, die man "noch nicht" ganz erforscht hat, deren Erforschung und Enträtselung sich aber die menschliche Hybris zutraut. Sondern diese Seele der Schöpfung ist ein lebendiges Wesen, das das All als Ganzes beseelt, wie auch jedes seiner Teile, und das das Ganze zu einem lebendigen Organismus macht, liebenswert und von Gott grenzenlos geliebt, als Braut, Jungfrau und Mutter zugleich.

Solov’ev, dem dreimal in seinem Leben diese Gestalt als "Sophia – Allweisheit" erschienen ist, nennt sie seine "ewige Freundin", "die Schönheit, die uns rettet", die "herrliche Jungfrau" oder einfach mit dem altrussischen Ausdruck: Premudrost Bosija – Göttliche Weisheit oder Allweisheit, wörtlich Über-Weisheit.

Der Slawenapostel der heilige Kyrill hatte sie schon als junger Philosoph in einer Vision geschaut und sie sich als Braut erwählt. Und während bis zur Mission bei den Slawen im griechischen Bereich die Weisheit eindeutig identifiziert wurde mit Christus, "Gottes Kraft und Gottes Weisheit", kommt nun bei den Slawen ein neuer Aspekt dazu: die große Verehrung der "Mutter Erde" und verschiedene andere vorchristliche Ahnungen haben ihr nun weibliche Züge gegeben, so ist auch in der altrussischen Sprache die Übersetzung von Sophia nicht einfach mudrost - Weisheit, sondern Premudrost: Allweisheit, Überweisheit. Und ihr zu Ehren wurden die größten damaligen Kirchen gebaut, die ihr Patrozinium jeweils an den Festtagen der Muttergottes haben.

Diese Allweisheit sieht Solov’ev auch in der Welt des Hinduismus, der jüdischen und der gnostischen Kabbala, aber auch in den Gestalten des Hellenismus, der Aphrodite und der Jungfrau Parthenos, der jungfräulichen Beschützerin von Athen. Vor allem aber in der in Russland so bedeutenden "Mutter Erde".

Er sieht sie zusammen mit der christlichen Tradition in der "Frau Weisheit", die in den letzten Büchern des Alten Testaments so oft genannt wird und sich selbst darstellt in den "Büchern der Weisheit", die leider von einem Teil der westlichen Christen in die Welt der Apokryphen verbannt werden und denen darum der Zugang zum russischen Denken noch mehr erschwert wird.

In diesen letzten Büchern des AT offenbart sich die Frau Weisheit als "Anfang - arch", der Schöpfung Gottes, als die geliebte Braut Gottes, die Baumeisterin des Alls, Gottes und der Menschen Freude, Amon, tecnitiV, skhnh, auf die all die anderen Bilder des AT treffen wie "Jungfrau Tochter Sion", "Jerusalem" und vor allem die Gestalt der Braut des Hohenliedes. Sie ist die ewige Freundin Gottes und zugleich Mutter und Urgrund, "Anfang" und Krone der Schöpfung. Wenn sie auch aus sich selbst nicht ewig ist, so nimmt sie doch als ganz reine Schöpfung teil am Wesen Gottes, weil sie in großer Liebe, in reiner uranfänglicher ungetrübter Liebe an Gottes Wesen teilnimmt, nie gefallen und nie getrennt von Gott (s. Augustinus Conf. XII).

Ihr schönstes menschliches irdisches Antlitz hat sie in der Jungfrau Maria. Davon konnten wir viel hören in diesen Tagen des Symposiums. Doch dasselbe strahlt auch im Antlitz der Kirche auf: auch da fragen unsere russischen Denker nicht "Was ist die Kirche", sondern "Wer ist die Kirche?" Sie ist nicht eine Organisation sondern ein lebendiger, gottgeliebter und gottverbundener Organismus.

Oder wie es ein junger rumänischer Theologe ausdrückt:

"Die moderne Physik spricht von Hologrammen: jeder Punkt des Universums beinhaltet und reflektiert das Ganze und das Ganze reflektiert sich in jedem Punkt des Universums.

Die ganze Menschheit bildet ein einziges Hologramm, ja eigentlich die ganze Schöpfung. Jedes Hologramm ist geformt nach dem Bild eines anderen Hologrammes, nämlich dem Gottes, der Heiligsten Dreifaltigkeit. Die griechischen Väter kannten diese Verbindung. Sie sagten, in Wirklichkeit, gegen allen äußeren Schein, existiert nur ein einziges menschliches Wesen, in dem Tausende leben, Milliarden von Personen, so wie in der Heiligsten Dreifaltigkeit nur ein Wesen ist und doch drei Göttliche Personen.

Durch die Menschwerdung gehört Christus den beiden Hologrammen an, die er in sich vereint.

Das Schöpfungshologramm ist nach dem Bild des Trinitäts-Hologramms gebildet, die Sapientia increata und die sapientia creata. So könnte man auch Maria sehen als das Schöpfungshologramm, an dem "von Anfang" vollzogen ist, was uns "am Ende" zuteil wird.

So ist die Trinität das perfekte Hologramm, das "Hologramm in der Ewigkeit".

Das "Hologramm in der Zeit" ist universal, insoweit wir eine einzige Schöpfung bilden, panhuman, pankosmisch, gott-menschlich, ein mystisches "holon", das eine Hölle sein kann (im Egoismus) und ein Paradies (in der Liebe).(aus "Mystagogia Trinitatis" von Ioan Ica jr.)

Am Schluss noch eine kleine persönliche Erfahrung:

Zum Millennium der Taufe der Rus' waren damals (es deutete sich schon langsam eine Perestrojka an) drei große kirchliche internationale Kongresse in der Sowjetunion erlaubt worden: im Juni 1986 in Kiew, im Mai 1987 in Moskau und im Januar 1988 in Leningrad/St. Petersburg. Während wir zum Kongress in Kiew nur zu zweit als Katholiken eingeladen waren neben einigen Protestanten, waren beim Moskauer Kongress im Mai 1997 schon viele Katholiken und Protestanten eingeladen, vor allem aber bestand schon ein Drittel der Teilnehmer aus Mitgliedern der sowjetischen Akademie der Wissenschaften und anderer sowjetischer wissenschaftlicher Institute.

Zufällig hatten wir vier deutschsprachige Teilnehmer als gleichen Hintergrund unserer Vorträge die Marienverehrung: der protestantische Theologe Hermann Goltz aus Halle sprach über den Muttergotteshymnus "Akathistos Hymnos", der im Grunde auch ein Christuslob ist, wie auch jede Muttergottesikone eine Christusikone sei. Der Wiener Benediktiner P. Bonifaz Tittel sprach über das Rosenkranzgebet als das "Immerwährende Gebet" des Westens". Dr. Klaus Wyrwoll, der damals das römische Einheitssekretariat vertrat, sprach über die damals neue Marien-Enzyklika des Papstes zum Marianischen Jahr und zum Jahr der Taufe der Rus’. Und ich sprach über die neuen Mariendogmen als historisch notwendig gewordene Antwort auf die besonderen Irrlehren unseres Jahrhunderts. Überraschend war die Reaktion der Russen, nicht etwa der Bischöfe und Theologen, sondern einiger Wissenschaftler aus der Akademie der Wissenschaften: es klang fast wie Eifersucht, wenn sie sagten "Russland ist das Haus der Muttergottes, das russische Land ist voll von Kirchen, die der Muttergottes geweiht sind, und es gibt über tausend wundertätige Ikonen der Gottesmutter; und dann die Kirchen der Heiligen Sophia, die Wallfahrten und Feste im Laufe des Kirchenjahres usw.!

Darüber konnten wir nun in diesen gemeinsamen Tagen des Gebetes, der Vorträge und der Gespräche viel Schönes erfahren. Wir haben tiefer erkannt, dass die Tradition der russischen Kirche und des russischen Denkens eine echte Bereicherung für die gesamt-christliche ja gesamt-menschliche Beziehungen werden kann.