OKI-Logo »Roma« - eine Stadt
oder ein Programm?

 

 

Rom-Seminar I
vom 18. bis 25. August 2007
Evangelisch in Rom.
Ein Reiseführer.
Rom-Seminar III
vom 28. Juni bis 5. Juli 2008
Rom-Seminar II
30. April bis 5. Mai 2008
Rom-Seminar IV
15. März 2011
     
  Eine Fahrt ins Neue Rom
Konstantinopel - İstanbul
vom 28. April bis 5. Mai 2012

Feedback zur Reise
 
     
5. Romseminar Anatolien
zu den georgischen Klöstern
28. August bis 1. September 2019
4. Romseminar in der Türkei
vom 21. bis 25. März 2019
6. Romseminar Anatolien:
Armenier, Sufi, Aleviten um Elaziğ
8. bis 11. September 2019
7. Romseminar in der Türkei
vom 13. bis 16. Januar 2020
8. Romseminar Anatolien
vom 20. bis 27. April 2021
9. Romseminar am Marmarameer
am 9. Juli 2020
10. Romseminar am Marmarameer
am 19./20. September 2020
11. Romseminar Anatolien
Kathedrale Myra
und die Südküste des hl. Nikolaus
vom 7. bis 14. Juni 2021
  12. Romseminar Anatolien
Hakkâri und die Chaldäer
vom 21. bis 26. Juni 2021

 

»Wie lange braucht man, um Rom wirklich kennen zu lernen, Freund Wyrwoll?«, diese Frage stellte mir gerade aus gegebenem Anlass einer von Ihnen.
»Ich weiß es nicht, ich war nur 14 Jahre dort« - zog ich mich aus der Schlinge; nur 14 Jahre … und jetzt werde ich Ihnen in rotarischen 20 Minuten nicht alles von Rom erzählen! Und nur ganz wenige Beispiele auswählen, in Stichworten andeuten, was ich in Rom sehe. Sie studieren das dann in den Büchern viel besser.

»Denn seit dem 15. Jahrhundert bis auf unsere Tage haben sich treffliche Künstler und Gelehrte mit diesen Gegenständen ihr ganzes Leben durch beschäftigt« (Goethe, Italienische Reise 5.11.1786)
Heute ist also keine Vorbereitung für die Romfahrer. »Rom kann man nur in Rom vorbereiten« (ebd.) - an Goethes Geburtstag 28.8.1749 auch dieses Goethezitat. Sondern heute ein Stück Rom selbst, also ein ganz normaler rotarischer Vortrag, bei dem wir hoffentlich etwas von dem spüren, was Goethe rief beim Blick auf Rom:
O wie fühl ich mich in Rom so froh! hier allein empfind ich, was ein Mensch und wer ich selber sei. (Rom als Programm der Befreiung) »ich kam, den Mittelpunkt zu suchen, nach dem mich ein unwiderstehliches Bedürfnis hinzog.. Ja, ich bin endlich in dieser Hauptstadt der Welt angelangt. Es geht, man darf wohl sagen, ein neues Leben an!« (ebd. 1.11.)

Und einer, der bestimmt Rotarier gewesen wäre, schreibt: Wen hat nicht diese Stadt Rom, mochte er auch auf fremder Erde geboren sein, in ihren sanften Schoß aufgenomen, geliebkost und erzogen? Wer erschien sich dort als Fremdling, wenn er auch vom Ende der Welt hergekommen wäre? Wo gab es einen noch so rauhen Geist, den nicht die Stadt Rom, durch das Leben in ihr, milder und reifer heimkehren ließ? (Erasmus von Rotterdam - Rom als Programm ganzmenschlicher Bildung)

Nehmen wir noch einen dritten, dessen Romfreude uns eine einseitige Sicht lange verschwiegen hat. Martin Luther schreibt 1519 über seinen Rombesuch 1510: »… es steht also so um Rom, und doch kann kein noch so wichtiger Grund uns lösen und wegreißen von dieser Kirche. Im Gegenteil, je schlimmer die Dinge stehen, desto mehr müssen wir ihr beistehen und sie begleiten. Denn: sie verachten und sich von ihr trennen, das fördert überhaupt nichts.« These 81 von den »95 Thesen« lautet: »die freche Ablasspredigt macht es gelehrten Männern nicht leicht, das Ansehen des Papstes in Schutz zu nehmen.« (Rom als Programm kritischer Klarheit)

Was hat diesen drei und tausenden anderen an Rom und in Rom so gut getan?

Bei einer rotarischen Romreise von Hannover aus sagte einer der Teilnehmer nachdenklich: »Rom« - ist das nun eigentlich nur eine Stadt, oder ist das vielmehr ein Programm? Ein Programm, das sich von den allerersten Zeiten der Geschichte mit Romulus und Remus und den Gänsen des Capitolio bis zum Club of Rome und den Römischen Verträgen für die EU erstreckt. Was für ein Programm? ein Programm der Bündnisse, weltweiter Verbindungen, Austausch der Kulturen, Mitnehmen von allem, was irgendwo besonders gut ist, und Weitergeben überall hin, wo die römischen Truppen ziehen. Wenige Jahrzehnte, anderthalb Jahrhunderte römischer Besatzung genügen, und schon bleibt die lateinische Sprache, als rumänisch oder spanisch; oder wenigstens die Grammatik, wie im deutschen; die perfekte Trierer Trinkwasserversorgung in jedes Haus kopieren die Römer in allen anderen großen Städten, die Mähdrescher verbreiten sie aus der Kornkammer Nordafrika ums ganze Mittelmeer; welchem römischen Soldaten die Religion eines Landes gefällt, der nimmt sie mit an jeden Standort.
Jeder sieht deutlich den kulturellen zivilisatorischen Aufbruch und Aufstieg in den Ländern, in denen die Römer die jährlichen Kriege der Stämme untereinander beendeten und die pax romana festigten, den »römischen Frieden« oder »Frieden der Römer«. Ein Hildesheimer Rotarier rief aus: weh dir, Hermann der Cherusker - hättest du die Römer durch den Teutoburger Wald gelassen, hätten wir Jahrhunderte eher unsere Zivilisation bekommen!

Vollends von dem Namen einer Stadt hin zum Namen für ein Programm wendet Dante das Wort ROMA in der Göttlichen Komödie, im Kapitel Fegefeuer, im 32. Gesang. Da sagt Beatrice zu Dante: »Hier wirst du Fremdling sein für kurze Frist, und wirst mit mir einst ewig Bürger bleiben in jenem Rom, wo Christus Römer ist«. »Qui sarai tu poco tempo silvano e sarai meco senza fine cive di quella Roma onde Cristo è Romano.«
Papst Paul VI. hat diesen Satz bei seinem 80. Geburtstag in St. Peter zitiert. »Verstanden habe ich ihn nicht,« sagt Paul VI., aber »ich bin heute leidenschaftlich darum bemüht, das Geheimnis zu bedenken und zu begreifen, das sich nur schwer verstehen und schwer leben lässt: warum, wie Dante sagt, Christus ein Römer ist. Als einziges Vermächtnis, das ich euch Römern hinterlassen kann, empfehle ich euch, mit liebevollem und unerschöpflichen Interesse eurer »Rombewusstsein« zu vertiefen, ob ihr nun gebürtige Römer seid oder euch nur für einige Zeit hier auffhaltet und Gastfreundschaft genießt«.

Rombewusstsein.
das fängt schon an auf der kleinen Tiberinsel, die vielleicht die allerälteste Keimzelle der Stadt Rom ist. Wie heißt in diesem kleinen Römerlager zwischen den beiden Tiberarmen das wichtigste Amt? Pontifex - Brückenbauer. Die beiden Brücken mussten ständig perfekt sein, vom Brückenzoll lebte die Gemeinschaft, von der Kommunikation, dem Weg, der Bewegung, den vielen, die durchzogen.

Rombewusstsein.
Möglichst viele sollten sich auf diesen Brücken wohlfühlen, weil sie zu ihrem Ziel gelangen.

Rombewusstsein.
Selbstverständlich zieht das auserwählte Volk der Juden nach Rom, schließt Bündnisse mit Rom, die gewaltige Synagoge, das Ghetto und der Titusbogen zeugen davon.

Rombewusstsein.
Selbstverständlich zieht Paulus nach Rom und appelliert an den römischen Kaiser, wenn er Recht haben will, das ihm ermöglicht, Christus zu verkünden. Petrus tut es dem Paulus nach, seitdem sind ihre Bilder hundertfach gemeinsam in Rom, z.B. im Mamertinischen Kerker wie Jugurtha 104 v. Chr. und Vercingetorix 52 v. Chr.

Rombewusstsein.
Konstantin und seine Mutter Helena bringen Jerusalem und das ganze Heilige Land symbolisch nach Rom, das Kreuz und den Abendmahlstisch und den Palast des Pilatus und die Krippe.
Konstantins Nachfolger in Rom am Tiber oder in Rom am Bosporus sorgen für die Einheit der Christen als Hilfe für die Einheit des Staates und die Effizienz der Verkündigung, der Kaiser trägt den Titel »Pontifex«, bald auch mit christlichem Titel: »Stellvertreter Christi«.

Rombewusstsein
Als im 7. Jahrhundert im 2. Rom die Bilder verboten werden, sammeln sich die Ikonen in Rom, mit ihren Wächtern, den griechischen Mönchen, auf dem Aventin, einem der sieben Hügel, - und kommen von Rom aus nach Bogenberg oder Maria Ort.
Bald hat der Römische Kaiser von Byzanz aus keine politische Kraft mehr zum Pontifex, zum Brückenbau im Westen des Reiches, und seine westlichen Imitatoren angefangen von Karl dem Großen nicht die geistliche Kraft zum kirchlichen Brückenbau. 1031 gebraucht Petrus Damianus zum ersten Mal den Ausdruck »Stellvertreter Christi« nicht für den Kaiser von Rom, sondern für den Bischof von Rom.
Zweihundert Jahre später, 1250, ist Rom Zentrum auch für das irdische Heil, an keinem Fürstenhof sind soviele Ärzte versammelt wie in Rom. Zwischen 1267 und 1277 werden die wichtigsten mittelalterlichen Werke der Optik in Rom geschrieben.
Nach der Rückkehr der Päpste aus Avignon 1377 kommen die Künstler, die zwischen dem Heil des Leibes und dem Heil der Seele das gemeinsame Heil der Schönheit darstellen, und machen Rom zum Zentrum und Umschlagplatz der Harmonie des Schönen, Abbild der Harmonie Gottes.

Je selbständiger die Kirchen im Osten des Mittelmeerraumes werden, desto mehr übernimmt Konstantinopel, İstanbul das Programm der Einheit, Byzanz wird zum Mittelpunkt von Einheits - Harmonie - Friedens - Bewegung unter den östlichen Christen und Menschen: deutlich dem Namen »2. Rom« trägt, also katholisch ist, ökumenisch. Beide Wörter heißen nichts weiter als »allgemein«, »auf der ganzen bewohnten Erde«.

Und als Byzanz 1453 unter den Osmanen fällt und das frische junge christliche Reich der Moskauer Fürsten und seine Bischöfe Verantwortung übernehmen für die östliche Christenheit, zeigen sie Rombewusstsein, übernehmen für diese Aufgaben ebenfalls den Namen Rom: »Moskau, das 3. Rom« - alle zwei Jahre ist in Rom am Tiber ein Symposion der Historiker unter dem Namen »Moskau, das 3. Rom«.

Im 19. Jahrhundert erwacht das altchristliche Rom-Programm »Einheit in der Vielheit« in den evangelischen Kirchen, 1846 die Gründung »Evangelische Allianz«, 1877 der Weltbund der Reformierten. 1867 vereinigen sich die anglikanischen Bischöfe unter dem Erzbischof von Canterbury zur Lambeth-Konferenz. Unabhängig von politischen Spaltungen, unabhängig vom Einfluss der Staatslenker, die sich mittlerweile wieder und immer noch als als Stellvertreter Christi ansehen.

Erste Vatikanum: Primat des Papstes, Unfehlbarkeit.
Trotz aller Missverständnisse der Definition des Primates auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870: das Weiterbestehen dieses Weltkirchenrates der Christen, der sich »Katholische Kirche« nennt, zu dem mehr als die Hälfte aller Christen gehören, nach anderen Statistiken zwei Drittel oder drei Viertel, Weiterbestehen über alles nationale Zerfallen der großen Reiche in Europa, Weiterbestehen über zwei Weltkriege, lässt mich das Erste Vatikanische Konzil und seine Definition des Primates der Einheit als ökumenisches Ereignis werten, von noch unbeachteter Geisteskraft zur Stärkung und Ermöglichung von Einheit der Menschen, der Christen.

Das 2. Vatikanische Konzil 1962-1965, bisher das letzte Ökumenische (Allgemeine) Konzil ist erstmalig wirklich katholisch, ökumenisch. Zwar waren auch beim 1. Vatikanum 1870 Bischöfe vom ganzen Erdball, der ganzen Οικουμενη. Aber sie waren entweder gebürtige Europäer oder hatten doch ihre Studien in Europa absolviert.
Beim 2. Vatikanische Konzil 1962-1965 waren Bischöfe, die noch nie vorher Europa besucht hatten. Und zu den zweitausend »katholischen« Bischöfen fast zweihundert andere Christen, die zwar in den Plenarsitzungen nur den Status von Beobachtern hatten, in den entscheidenden Arbeitskreisen aber vollberechtigt mitarbeiteten.
Zum ökumenischen Zusammenschluss »Katholische Kirche« gehören alle katholischen Gemeinden seit 2000 Jahren und die volle Anerkennung jeder katholischen Ortskirche als wirkliche Kirche durch alle anderen Ortskirchen.
Das II. Vatikanische Konzil hat als Form und Modell der Einheit das uralte Pluralitäts-Programm Roms biblisch neu formuliert und das Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit als Modell der Einheit herausgestellt [Ökumenismus-Dekret Nr.2], wie es dem hohepriesterlichen Gebet Jesu Joh 17,20-26 entspricht. Damit werden Unterschiedlichkeit und Pluralität nicht nur geduldet, sondern unaufhebbar postuliert. Anders-Sein zerstört nicht das gemeinsame Wesen, ist vielmehr befruchtende Möglichkeit.

Das zieht die Millionen von Menschen an, die jedes Jahr nach Rom fahren. In den Katakomben, an den Gräbern der Apostel, in den Basiliken des Kaisers Konstantin, die die Ereignisse des Lebens Jesu nachbilden, Geburtsgrotte (Maria Maggiore), Abendmahlssaal (St. Johannes), Golgotha (Hl. Kreuz), mit Kolosseum, Engelsburg, Piazza Navona treffen sie Erinnerungen an gläubige Menschen aus der ganzen damals bekannten »bewohnten Erde« (= griech: Ökumene, Οικουμενη) und die vielen Menschen selbst in einer einzigartigen Gleichzeitigkeit.
In den Kirchen und Kunstwerken treffen die Besucher Zeugnisse des Glaubens aus allen Jahrhunderten, dieser Obelisk z.B. hatte schon tausend Jahre in Heliopolis gestanden, als Moses mit dem Volke Israel an ihm vorbeizog. Nun steht er schon zweitausend Jahre in Rom, viele Jahrhunderte mit dem Kreuz geschmückt.
Und wer an der kurzen Andacht mit dem römischen Pontifex mittwochs in St. Peter oder auf dem Platz teilnimmt, Kreuzzeichen, Schriftlesung und Auslegung in fünf bis zehn Sprachen, Vaterunser und Segen, trifft Rompilger nun wirklich vom gesamten Ökumene-Erdball mit sehr unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Freude und Gemeinschaft und Frömmigkeit. Er spürt die Mühsal dieser Einheit in der Vielfalt, wenn er unverständlicher Sprache und unbekannten Gesängen zuhören muss. Goethe: in St. Peter habe ich begriffen, wie die Kunst sowohl als die Natur alle Maßvergleichung aufheben kann.
Diese Ökumene in Rom, jahrtausendalt für jene 65% der Christen, die sich zur ökumenischen Einheit »Römisch-Katholische Kirche« rechnen, bekommt seit 1948 eine neue Dimension, seit die anderen christlichen Kirchen aus ihrer nationalen oder konfessionellen Isolierung treten und im »Ökumenischen Rat der Kirchen« in Genf ihre Verantwortung für die jeweils anderen entdecken und ausüben. Sie gehen gern nach Rom, um die uralten und neuen ökumenischen Erfahrungen von »Rom« zu spüren und ihre eigenen einzubringen. So vergeht kein Mittwoch, an dem nicht lutherische, anglikanische, reformierte Gruppen auf dem Petersplatz vorgestellt werden, oder griechisch-orthodoxe Bischöfe mit dem Papst den Schlusssegen spenden. Sie sind oft die verständnisvolleren Katholiken.

Wie Bundespräsident Roman Herzog. Globalisierung, hat er gemerkt, ist das lateinische Wort Globus statt des griechischen Katholisch oder Ökumenisch. Bundespräsident Roman hat das Rom-programm Anfang Juni 1998 in Mainz so ausgedrückt:
Globalisierung. Für eine Kirche, die seit je schon in Urbs und Orbis präsent ist, ist das eigentlich ein alter Hut. Universale Vernetzung ist ja geradezu das Wesensprinzip der katholischen Kirche. Deswegen aber hat die Kirche dem Globalisierungsdenken von heute ein wesentliches Element hinzu fügen: Es geht nicht nur um globales Wirtschaften, sondern auch um globale Verantwortung. Für das weltweite kirchliche Netzwerk sind fremde Länder nicht bloß Standortfaktoren oder Billiglohnländer. Es gibt viele persönliche Beziehungen, Gemeindepartnerschaften, regen Austausch mit Partnern in Asien, Afrika und Südamerika. Die in kirchlichen Kreisen vorhandene Kenntnis dortiger Zustände relativiert viele unserer eigenen Probleme und bewahrt vor einem selbstbezogenen Pluralismus. Die … katholische Kirche hat viele Reiche und Staaten kommen und gehen sehen.

Wir werden das in Rom sehen: die Zeichen der Reiche sind friedlich nebeneinander auf den Bauten, der altrömische Gott neben dem Papstwappen, Napoleons Zeichen neben den Fasci der Faschisten.

Dr. Klaus Wyrwoll
Ostengasse 31
D-93047 Regensburg